„Uns läuft die Entwicklung davon.“ Dr. Edgar Gramlich ist besorgt. Der Allgemeinmediziner aus Albertshofen fühlt sich von der Situation überfordert, hat Angst vor der Zukunft. „Jeder von uns arbeitet mit dem Rücken an der Wand“, verbildlicht der 62-Jährige den Mangel an hausärztlichem Nachwuchs im Landkreis. Um über die Situation aufzuklären, hat er sich an die Landrätin gewandt. Die wiederum lud am Mittwochabend Ärzte und Bürgermeister ein, um bei einem offenen Gedankenaustausch Lösungen zu finden.
„Ich liebe meinen Beruf“, betont Gramlich in seiner Eingangsrede. Seit 1987 leitet er die Praxis in Albertshofen, der Trend der letzten Jahre mache ihn traurig. Zum einen werde die Arbeit immer verwaltungsintensiver. „Diese Bürokratie ist ein Riesenärgernis“, schimpft er und die anwesenden rund 30 Ärzte pflichten ihm bei. Die Wut richtet sich gegen die Krankenkassen, die die Praxen mit ihren unterschiedlichen Abrechnungsmodellen vor riesige Papierberge stellen.
Zum anderen werde der Zeitaufwand größer, Zwölf-Stunden-Tage keine Seltenheit. „Manche Kollegen nehmen gar keine Patienten mehr auf, weil sie überlastet sind“, sagt Gramlich. Andere machen trotz erreichtem Ruhestand weiter, um ihre Patienten nicht im Stich zu lassen. „Wieder andere resignieren frustriert gemäß dem Motto: Nach mir die Sintflut“, schildert der 62-Jährige.
Durch die älter werdende Gesellschaft werde der Bedarf an Hausärzten weiter steigen, doch der Nachwuchs meide die ländlichen Regionen. An Hilfe aus Berlin glaubt er nicht: „Die hausärztliche Tätigkeit soll seit Jahren seitens der Politik gefordert werden, in der Realität ist das Gegenteil der Fall.“ Man müsse jetzt etwas tun, um dem Mangel an Hausärzten entgegenzuwirken.
Hildgund Berneburg von der Kassenärztlichen Vereinigung (KBV) für Unterfranken zeichnet ein anderes Bild: „Kitzingen ist statistisch gesehen überversorgt.“ Knapp 60 Hausärzte seien derzeit in der Region im Einsatz, deren Altersdurchschnitt von 54,75 Jahren sei ähnlich der bayernweiten Zahlen. Problematischer sei die Lage in Schweinfurt-Land oder in den Haßbergen.
„Diese Zahlen sind Augenwischerei“, sagt Gramlich. Zwar könne man statistisch sagen, dass ein Hausarzt auf knapp 1700 Bürger in Ordnung sei. Doch hätten sich die Anforderungen an die Praktizierenden gewaltig verändert. „Früher sind die Patienten viel länger in den Kliniken geblieben“, erinnert er sich. Heute kämen die meisten schon nach einigen Tagen wieder zum Hausarzt, der sie dann weiter begleitet.
Unbeliebt und kräftezehrend seien auch die nächtlichen Bereitschaftsdienste. Gerade Frauen, die immer häufiger den Beruf des Allgemeinarztes wählen, wünschten sich andere Regelungen. Der Trend, so bestätigt Gunnar Geuter vom bayerischen Landesamt für Gesundheit, müsse zu mehr Arbeitsteilung und Teilzeitstellen gehen. „Wir brauchen neue Strategien und innovative Formen der Berufsausübung, um eine flächendeckende Versorgung zu sichern“, sagt Geuter.
„Das derzeit negative Bild vom Hausarzt in ländlichen Regionen muss von allen Seiten korrigiert werden.“
Gunnar Geuter vom bayerischen Landesamt für Gesundheit
Wichtig sei dabei eine Willkommenkultur und ein gemeinsamer Wille von Politik und Ärzten. „Das derzeit negative Bild vom Hausarzt in ländlichen Regionen muss von allen Seiten korrigiert werden.“ Frischere Internetauftritte, neue Arbeitsmodelle und attraktive Standortbedingungen seien der richtige Weg, um Nachwuchs zu locken.
Das unterstreicht auch Gramlich, der in seiner Praxis in Albertshofen große Probleme mit dem Internetanschluss hat. „Auch die öffentliche Anbindung ist nicht gerade reizvoll für junge Bewerber“, fügt er hinzu. Wenn man die Standorte attraktiver gestalte und die Arbeitsbedingungen an gefragte Modelle anpasse, werden sich auch jüngere Kollegen im Landkreis niederlassen.
„Wir werden diese Anregungen aufgreifen“, verspricht der anwesende Kitzingen Oberbürgermeister Siegfried Müller. Mit Hilfe des bayerischen Landesamts werde man eine Imagekampagne starten, um jüngere Allgemeinmediziner zu locken. Ein Jahr will Landrätin Tamara Bischof dem Projekt nun geben. „Dann treffen wir uns wieder hier“, sagt sie am Ende der Sitzung. Im besten Fall ist das Publikum dann bereits ein klein wenig jünger.