Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Main-Spessart
Icon Pfeil nach unten
Karlstadt
Icon Pfeil nach unten

Abwassergebühren sind nicht mehr haltbar

Karlstadt

Abwassergebühren sind nicht mehr haltbar

    • |
    • |
    Abwassergebühren sind nicht mehr haltbar
    Abwassergebühren sind nicht mehr haltbar Foto: FOTO JÜRGEN KAMM

    Wie Heinrich Röder, Geschäftsführer der Röder Kommunalberatung GmbH aus Würzburg, den Gemeinderäten erläuterte, führe auf Grund von Urteilen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (zuletzt am 30. März 2003) kein Weg an der getrennten Berechnung vorbei. Für die VG Zellingen bedeutet dies, eine zusätzliche Vollzeit-Verwaltungskraft einstellen zu müssen.

    Die Kosten tragen über die Regenwassergebühr letztlich die Bürger. Da die Gebühren kostendeckend sein müssen, kann und darf die Gemeinde keinen Gewinn und keinen Verlust erwirtschaften.

    Die Zellinger Räte wussten, was sie erwartete. Sie hatten vorab eine Erörterung der Kommunalberatung erhalten. Heinrich Röder brachte einen Supermarkt und ein Mehrfamilienhaus als Beispiel dafür, dass die verbrauchte Frischwassermenge (der bisherige Gebührenmaßstab) oft nichts mit der Gesamtabwassermenge zu tun hat:

    Der Supermarkt leitet von seinem großen Dach und dem riesigen Parkplatz Regenwasser von beispielsweise 30 000 Quadratmetern in den Kanal. An Frisch-/Schmutzwasser dagegen vielleicht nur 100 Kubikmeter im Jahr aus den Toiletten. Demgegenüber fließt vom Mehrfamilienhaus zwar viel mehr Schmutzwasser in den Kanal, wegen der wesentlich kleineren Dach- und Parkplatzflächen aber nur relativ wenig Regenwasser.

    Der Weg zur getrennten Abrechnung ist dreigeteilt: Zuerst müssen die Benutzungsgebühren gesplittet werden. Das ist kompliziert. Die Kosten der Kläranlage entstehen vor allem durch die Schmutzwasserbehandlung. Zu veranschlagen sind 90 Prozent. Beim Kanalnetz muss nach Meinung von Juristen mit einem fiktiven Trennsystem (52 Prozent Schmutzwasseranteil) gerechnet werden. Bauwerke wie Regenüberlaufbecken sind dagegen fast nur für das Niederschlagswasser nötig. Weiterhin aufzuteilen sind die Verwaltungs- und übrigen Kosten.

    Zudem muss das von öffentlichen Straßen stammende Regenwasser aus den Gebühren herausgerechnet werden. Dessen Behandlung muss die Gemeinde aus ihrem Haushalt bezahlen.

    Am Ende wird eine Gebühr für Schmutzwasser (je Kubikmeter Frischwasser) und eine für Niederschlagswasser (je Quadratmeter versiegelter Fläche) errechnet. Viel Rechnerei, selbst für abgebrühte Verwaltungsmitarbeiter. "Röder, springst du aus dem Fenster oder darf ich?" zitierte der Fachmann den Entsetzensruf eines gestandenen Kämmerers.

    Einfach, aber aufwändig ist die Ermittlung der bebauten und befestigten Flächen, die an die Kanalisation angeschlossen sind. Denkbar sind dazu die Vermessung jedes Grundstücks (örtliches Aufmass), ein Umfrageverfahren (Selbsterklärung der Grundstückseigentümer), ein Pauschalverfahren ("Im Altort sind 80 Prozent jedes Grundstücks versiegelt") oder die Vermessung anhand von Luftbildern.

    Ratsmitglied Erwin Heßdörfer und Bürgermeister Karl Mühlbauer erinnerten daran, dass die Grundstücke im Markt Zellingen vor sechs Jahren für die Ergänzungsbeiträge zur Kläranlagenerweiterung recht genau vermessen worden sind.

    Wie die Nachfrage von Gemeinderat Dieter Reuchlein ergab, gelte nicht jede befestigte Fläche als versiegelt - ein weiterer Rechenfaktor: Während durch Asphalt kaum Wasser dringt, sind Pflasterbeläge mit Versickerungsfugen, aus porösem Material oder auch Schotterrasen teilweise durchlässig.

    Schließlich ist für den Erlass von Gebührenbescheiden noch eine Satzung nötig. Pikanterweise gibt es aber keine Mustersatzung mit gesplitteten Abwassergebühren. Heinrich Röder kennt unter seinen 150 Kunden nur drei Städte und Gemeinden mit einer angepassten Satzung. Daher stünden alle rechtlich auf wackeligen Beinen, deutete er an.

    Aber auch nach Erlass einer "gerichtsfesten" Satzung und der ersten Bescheide bleibe die Sache aufwändig: Um Geld zu sparen, werden viele Grundstückseigentümer Flächen entsiegeln, prophezeite Heinrich Röder. Im zweiten Jahr sind dann statt 500 000 vielleicht nur noch 300 000 Quadratmeter beitragspflichtig. Also müsste dann die Niederschlagswassergebühr erneut berechnet werden, und dem müssten neue Bescheide folgen.

    "Schweben Verwaltungsjuristen in einer anderen Welt", fragte Gemeinderat Wolfgang Eichfelder, dem das alles "typisch deutsch" vorkam. Heinrich Röder gab zu bedenken, dass mehr Gebührengerechtigkeit auch einfacher, etwa durch Vorschreiben von Regenwasserversickerung in Neubaugebieten und Pauschalen für gewerbliche Einleiter erreicht werden könnte. So aber könnten beispielsweise Besitzern von Einfamilienhäusern mit enormem Aufwand vielleicht 50 Euro Abwassergebühren im Jahr sparen.

    Eine Entscheidung über einer Niederschlagswassergebühr traf der Zellinger Gemeinderat noch nicht. Die Zeit dafür drängt aber: "Gestern", antwortete Heinrich Röder auf die Frage nach der Zeitvorgabe. Für realistisch hält er einen Vorlauf von einem Jahr.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden