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9000 Kilometer von daheim: Arbeitsplatz Hollywood

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9000 Kilometer von daheim: Arbeitsplatz Hollywood

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    Neue Heimat Hollywood: Seit 2007 wohnt und arbeitet Carsten Kurpanek in Los Angeles.
    Neue Heimat Hollywood: Seit 2007 wohnt und arbeitet Carsten Kurpanek in Los Angeles. Foto: Foto: Courtney Hawkins

    Retzbach/Los Angeles Irgendetwas mit Medien lautete der Berufswunsch von Carsten Kurpanek im Jahr 2002. Zehn Jahre später wohnt der ehemalige Retzbacher in Los Angeles und arbeitet als Cutter bei Hollywood-Filmproduktionen mit. Aktuell assistierte er den berühmten Cuttern Kirk Baxter und Angus Wall bei der Stieg-Larsson-Verfilmung „Verblendung“. Rund 9000 Kilometer weit weg, aber dennoch dank Computer und Telefon erreichbar, erzählt Carsten Kurpanek im Interview, wie er nach Hollywood kam und wer dafür maßgeblich mitverantwortlich war.

    Frage: Retzbach, Mainz, Hollywood – war die Karriere so geplant?

    Carsten Kurpanek: Als ich 2002 nach Mainz ging, um Filmwissenschaft zu studieren, war Hollywood nicht geplant. Nach Amerika ging es erst 2005. In dem Jahr habe ich ein Auslandsstudium im Bereich Telecommunication an der Ball State University in Muncie, Indiana, begonnen. Dort machte ich dann auch meine ersten Erfahrungen in der Filmpraxis mit Kurzfilmen. Bei den Dreharbeiten habe ich meine heutige Frau Courtney Hawkins kennengelernt, die an der Ball State University Schauspiel studierte. Courtney und ich hatten die Idee, nach Los Angeles zu ziehen, um in Hollywood unser Glück zu versuchen. Ohne Courtney wäre es mir aber gar nicht in den Sinn gekommen. Und ohne sie wäre es auch nie möglich gewesen, ein Visum zu bekommen.

    Wie lief es dann für Sie, einmal in Hollywood angekommen?

    Kurpanek: In Hollywood beruflich Fuß zu fassen, hat mit harter Arbeit zu tun. Glück alleine reicht da nicht. Doug Ibold, er war unter anderem Cutter für „Miami Vice“ und ist Lehrer für Schnitt an der Universität von Kalifornien in Los Angeles, sagt, als Cutter benötigt man die drei „P“, um es in Hollywood zu schaffen: preparation, patience und persistence (Vorbereitung, Geduld, und Ausdauer). Ich würde aber noch ein viertes „P“ dazu nehmen: personality. Jobs in Hollywood sind nicht ausgeschrieben. Man bekommt sie nur, wenn man empfohlen wird. Es geht nichts ohne Beziehungspflege.

    Sind Sie auch so an an die Jobs bei den Filmen „Burlesque“, „Die Verblendung“ oder „World War Z“ gekommen?

    Kurpanek: Freundschaften sind das A und O, um in Hollywood langfristig erfolgreich zu sein. Denn Networking ist wichtig und Jobs bekommt man wie gesagt durch Empfehlungen von Freunden oder ehemaligen Arbeitskollegen, die wieder mit einem am neuen Projekt arbeiten möchten. Mit dem Team von „World War Z“ habe ich zum Beispiel schon vorher an dem Film „Machine Gun Preacher“ gearbeitet, der 2012 hoffentlich auch endlich in Deutschland in die Kinos kommt.

    Sind Sie eigentlich schon immer Filmfan gewesen?

    Kurpanek: Bereits in meiner Kindheit habe ich gerne mit meinem Vater Western, zum Beispiel „High Noon“ oder „Die Glorreichen Sieben“ und alle Sean-Connery-James-Bond-Filme geschaut. Süchtig nach Filmen wurde ich im Alter von zwölf Jahren. Schuld ist Steven Spielberg vor allem mit seiner Regiearbeit in „Indiana Jones“, „Der letzte Kreuzzug“ und „Back to the Future II“.

    Letztes Jahr war Spielberg dann bei der Verleihung der Eddie Awards der American Cinema Editors, (Zusammenschluss von Film-Editoren, die sich die Aus- und Weiterbildung von Cuttern sowie die Erhaltung von Qualitätsstandards beim Schnitt zur Aufgabe gemacht haben/Anm. d. Red.) um seinem langjährigen Cutter Michael Kahn einen Preis für sein Lebenswerk zu verleihen.

