Wie Alkohol Leben zerstören kann, war drastisch in einer Verhandlung vor dem Schöffengericht Gemünden zu erfahren. Ein 25-Jähriger und seine 30-jährige Freundin – beide Alkoholiker – mussten sich nicht zum ersten Mal wegen Beleidigung, Hausfriedensbruch, Bedrohung, Diebstahl und Körperverletzung verantworten. Als „typische Rausch-Delikte“ wertete der psychiatrische Gutachter die Taten.
In Handschellen bringen zwei Polizeibeamte den Angeklagten in den Sitzungssaal. Er hat zurzeit noch bis zum 21. Oktober eine Haftstrafe abzusitzen. Der Gutachter kennt ihn bereits von einer früheren Gerichtsverhandlung her. Schon damals habe er gewarnt: „Es sind erneut Straftaten zu erwarten.“ Daran hält der Gutachter auch jetzt fest und wünscht, dass das Gericht eine Zwangstherapie anordnen möge, da der junge Mann freiwillig keine Rettung vor der Sucht suchen werde. Im Gegenteil: Der trinke nicht mehr nur Wein und Bier in Mengen, sondern mittlerweile auch Schnaps. „Er ist nicht therapiefähig“, sagt seine Betreuerin.
Alkohol kostet Intelligenz
Der 25-Jährige absolvierte die Sonderschule ohne Abschluss, blieb ohne Berufsausbildung und wurde mit 15 Jahren zum ersten Mal straffällig. Der Gutachter attestiert dem jungen Mann eine alkoholbedingte „leichtgradige Intelligenzminderung“, der Intelligenzquotient liege bei 60. Fünf Vorstrafen hat er, zumeist Diebstähle, aber auch Körperverletzung, Fahren ohne Fahrerlaubnis und Einbruch – stets unter Alkoholeinfluss.
Auch bei den jüngsten Taten war er betrunken – auf 2,3 Promille schätzt der Gutachter den Alkoholpegel des 25-Jährigen. Etwas mehr sogar noch dürfte seine 30-jährige Freundin intus gehabt haben. Sie hat einen ähnlichen Lebenslauf und bringt es auf zehn Vorstrafen: Sachbeschädigungen, Fahren ohne Fahrerlaubnis, Unfallflucht, Betrug, Diebstähle. Auch sie steht unter Betreuung, ihre drei Kinder sind in Pflegefamilien untergebracht.
Im Suff gestritten
In einer Gemeinschaftsunterkunft in Sachsenheim freundeten sich die Frau und der Mann an – zum Leidwesen der übrigen Mitbewohner. Die beiden betranken sich regelmäßig gemeinsam, gerieten dann in Streit und richteten ihre Aggressionen gegen andere. So auch im jetzt angeklagten Fall.
Die Frau zerstach die Reifen des Motorrads eines Mitbewohners, der daraufhin das Pärchen anzeigte. Das war am Abend des 27. November vergangenen Jahres Grund genug für die Frau, dem Anzeigeerstatter die Tür seines Zimmers einzutreten und ihn mit Kraftausdrücken zu belegen. Der 25-Jährige folgte ihr und bedrohte den Bewohner, der im Bett lag. Er hielt ihm ein Taschenmesser entgegen: „Ich stech' Dich ab!“ So weit kam es glücklicherweise nicht, dafür versetzte der 25-Jährige dem anderen einen harten Tritt gegen das Bein. Beim Verlassen des Zimmers ließ das Pärchen ein paar Kleinigkeiten mitgehen. Die Polizei, die der Geschädigte gerufen hatte, fand die Sachen kurz darauf im Zimmer des 25-Jährigen.
Die Angeklagten gestehen die Vorwürfe nahezu vollständig ein, von Unrechtsbewusstsein jedoch keine Spur. Beim Grad ihrer Alkoholisierung zur Tatzeit waren beide vermindert schuldfähig. Seit sie nicht mehr in der Gemeinschaftsunterkunft wohnen, gebe es dort keinen Ärger mehr, berichtet ein Gemündener Polizist als Zeuge.
Wie es um die Alkoholsucht steht, will der Vorsitzende Richter Gunter Valentin wissen. „Ich hab's schon vor, eigentlich“, sagt der 25-Jährige zur Frage, ob er eine Therapie anstrebe. „Das würde mich weiterbringen.“ Sie trinke „schon regelmäßig“, gibt die kleine, rundliche Frau Auskunft – „drei Bier am Tag“. „Ich bin abhängig, aber ich habe mich unter Kontrolle. Ich könnte sofort aufhören, hab' aber sehr viel Probleme.“ Eine erfolglose Therapie hat die 30-Jährige hinter sich.
Unterbringung angeordnet
Das Schöffengericht verfügt gegen ihn die Unterbringung in der geschlossenen Abteilung einer Suchtklinik. Sollte die Therapie erfolglos sein, muss der Mann eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten absitzen. Das Urteil gegen die Frau wegen Beleidigung und Hausfriedensbruch lautet auf 90 Tagessätze zehn Euro. Sie lebt zurzeit bei ihren Eltern von Hartz IV.