Als die Pläne für die Sanierung des ehemaligen Mälzereigeländes feststanden, war klar, dass kein Stein auf dem anderen bleiben würde: Rathaus – weg, Neukauf – weg, Freppon-Haus – weg. Nur um die Fassade der Mitteltorstraße 11 machten die Abrissbagger einen Bogen.
Der Giebel aus der Zeit um 1890, so erläutert es der Marktheidenfelder Architekt Johannes Hettiger, ist „in hohem Maß stadtbildprägend“. Der Stil entstammt dem Historismus, als man verschiedene Elemente aus Klassik, Gotik oder Romanik wiederverwendete. Für die Mitteltorstraße bildet der Giebel einen markanten Punkt und für die ganze Altstadt gilt er als erhaltenswert. Darin waren sich der städtische Sanierungsbeauftragte Wolfgang Schönegge, der hessische Investor Werner Schreiber und der Architekt schnell mit der Regierung von Unterfranken einig. Die Regierung stellte daher Zuschüsse aus dem Städtebauförderungsprogramm für die Rettung der Fassade bereit.
Zusammen mit dem Generalunternehmer, Firma Riepl (Estenfeld), suchte man nach einem Weg, die Fassade vor Schäden durch den Abriss und den Neubau des dahinter liegenden Gebäudes zu schützen, erklärt Projektleiter Christian Fischer.
Zuerst dachten die Fachleute daran, den Giebel durch ein weit in die Mitteltorstraße ausgreifendes Raumgerüst zu stützen und dann das Gebäude dahinter abzureißen. Doch der Plan erwies sich angesichts der belebten Zufahrt in die Altstadt als zu gefährlich. Außerdem hätte das Gerüst den Verkehr stark behindert; der Stadtbus wäre gar nicht mehr durchgekommen.
Die Alternative war zeitraubend: Die Verantwortlichen entschlossen sich, die Fassade Stein für Stein zu nummerieren, in Fotos und Zeichnungen festzuhalten, abzubauen, zwischenzulagern und wieder aufzubauen.
Die Fallstricke steckten im Detail. So mussten die Arbeiter Löcher in den Mörtel schlagen und Stahlseile hindurchführen, damit ein Kran die einzelnen Steine aus der Fassade ziehen konnte. Dabei kamen schnell Gewichte von über einer halben Tonne zusammen. Große Stücke, wie den Abschlussgiebel, musste man in manövrierbare Teile zersägen.
Danach nahm sich der Wernfelder Steinmetzbetrieb Kuhn der Steine an. Mitarbeiter überprüften ihren Zustand, besserten sie aus, passten sie der neuen Hausfront an oder ersetzten sie. Dann musste die Fassade mit einem speziellen Trasszement, der Ausblühungen verhindert, wieder aufgebaut werden. Während der Abbau in zwei Wochen vonstattenging, brauchten vier Arbeiter und zwei Maurer rund vier Wochen, bis die Fassade wieder stand. Zwischen Gebäude und Fassade platzierten sie entweder Ziegelmauerwerk oder Beton mit Kerndämmung, damit das neue Gebäude den aktuellen Wärmeschutzanforderungen entspricht.
Doch während ein klassischer Wärmeschutz rund 6000 Euro gekostet hätte, ist diese von der Optik geprägte Lösung um ein Vielfaches teurer. Wie viel, das sagen die Beteiligten nicht. Bei den Fassadenöffnungen ging man Kompromisse ein: Die Bogen im Erdgeschoss sind nicht deckungsgleich mit dem dahinter liegenden Arkadengang, sodass ihr oberer Teil verkleidet werden muss. Dafür bestimmt die Symmetrie darüber den Platz für die Fensteröffnungen des neues Hauses.
Ob die Verbindung von alt und neu gelungen ist, werden die Passanten spätestens erkennen, wenn die zurzeit verhängte Fassade enthüllt wird. Das Urteil von Architekt Hettiger und Projektleiter Fischer steht jetzt schon fest: „Auf jeden Fall!“