    Ich hatte die Ehre, für Kahn ein Video aus den besten Filmszenen seiner Karriere zu schneiden, dass vor der Auszeichnung gezeigt wurde. Es war definitiv ein Kindheitstraum, der an dem Abend in Erfüllung ging, als ich Spielberg dort „in echt“ sah.

    Wie sieht ihr Arbeitsalltag aus? Was macht ein Cutter konkret?

    Kurpanek: Der Cutter muss das gedrehte Filmmaterial sichten, bestimmte Momente selektieren und so zusammensetzen, dass für den Zuschauer später die Illusion einer geografischen, zeitlichen und dramaturgischen Einheit entsteht. Im besten Fall bewirkt er damit eine emotionale Reaktion, also wie Lachen, Weinen oder gebannte Anspannung.

    Wie viel Material bekommen Sie konkret für einen Film zu sehen?

    Für den Film „Verblendung“ wurden zum Beispiel 483 Stunden Filmmaterial gedreht. Im Schnitt wurde aus denen ein 162 Minuten langer Film. Das heißt, mehr als 480 Stunden Film wurde nicht für den Film verwendet. Um bei so viel Filmmaterial nicht die Übersicht zu verlieren, verwenden wir Software, zum Beispiel Avid oder Final Cut, die uns beim Schneideprozess hilft.

    Sehen Sie als Cutter Filme mit anderen Augen an?

    Kurpanek: Definitiv. Der Filmschnitt ist mir während des Schauens fast immer bewusst. Um so sehr freue ich mich, wenn mich ein Film so fesselt, dass ich voll und ganz in die Geschichte hineingezogen werde und somit vergesse, über die technischen Aspekte nachzudenken.

    Treffen Sie Schauspieler, deren Szenen Sie schneiden, auch in echt?

    Kurpanek: Es kommt schon mal vor, dass man die Schauspieler trifft, insbesondere, wenn sie, wie Brad Pitt bei „World War Z“, auch als Produzenten fungieren. Allerdings muss man sich das sehr nüchtern vorstellen. Ich würde nie versuchen, während der Arbeit mit einem Schauspieler eine private Unterhaltung zu beginnen. Der Arbeitsalltag in Hollywood hat nichts mit Glamour und roten Teppichen zu tun.

    Wie sieht ihr Leben außerhalb der Arbeit aus?

    Kurpanek: Das unterscheidet sich nicht wirklich von anderen Städten: Man geht ins Kino, auf Konzerte, mit Freunden in Bars oder auf private Feiern. Die Auswahl an Kinos und Konzerten ist natürlich groß. Aber dank der harten Arbeitszeiten (50plus Stunden die Woche) freue ich mich auch, wenn ich einen Abend auf der Couch verbringen kann. Courtney und ich haben zudem drei Haustiere, die uns auf Trab halten: zwei Hunde und eine Katze.

    Besteht noch Kontakt in die Heimat?

    Kurpanek: Wir versuchen, zumindest einmal pro Jahr nach Deutschland zu kommen. Mit meinen Eltern telefoniere ich jede Woche. Und natürlich vermisst man seine Familie und Freunde aus der alten Heimat – vor allem meinen besten Freund Andreas Störlein. Aber zum Glück gibt es das Internet mit E-Mail, Skype und Facebook.

    Vermissen Sie etwas aus Deutschland? Der Region? Bekommen Sie oft Besuch?

    Kurpanek: Neben Freunden und Verwandten vermisse ich vor allem Fußgängerzonen, Eiskaffees, frisches Schwarzbrot, das öffentliche Verkehrssystem und die Kochkünste meiner Mutter. In Sachen deutsches Essen gibt es hier zum Glück ein deutsches Restaurant, in dem ich meinen Hunger auf Schweinebraten und Leberkäs ab und an stillen kann.

    Zur Person

    1976 in Würzburg geboren und in Retzbach aufgewachsen, arbeitete Carsten Kurpanek nach der Mittleren Reife sechs Jahre als Finanzbeamter in Würzburg, Aschaffenburg und Marktheidenfeld. Dann holte er am Bayernkolleg in Schweinfurt sein Abitur nach und begann im Jahr 2002 in Mainz ein Studium der Filmwissenschaft an der Johannes-Gutenberg-Universität. 2005 ging es für ein Auslandssemester nach Muncie in Indiana. Dort lernte er seine heutige Frau Courtney kennen, die als Schauspielerin arbeitet. 2007 zogen sie gemeinsam nach Los Angeles. Bei der Verfilmung von „Verblendung“ hat Carsten Kurpanek den beiden Cuttern Kirk Baxter und Angus Wall assistiert. Der Film ist für einen Oscar in der Kategorie „Bester Schnitt“ nominiert.

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