Etliche Menschen wohnen in Denkmälern, seien es alte Häuser oder gar Türme. Wenige leben aber in einer ehemaligen Synagoge – wie die Familien Hüßner in Wiesenbronn oder Link in Hüttenheim. Andernorts dagegen dienen die ehemaligen Gotteshäuser als Lagerraum. All das sind Synagogengeschichten, die Sybille Krafft für die Fernseh-Reihe "Leben mit einem Denkmal" aufgespürt hat.
Nicht mehr oft kommt es vor, dass es eine Preview gibt. Die Redaktion der Sendung "Unter unserem Himmel" des Bayerischen Rundfunks (BR) hatte dazu in die ehemalige Synagoge in Wiesenbronn zur Familie Michaela und Reinhard Hüßner eingeladen. Im ehemaligen Betsaal, jetzt das Wohnzimmer der Familie, durften Akteure der Dokumentation und Fördermitglieder den Film vorab sehen. Kinofeeling einmal anders, nicht mit Popcorn und Cola, sondern mit Bratwürsten und Wein.

"Es war eine wunderschöne Zeit während der Dreharbeiten", schwärmt Reinhard Hüßner, der sich mit seiner Frau Michaela freute, Gastgeber sein zu dürfen. Für Sybille Krafft hätte es keinen kongenialeren Ort für das Preview geben können. "Es ist notwendiger denn je, dass wir auf dieses kulturelle Erbe aufmerksam machen", sagt sie mit Blick auf aktuelle Geschehnisse. "Diesen Schatz einfach zu bewahren und sorgsam damit umzugehen in der derzeitigen Situation, ist da das Beste."
Nach dem Kauf des Gebäudes ging es ans Ausräumen
Im April 2005 hat Reinhard Hüßner das Plakat "Zu verkaufen" an der ehemaligen Synagoge gesehen. "Da haben wir zugeschlagen", erzählt er. Das Gebäude war im Prinzip bezugsfertig, doch sofort eingezogen ist Familie Hüßner nicht. "Wir haben erst einmal ausgeräumt."
"Wir haben versucht, das Ursprüngliche zu rekonstruieren."
Michaela Hüßner über die Sanierung der früheren Synagoge in Wiesenbronn
Denkmalpfleger, Archäologen, Restauratoren, Geologen, Historiker und Volkskundler waren dann neben Architekten und Handwerkern die Begleiter für die folgenden Jahre. Interessantes kam zum Vorschein. Fast lückenlos konnte die Bau- und Renovierungsgeschichte rekonstruiert werden. An einer Decke im Erdgeschoss fand der Restaurator zum Beispiel 63 Farbanstriche, verteilt auf 130 Jahre. Das rituelle Reinigungsbad, die Mikwe, wurde freigelegt, der Betsaal im Obergeschoss mit Mansarddach ist ja mit seiner letzten Ausmalung weitestgehend erhalten geblieben und wurde sorgfältig rekonstruiert und konserviert. Jetzt verbringen die Hüßners Abende im Wohnzimmer unterm Sternenhimmel.

"Wir haben all das selber gemacht, wozu man nicht unbedingt Fachleute brauchte", erzählt Michaela Hüßner. Außen klopften sie Putz ab und sie hatte sich sogar Zahnarztwerkzeug beschafft, um den Zement aus den Fugen zu kratzen. "Wir haben versucht, das Ursprüngliche zu rekonstruieren." Jede freie Minute habe man mit dem Gebäude verbracht. Wie viel Zeit das insgesamt war, das weiß sie nicht. "Man rechnet da nicht nach", meint sie.

Zehn Jahre lang sanierten die beiden nach allen Regeln der Denkmalkunst das Gebäude. Eine Zeit, in der auch das Gebäude selbst mit den Bauherren etwas gemacht hat: "Man fühlt sich daheim. Zehn Jahre haben wir mit dem Haus gearbeitet, da fühlt man sich angekommen", erklärt Michaela Hüßner. Ihr Mann Reinhard fühlt sich in dem historischen Gebäude ebenfalls wohl. Es habe Geschichte und irgendwie eine Aura. Das Spannende sei auch die Einbindung in die Dorfgeschichte. Bei diesem Gebäude habe man nicht nur normale Jahreszahlen oder Wände, "man kann auch die Menschen spüren, die dort gelebt und gearbeitet haben, gelitten und gefeiert haben". Das ist "das Fleisch eigentlich, was die Geschichte ausmacht".

Ähnlich geht es der Familie von Andrea und Günter Link aus Hüttenheim. Günter Link, selbst Schreiner, hat auch zu den Hüßners eine Beziehung, denn er fertigte das Holzgeländer auf der Frauenempore des Betsaals. Als die Links die ehemalige Synagoge mit Vorsängerhaus gekauft haben, war das lange leerstehende Gebäude eigentlich eine Bauruine. Mit viel eigener Arbeit haben sie es saniert. Die Umwandlung von einem ehemaligen Gotteshaus in ein Wohnhaus sei anfangs schon etwas holprig gewesen. Doch nachdem die Israelitische Kultusgemeinde grünes Licht gegeben hatte, zog auch das Denkmalschutzamt mit, mit dem sie, wie die Hüßners in Wiesenbronn, auch beste Erfahrungen gemacht hätten.
Nachfahren jüdischer Bürger kommen zu Besuch
Und sie genießen das Wohnen in dem Gebäude mit einem sehr hohen Raum. "Dem Ort seine Würde lassen und mit ihm leben", beschreibt es Günter Link. Es lebe sich hier anders als in einem Haus, in dem noch nie Menschen gelebt haben. Man habe auch Respekt davor, ergänzt Andrea Link. Besuch bekomme man von Nachfahren ehemaliger jüdischer Bürger in Hüttenheim. Das gebe einen ganz anderen Austausch mit Religion. Es sei sehr spannend, in einem geschichtsträchtigen Haus zu wohnen.
SendeterminAm Sonntag, 1. März, läuft um 19.15 Uhr im Bayerischen Fernsehen in der Reihe "Unter unserem Himmel" die Sendung mit dem Titel "Leben im Denkmal: Synagogengeschichten".Es werden sechs Beispiele vorgestellt, wie ehemalige Synagogen in Franken heute genutzt werden, darunter neben Wiesenbronn und Hüttenheim zwei weitere, wo Menschen gerade dabei sind, eine Sanierung zu planen, die älteste noch genutzte Synagoge in Bayreuth und die ehemalige Synagoge in Uehlfeld, die ein Taxifahrer als Lager für Flipper-Automaten nutzt, die nach seinen Angaben überwiegend aus jüdischen Firmen stammen.Auch in der BR-Mediathek ist der Film zu sehen.
