Sie ist eine geborene Schätzlein – und für ihre große Familie tatsächlich ein Schatz. Sie hat das fränkische Adelshaus derer von Wolffskeel von Reichenberg zusammengehalten, die Liegenschaften und Gebäude in Uettingen renovieren lassen und damit erhalten. Am Sonntag, 23. September, feiert Luise Gräfin Wolffskeel von Reichenberg einen runden Geburtstag – und wer mit ihr durch den Park schlendert und plaudert, dem kommt unweigerlich „90 Jahre jung“ in den Sinn.
Ihren Lebenslauf will sie nicht in allen Einzelheiten in der Zeitung ausgebreitet wissen, obgleich der wirklich ehrenhaft ist und von viel, viel Arbeit geprägt ist. Nicht „war“, denn heute noch legt sie ihre Hände nicht in den Schoß, sondern werkelt noch im Park, besonders in ihrem Kräuter- und Beerengarten. Und die Ernte verarbeitet sie ebenso leidenschaftlich schmackhaft für ihre Familie und Gäste.
Die gebürtige Uettingerin heiratete zunächst den Müller der Pfister-Mühle in Zellingen. Dort lebte das Paar auch mit seinen drei Kindern. Der Ehemann kehrte aus dem Zweiten Weltkrieg nicht zurück.
1954 heiratete sie Otto Graf Wolffskeel. Gemeinsam mit ihm hatte sie drei Kinder. Angelika Gräfin Wolffskeel ist Heilpraktikerin in Gerchsheim und betreibt eine Heilpraktikerschule in Reichenberg. Sohn Peter lebt nahe des Schlosses in Uettingen und betreibt ein forstwirtschaftliches Unternehmen. Und Sohn Luitpold, der im Schloss wohnt, beschäftigt sich mit forstlichen und gärtnerischen Pflegemaßnahmen. Seine Landwirtschaft hat er verpachtet.
Gräfin Luise holte sich mit ihrem Mann in den 50-er Jahren den verpachteten Gutshof zurück und brachte das abgewirtschaftete Anwesen in Uettingen wieder zur Blüte. Seit Dezember 2003 war sie dabei auf sich selbst gestellt. Damals starb ihr Mann im Alter von 78 Jahren. Luise konnte stets auf das zurückgreifen, was sie in ihrer Ausbildung zur Meisterin der ländlichen Hauswirtschaft gelernt hatte. Sie bildete Lehrlinge aus, die teilweise in der Großfamilie Familienanschluss fanden.
Die Jubilarin gehörte dem Prüfungsausschuss der Meisterschule an, war Beisitzerin in der Landwirtschafts-Krankenkasse, jahrelang ehrenamtliche Mitarbeiterin beim Roten Kreuz Würzburg sowie in der Säuglingsstation der Mönchberg-Klinik.
Über Jahrzehnte trug Gräfin Luise nicht nur die Verantwortung für den Gutshof. Sie fühlte sich auch den Menschen gegenüber verpflichtet, nicht nur denen, die bei der gräflichen Familie Arbeit und Brot fanden. Nach dem Zweiten Weltkrieg kochte die Gräfin in der gemeindlichen Schulküche für bedürftige Kinder, gab Flüchtlingsfamilien Arbeit und ein Auskommen auf dem Gut.
Nach dem Tod von Schwiegervater Luitpold ließ sie das Schloss in zweijähriger Bauzeit renovieren. Der Park wurde zurückverwandelt in einen Englischen Garten. Den dürfen heute noch Vereine nutzen, wenn ein Fest einen glanzvollen Rahmen verdient. Markant fällt einer der wenigen klassizistischen Schlossbauten in Franken durch seinen Anstrich in Habsburger Gelb ins Auge. Erwirtschaftet hat Gräfin Luise die erforderlichen Mittel durch Bewirtung von Gästen bei festlichen Anlässen und durch Vermietung von Gästezimmern. Einer ihrer Gäste war Prinz Louis Ferdinand, letzter Enkel von Kaiser Wilhelm II. und Großvater des heutigen Preußen-Chefs Prinz Georg Friedrich Ferdinand von Preußen, einem Nachfahren mütterlicherseits aus dem Hause Castell-Rüdenhausen.
Die evangelisch-lutherische Konfession haben die Wolffskeels nach Uettingen gebracht. Aber nicht nur deswegen fühlen sie sich ihrer Kirche verpflichtet. Zum Ausdruck kommt das zum Beispiel dadurch, dass Gräfin Luise den Kirchenboden hat renovieren lassen und sich finanziell an der Restauration von Kirchenfenstern beteiligt.
Wenn Bürgermeister Karl Meckelein am Sonntag zum Gratulieren kommt, wird er das Leben der Jubilarin würdigen. Was ihr gar nicht recht ist. „Jeder Mensch hat die Pflicht, da, wo er hingestellt wird, sein Bestes zu geben. Mehr habe ich nicht gemacht“, sagt sie im Gespräch mit der Main-Post. „Und ich habe alles mit frohem Herzen getan.“
Für die Zukunft wünscht sie sich, dass die Menschen mehr an den Herrgott glauben. „Dann können sie gar nicht böse sein.“
Gefeiert wird am Sonntag in der „Krone“ in Helmstadt. Zu 13 Enkeln und zwölf Urenkeln gesellen sich auch viele gute Freunde und Freundinnen.
Die Wolffskeels und das zweite „f“
Das Geschlecht kann urkundlich bis ins 13. Jahrhundert zurückverfolgt werden, wo es in der Person des Otto von Wolfskeel als bischöflicher Ministeriale in Würzburg in Erscheinung tritt. Die Stammlinie der Familie reicht sogar bis ins Jahr 810 zurück. 1376 kam Ritter Eberhard von Wolfskeel in den Besitz von Schloss Reichenberg.
War die Familie Wolfskeel lange eng mit dem Bistum Würzburg verbunden, fand im 16. Jahrhundert eine Wende statt und die Wolfskeel banden sich fester an die fränkische Reichsritterschaft. Dieser Prozess wurde noch beschleunigt, als das Geschlecht Mitte des 16. Jahrhunderts die evangelisch-lutherische Konfession annahm. Im Mainfeldzug des Deutschen Krieges im Jahr 1866, als in Uettingen die letzte Entscheidung zu Gunsten Preußens geschlagen wurde, wurden der Gutshof und das Schloss zerstört.
1901 wurde Freiherr Karl Wolfskeel von Reichenberg zu Uettingen in den erblichen Grafenstand erhoben. Der erhöhte Rang wurde nun durch ein zweites „f“ im Namen angedeutet, also „Wolffskeel“ statt „Wolfskeel“. Zum „Wolffskeelschen Ländle" gehörten Reichenberg, Albertshausen, Uengershausen, Lindflur, Rottenbauer, Fuchsstadt, Geroldshausen und Uettingen.
Die Grafen Wolffskeel leben heute auf Schloss Uettingen, von Seydlitz-Wolffskeel auf Schloss Reichenberg.