Spannend ist es im Dachstuhl der Kirche St. Andreas in Karlstadt. Bei näherem Hinsehen ist zu erkennen, dass die Deckenbalken rechts und links über die Mauern auskragen. Das und noch viel mehr bestaunten die Teilnehmer einer Fachtagung für Haus- und Bauforscher. Zwei Tage lang waren rund 70 Teilnehmer aus ganz Bayern hier zu Gast. Die historischen Bauwerke von Karlstadt bildeten einen Schwerpunkt dieser Jahrestagung des Arbeitskreises für Hausforschung.
Als kleines Dankeschön an die Stadt und die Pfarrei nahmen sich die Hausforscher St. Andreas vor, um Näheres zur Baugeschichte dieser Kirche zu ermitteln. Diese liegt bisher noch weitgehend im Dunkeln. Solche Untersuchungen werden sonst üblicherweise nur im Zusammenhang mit Sanierungen vorgenommen.
Doch vor einiger Zeit schon hatte Georg Brütting, der neben seiner Freiberuflichkeit einen Lehrauftrag an der Uni in Bamberg ausübt, dendrochronologische Proben entnommen. Mit einem Schneidbohrer hat er nur acht Millimeter starke Bohrkerne aus dem Holz gezogen. Anhand der Jahresringe des Holzes lässt sich bestimmen, wann der Baum geschlagen wurde. Von den drei Proben aus dem Langhaus stammen zwei aus dem Winter 1481 und eine von 1479/80.
Chorraum von 1360
Der älteste Teil der Kirche ist der Chorraum. Er wurde um 1360 herum errichtet. Die Stämme für das Dachwerk wurden im Winter 1362/63 geschlagen, wie Brütting anhand zweier Bohrkerne herausfand. Das Langhaus wurde um 1480 komplett erneuert und dabei breiter und höher. Auch hier ist das Dachtragwerk noch aus der Bauzeit vorhanden. Die drei Proben ergaben, dass die Bäume in der Zeit von 1479 bis 1481 gefällt wurden.
Prinzipiell folgten beim Kirchenbau auf die Mauern der Dachstuhl und das Dach. Erst dann wurde unter dem Schutz dieses Dachs das Gewölbe gemauert. "Andernfalls hätte es an den Rändern des Gewölbes bei Regen einen Swimmingpool gegeben", erklärt Dr. Thomas Aumüller vom Landesamt für Denkmalpflege in München. Passend dazu: An einer Säule gibt es eine Datierung 1481 und am Gewölbe von 1513.
Geflößtes Bauholz
Indem die Deckenbalken rechts und links etwas überstehen, tragen sie außen die Last der Dachsparren. Das entlastet die Balkenmitte. Das Bauholz wurde auf dem Main geflößt, das beweisen die für die Konstruktion sinnlosen Holznägel an vielen Dachbalken. Im Dachstuhl wurde bei der Exkursion auch hitzig diskutiert, welche Vorteile Floßholz aus dem Gebirge gegenüber Stämmen aus der Umgebung hat. Der Karlstadter Architekt Alfred Wiener sagte: "Geflößtes Holz ist wesentlich schädlingsunanfälliger als nicht geflößtes."
In Karlstadt hofft man, dass dieses Engagement noch weitergeführt wird, indem eventuell an der Technischen Hochschule Bamberg eine Masterarbeit über die Kirche geschrieben wird. Bei der Besichtigung machten sich im hinteren Teil auch ein paar Turmfalken bemerkbar, die sich schon länger in der St.-Andreas-Kirche eingenistet haben. Nachdem die Teilnehmer den Ausblick über Karlstadt vom Glockenturm aus genossen hatten, inspizierten sie die gigantische Orgel und die Empore.