Patsch. Zu ist die Tür. Ausgesperrt! Wer hat ihn noch nicht erlebt, diesen unangenehmen Moment, in dem man ohne Schlüssel vor der eigenen Haustüre steht? Die Sache ist nicht nur ärgerlich, sie kann auch schnell teuer werden. Dann nämlich, wenn der bestellte Schlüsseldienst eine saftige Rechnung serviert.
Diese Erfahrung hat Daniela Juch aus Wombach gemacht. Sie musste für eine nur wenige Sekunden dauernde Türöffnung 373 Euro berappen. Im ersten Moment der Konsternierung hat die 37-Jährige, die die offene Ganztagsschule in Marktheidenfeld leitet, den Betrag bar bezahlt. Danach jedoch erstattete sie Anzeige wegen Wucher. Der Türfall ist jetzt ein Fall für die Juristen.
Das kostspielige Missgeschick passierte Juch bereits am 30. Januar. An jenem Freitagabend gegen 17 Uhr hatte ihr kleiner Sohn die Haustüre zugezogen, beide waren plötzlich ausgesperrt, der Schlüssel steckte von innen, das Handy lag ebenfalls in der Wohnung.
Da auch das Handy in der Wohnung lag, marschierte Juch in ihrer Not zu einem nahen Baumarkt. Ein Mitarbeiter suchte mit ihr im Internet nach einem Schlüsseldienst. Man fand eine Internetadresse, die für Marktheidenfeld einen Schlüsseldienst „ab 15 Euro“ offerierte.
Regensburg statt Marktheidenfeld
Ein Anruf bei der angegebenen 0800er-Nummer führte jedoch nicht nach Marktheidenfeld, sondern zum in Regensburg sitzenden Callcenter des wiederum in Berlin angesiedelten „Freundlichen Handwerkerservices“. Eine konkrete Aussage zu den Kosten einer Türöffnung habe sie dort auch auf Nachfrage nicht erhalten, erinnert sich Juch, wohl aber die Aussage, dass so kostengünstig wie möglich gearbeitet werde.
Gegen 19.20 Uhr sei dann ein Handwerker an der Wohnung eingetroffen. Innerhalb von „zwei Sekunden“ habe er die Türe mit einem Haken geöffnet. Der Preis dafür: 373 Euro, sofort zu zahlen mittels EC-Karte. Angesichts des Betrags habe sie zunächst protestiert, nach einigem Hin und Her aber doch bezahlt, sagt Daniela Juch. „Das war ein Fehler, ich hätte gleich die Polizei rufen sollen.“
Einige Tage später schaltete Juch einen Anwalt ein und erstattete Anzeige bei der Polizei wegen Wucher. Wie es mit der Anzeige weitergeht, muss die Staatsanwaltschaft entscheiden. Wohl auch abhängig von dieser Entscheidung müsste Juch danach auf dem privatrechtlichen Weg versuchen, zumindest einen Teil ihres Geldes zurückzuverlangen. Juch rechnet damit, dass sie dafür vor Gericht ziehen muss.
Der Monteur, der in Wombach Daniela Juchs Haustüre öffnete, war vom „Freundlichen Handwerkerservice“ mit dem Auftrag versorgt worden.
80 Kilometer Anfahrt
Wie DFH-Geschäftsführer Thomas Mannstaedt gegenüber der Main-Post erklärte, arbeitet DFH bundesweit mit rund 400 Handwerksfirmen zusammen. Im Fall von Juch sei der nächste für DFH erreichbare Partner ein Schlüsseldienst im von Lohr knapp 80 Kilometer entfernten Dieburg bei Darmstadt gewesen. Dieser habe wahrscheinlich sein „eigenes Preissystem“ angewandt, vermutet Mannstaedt mit Blick auf die von dem von DFH beauftragten Handwerker verlangten 373 Euro.
Mesut Agdag, der Inhaber des Dieburger Schlüsseldienstes, schildert den Fall anders. Den Handwerkern, die mit DFH zusammenarbeiteten, sei von dem Berliner Unternehmen eine Preisliste vorgegeben. Rund die Hälfte der von den Kunden zu verlangenden Preise müsste der jeweilige Handwerker als Vermittlungsgebühr an DFH abführen.
„Teuer ist relativ“
Wenn er direkt von einem Kunden einen Auftrag erhalte, verlange er 79 Euro zuzüglich einer Fahrtkostenpauschale, was am Ende zu einem Betrag von 120 bis 130 Euro führe, so Agdag. Auch er hat den aus der Wombacher Türöffnung entstandenen Rechtsstreit seinem Anwalt übergeben. Wie Agdag wartet nun auch Juch darauf, dass die Frage, welcher Betrag realistisch für eine Türöffnung ist, von Juristen beantwortet wird.
Die Wombacherin schüttelt noch immer den Kopf über die Summe, die sie gezahlt hat: „Mir ist das zuvor noch nie passiert. Ich habe nur von Erzählungen gewusst, dass es teuer ist. Aber teuer ist relativ.“
Das rät der Verbraucherschutz
Horrende Kosten für eine Türöffnung sorgen immer wieder für Rechtsstreitigkeiten. Die Frage, was ein angemessener Preis für die oft nur wenige Sekunden dauernden Einsätze ist, könne man pauschal nicht beantworten, sagt Juliane von Behren von der Verbraucherzentrale Bayern. Es gebe grundsätzlich eine sehr große Preisspanne. Als Orientierungswert nennt die Verbraucherzentrale die unverbindliche Preisübersicht des Bundesverbandes Metall. Dieser empfiehlt für einfache Türöffnungen im ländlichen Raum während der normalen Geschäftszeiten an einem Werktag eine Pauschale von 75,60 Euro. Die in Marktheidenfeld ansässige Firma Hausner Sicherheitstechnik verlangt nach Aussage der Geschäftsführerin Petra Hausner für eine Türöffnung in der näheren Umgebung eine Pauschale von 68,50 Euro. Bei weiteren Anfahrten berechne man pro Kilometer 80 Cent. Nach 20 Uhr liege die Pauschale bei 98,50 Euro. Die Kosten nenne man den Kunden stets vor Auftragserteilung.
Der Wucher beginnt laut Verbraucherzentrale dort, wo der verlangte Betrag um 100 oder mehr Prozent über dem Marktpreis liegt.
Um Ärger mit Schlüsseldiensten zu vermeiden, rät die Verbraucherzentrale, sich an ortsansässige Unternehmen zu wenden. Nach Möglichkeit sollte unter Zeugen eine Festpreis vereinbart werden. Firmen, die keine Preise nennen wollten, seien oft unseriös. Diese Firmen stünden in Branchenbüchern durch geschickte Buchstabenkombinationen oft an vorderster Stelle, so die Verbraucherzentrale.
Die kostengünstigste Vorbeugung ist freilich noch immer, einen Schlüssel bei einem Bekannten oder an einem sicheren Versteck zu hinterlegen. Falls doch ein Schlüsseldienst nötig wird, tragen manche Hausratversicherungen die Kosten.