Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Main-Spessart
Icon Pfeil nach unten

Marktheidenfeld: Als in Marktheidenfeld und Lengfurt der Weinhandel blühte

Marktheidenfeld

Als in Marktheidenfeld und Lengfurt der Weinhandel blühte

    • |
    • |
    Ein Beispiel für einen prächtigen Weinkeller bietet in heutiger Zeit in Marktheidenfeld noch das Weinhaus Anker. Die Besitzerfamilie Deppisch kann im Jahr 2022 ihr 150. Jubiläum feiern - 1872 wurde das Weinhaus samt Weingarten (am heutigen Kreuzberg) erworben. Das Weinhaus Anker selbst ist ein etwa 350 bis 400 Jahre altes Gasthaus, der Fasskeller auf dem Foto ist mit rund 450 Jahren sogar noch älter.
    Ein Beispiel für einen prächtigen Weinkeller bietet in heutiger Zeit in Marktheidenfeld noch das Weinhaus Anker. Die Besitzerfamilie Deppisch kann im Jahr 2022 ihr 150. Jubiläum feiern - 1872 wurde das Weinhaus samt Weingarten (am heutigen Kreuzberg) erworben. Das Weinhaus Anker selbst ist ein etwa 350 bis 400 Jahre altes Gasthaus, der Fasskeller auf dem Foto ist mit rund 450 Jahren sogar noch älter. Foto: Familie Deppisch

    In seinem zwischen 1799 und 1804 erschienenen, sechsbändigen topographischen Lexikon von Franken stellt Johann Kaspar Bundschuh (1753–1814) die Verhältnisse in Franken an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert dar. Er vermerkt zu Marktheidenfeld: „Der Ort hat viel Weinwachs und reiche Einwohner, welche ungemein vielen Weinhandel nach Frankfurt treiben.“

    Ähnlich heißt es bei Lengfurt, auch wenn hier das Ziel nicht genannt wird: „Dieses Dorf ist seines guten Weins wegen allenthalben berühmt; von dem starken Weinhandel ernähren sich hier viele Büttner (Küfer) und Schiffleute.“ Die Lage der beiden Orte am Main, die dort heimischen Schiffer, die zahlreichen Büttner und nicht zuletzt die weinreichen Orte in der näheren und weiteren Umgebung erklären die bedeutende Stellung von Marktheidenfeld und Lengfurt im Weinhandel des 18. Jahrhunderts.

    Wein aus Franken wurde zum Handelsgut

    In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts war Franken mit geschätzten 40 000 Hektar Rebfläche das größte deutsche Weinbaugebiet. Heute sind es nach nur noch 2360 Hektar im Jahr 1959 immerhin wieder 6000 Hektar. Zum Niedergang trugen Kriege, Klimaveränderung, Pilzkrankheiten und tierische Schädlinge bei.

    Die in den Weinbergen und in den Weingärten im Tal gelegenen erzeugten Weinmengen waren über lange Zeit jedenfalls mehr, als der hohe Alltagskonsum in den früheren Jahrhunderten vor Ort verbrauchen konnte. Der Wein aus Franken – und dazu zählte überwiegend auch der Tauberwein – war somit Handelsgut. Die Städte Nürnberg und Frankfurt am Main waren die Hauptabnehmer.

    Ansicht von Frankfurt von Matthäus Merian, 1646. Im Vordergrund bei St. Leonhard und am „Fahrport“ außerhalb der Stadtmauer der Weinmarkt, der bedeutende Umschlagplatz für fränkischen Wein.
    Ansicht von Frankfurt von Matthäus Merian, 1646. Im Vordergrund bei St. Leonhard und am „Fahrport“ außerhalb der Stadtmauer der Weinmarkt, der bedeutende Umschlagplatz für fränkischen Wein. Foto: Repro Scherg

    Seit dem Ende des 14. Jahrhunderts werden Weine nachweislich in Frankfurt am Main auf den dortigen Messen gehandelt. Von Frankfurt aus gelangte der Wein nach Norddeutschland und in die Niederlande. Nach Frankfurt kam der Wein vorzugsweise mit dem Schiff, wie unter anderem die Wasserzollrechnungen von Freudenberg seit dem Ende des 16. Jahrhunderts belegen. Noch 1845 vermerkt Friedrich Krug in seiner historisch-topographischen Beschreibung der Stadt Frankfurt die große Bedeutung des Weinhandels für die Stadt.

    Führend auf dem Frankfurter Weinmarkt waren die Weinhändler aus Franken erst seit dem Ende des 17. Jahrhunderts. Dazu trug nicht zuletzt der Niedergang des pfälzischen Weinbaus bei, denn während des pfälzischen Erbfolgekrieges waren Städte, Dörfer und Weinberge der Pfalz von den französischen Armeen verheert worden. Den Umfang des Weinhandels und die Bedeutung der fränkischen Weinhändler in Frankfurt hat Alexander Dietz (1864–1934) bereits 1925 im vierten Band seiner Frankfurter Handelsgeschichte dargestellt. Er nennt Weinhändler aus dem Taubertal, aus Königheim, Bischofsheim, Gissigheim, Gerlachsheim und Distelhausen, aber auch aus Marktheidenfeld, Lengfurt und Zell am Main.

    Transport über den Main

    Die Blüte des fränkischen Weinhandels im 18. Jahrhundert belegen die zahlreichen palaisartigen Wohn- und Geschäftshäuser, welche die zu Wohlstand gelangten Weinhändler ab den 20er Jahren des Jahrhunderts an ihren Wohnsitzen errichteten, wie Christian Naser mit dem Ausgangspunkt Zell dargestellt hat. Für den Transport nutzten die Zeller Weinhändler vorwiegend direkt die Wasserstraße Main, aber auch die Landstraße von Würzburg über Zell nach Lengfurt und Marktheidenfeld und von dort weiter die Wasserstraße Main.

