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22 Krebsfälle alarmieren Anwohner

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22 Krebsfälle alarmieren Anwohner

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    Sie steht unter dringendem Tatverdacht, doch einen wissenschaftlichen
Beweis für ihre gesundheitsschädigende Wirkung gibt es (noch) nicht: die
Mobilfunkanlage in Helmstadt.
    Sie steht unter dringendem Tatverdacht, doch einen wissenschaftlichen Beweis für ihre gesundheitsschädigende Wirkung gibt es (noch) nicht: die Mobilfunkanlage in Helmstadt. Foto: FOTO OBERMEIER

    Hans Schmelzer hat eine Karte mit roten Punkten gezeichnet. Sie zeigt den Norden Helmstadts. Die Punkte sind Krebsfälle. 13 rote Punkte sitzen im Süden des Mobilfunkturms, neun im Südwesten. 22 Krebsfälle bei 550 Anwohnern - in drei Häusern gebe es sogar zwei Erkrankungen. Zum Vergleich: Laut einer Schätzung des Robert-Koch-Instituts erkranken in Deutschland jährlich 0,5 Prozent der Menschen neu an Krebs.

    Die Informationen über die Krebsfälle hat Schmelzer selbst recherchiert; sie wurden auch schon in einer öffentlichen Versammlung vorgestellt. In den Augen des ehemaligen Schulleiters zeigt seine Karte zwei Strahlungskorridore. Auf einer Info-Veranstaltung über einen neuen Mobilfunkmast in Helmstadt präsentierte der Umweltanalytiker Dr. Dietrich Moldan eine Grafik mit den Haupt-Strahlungsrichtungen des alten Turms: Sie stimmten mit Schmelzers Skizze überein. "Das ist schon verdächtig", so Moldan. Doch die Formel "ein naher Mast sorgt für viel Strahlung" gehe nicht auf: Viele Einflüsse wie Standort, Antennentyp, Landschaft und unerwünschte Nebenstrahlung seien zu berück-sichtigen.

    Schmelzers Frau lebte 26 Jahre in beiden betroffenen Gebieten: Sie wohnte im ersten und arbeitete im zweiten. "Vor mindestens zehn Jahren kam der Turm dazu." Nach der Krebs-Diagnose pflegte Schmelzer seine Frau dreieinhalb Jahre. Dann starb sie. Mit intimen Details gehe er nicht gerne an die Öffentlichkeit. "Man soll aber sehen, dass ich es ernst meine."

    Glaubt er, dass die Strahlung Krebs verursacht? "Ich bin kein Wissenschaftler", sagt Schmelzer ausweichend. Die Autobahn könne jedoch nicht die Ursache sein, da sich der Feinstaub über das ganze Dorf verteile. Auch die Ausstöße der startenden Flugzeuge vom Frankfurter Flughafen scheiden für ihn aus. "Da müssten wir alle betroffen sein." Vielleicht seien es alle Einflüsse zusammen. Schmelzer fordert jetzt eine Messung der Strahlung.

    Umstrittene Grenzwerte

    Mit solchen Untersuchungen hat auch Dr. Moldan Erfahrung: "Die Ergebnisse liegen normalerweise immer unter den gesetzlichen Grenzwerten." Nachzulesen sind die Werte in der 26. Bundesimmissionsschutzverordnung. Laut Professor Dr. Ulrich Bochtler, vereidigter Gutachter der Region Unterfranken, bestimmt das Umweltministerium die Werte: Grundlage dafür seien über 20 000 Studien, die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der deutschen Strahlenschutzkommission bewertet werden. "Die gesellschaftlichen und politischen Kontrollmecha- nismen funktionieren", sagt Bochtler.

    Der aktuelle Grenzwert für UMTS-Antennen liegt bei 10 Millionen Mikrowatt pro Quadratmeter. "Kritische Wissenschaftler empfehlen 100 Mikrowatt", sagt Moldan. Der Knackpunkt sei: Die Grenzwerte berücksichtigten lediglich "die kurzfristigen, unmittelbaren gesundheitlichen Auswirkungen". Sie beruhten auf der thermischen Wirkung, also der Gefährdung durch eine Erhitzung des Körpers. Medizinische Effekte würden nicht berücksichtigt. "Die Mediziner wissen nicht, was die gepulste Strahlung anrichtet." Ohne den wissenschaftlichen Beweis werde der Gesetzgeber nichts unternehmen. "Wenn Wasser durch diese Wand brechen würde, wäre für die Strahlenschutzkommission die Wand solange trocken, bis sie erklären könnte, woher das Wasser kommt", so der Umweltanalytiker.

    Auffällige Häufung

    Einer Klage räumt er keine Chancen ein. Durch ein Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofes werde jeder Versuch abgeschmettert. "Solange es keinen medizinischen Beweis gibt, kann kein Richter einem Mobilfunkmast den Saft abdrehen."

    Schmelzer will trotzdem weiterkämpfen, sich an die Öffentlichkeit wenden und notfalls vor Gericht ziehen. Sein Ziel: Entweder reduzieren die Betreiber die Strahlung oder bezahlen den Anwohnern Maßnahmen zum Strahlenschutz. "Das Grundgesetz garantiert das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit." Am Oberholz sei dies nicht mehr gewährleistet.

    Auch der ehemalige Landtagsabgeordnete und Mobil-funkexperte Volker Hartenstein aus Ochsenfurt plädiert für eine Erforschung der Krebsfälle: "Aus meiner Sicht ist die Häufung so auffällig, dass eine unabhängige Untersuchung eingeleitet werden sollte." Der Fachmann verweist zudem auf eine Studie, nach der Ärzte im oberfränkischen Naila ein dreimal höheres Krebsrisiko in einer Entfernung bis zu 400 Metern um einen Mobilfunkmasten festgestellt hatten.

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    Laut Hartenstein müsste auch das bayerische Gesundheitsministerium informiert werden. "Die unteren Behördeebenen ziehen sich wie die Gerichte stets auf die Position zurück: Solange die Grenzwerte eingehalten werden, ist eine Gefährdung ausgeschlossen." Man verschließe aus wirtschaftlichen und arbeitspolitischen Gründen die Augen. "Wahrscheinlich wird es irgendwann ein böses Erwachen geben."

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