    Das Hauszeichen von Weinhändler Johann Adam Franz (1754) aus Marktheidenfeld.
    Das Hauszeichen von Weinhändler Johann Adam Franz (1754) aus Marktheidenfeld. Foto: Leonhard Scherg

    Aus Marktheidenfeld nennt Dietz vor allem die Weinhandelsfamilien Franz, Lang, Stöber und Sudheim (Sundheimer), aus Lengfurt den Weinhändler Krätzer und die dank Nasers Forschungen zuzuordnenden Familien Dürr und Bauer. Die Weinhändlerfamilien aus Marktheidenfeld und Lengfurt waren untereinander und mit den Weinhändlerfamilien aus dem Taubergrund nicht nur wirtschaftlich eng verbunden. So gibt es beispielsweise Eheverbindungen zwischen den Stöber und den Buchler in Gerlachsheim, den Stöber und Franz mit den Steinam in Tauberbischofsheim.

    Marktheidenfelder „Schröter und Eicher-Ordnung”

    Als die wichtigsten Weinhandelsfamilien aus Marktheidenfeld sind seit der Mitte des 18. Jahrhunderts und bis ins 19. Jahrhundert hinein – hier in alphabetischer Reihenfolge – zu nennen: Flasch, Franck, Franz, Günther, Lang, Leininger, Lermann, Schatz, Schulz, Staub, Stöber und Winkler. Aus Lengfurt ist hier noch besonders die Familie Klett hinzuzufügen. Der Weinhandel ging jedoch weit über diesen Personenkreis hinaus. Die Marktheidenfelder „Schröter und Eicher-Ordnung” vom 6. Februar 1821 wurde 1822 von insgesamt 34 betroffenen Personen, den Weinhändlern, unterzeichnet.

    Von Interesse ist, dass der Weinhandel zumindest in Marktheidenfeld zunächst von Familien, die erst im 17. Jahrhundert zugezogen waren, als große Chance gesehen wurde. Das gilt für den aus Himmelstadt stammenden Johann Adam Schemel, für die Franz aus Oberndorf und für die aus bisher unbekannten Orten zugezogenen Stöber und Leininger.

    Das Hauszeichen von Weinhändler Stöber aus Marktheidenfeld. 
    Das Hauszeichen von Weinhändler Stöber aus Marktheidenfeld.  Foto: Leonhard Scherg

    Aber nicht nur Frankfurt lässt sich als Ziel der Marktheidenfelder Weinhändler nachweisen, wie sich aus mehreren Hinweisen erschließen lässt. Vom Kaufmann Michel Leininger (1649–1727) weiß die Familienforschung zu berichten, dass er sehr reich war und einen ausgedehnten Weinhandel bis Holland, Polen und Russland unterhielt. Der Weinhändler Johann Georg Stöber (geb. 1690) heiratete 1723 in Lübeck. Diese Stadt war schon seit dem Mittelalter ein wichtiger Weinumschlagplatz. Von dort wurde der Wein im gesamten Ostseeraum verbreitet. Franz Valentin Franck, der Erbauer des Franck-Hauses, lieferte 1734/35 ein Stück Wein nach Lübeck.

    Der Weinhändler Franz Andreas Lang erklärte 1773, dass er hauptsächlich seine Weine nach Malmedy im heutigen Belgien bringe. Der aus Marktheidenfeld stammende Wein- und Holzhändler Johann Andreas Helfferich (1745–1803) gründete 1776 in Teltge, verkehrsgünstig an einer Gabelung der von Süden kommenden Handelsstraßen in Richtung Nord- und Ostsee gelegen, eine Familie und erbaute dort am Marktplatz ein repräsentatives Haus, in dem der Wein bis heute eine Rolle spielt.

    Stöber, Klett und Franz zogen nach Würzburg um

    Als sich dann in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts die Bedingungen für den Weinhandel verschlechterten, setzte ein Bedeutungsschwund des fränkischen Weines und der fränkischen Weinhändler ein. Weinhandel spielt aber in Marktheidenfeld bis heute eine Rolle. Die einst führenden Marktheidenfelder Weinhandelsfamilien, die Stöber und Franz, verlegten allerdings schon in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ihren Schwerpunkt nach Würzburg. Dies gilt auch für die Lengfurter Klett.

    Noch in der Mitte des 19. Jahrhunderts waren Kinder des Handelsmanns Franz Kaspar Stöber (1760–1833) vor Ort im Weinhandel tätig, wie Zeitungsanzeigen zu Weinversteigerungen 1855, 1857 und 1866 belegen. Neben Frankenweinen wurden auch Rhein- und Pfälzer Weine verstrichen.

    Am 6. Juni 1855 kam es zu einem bedauerlichen Ereignis, über das in den Zeitungen deutschlandweit berichtet wurde. Gekauft wurde der Wein üblicherweise im Keller. Der Abtransport war Sache des Käufers. Der Weinhändler Dill aus Mainz erwarb damals „ein Stück Wein zu 16 bayerischen Eimern (ein bayerischer Eimer = ca. 68,4 Liter, das heißt insgesamt zirka elf Hektoliter), im Werthe zu 950 fl. (Gulden)“. Auf dem Weg zum Schiff „zerbrach dieses Faß außerhalb des Kellers in der Mitte entzwei“. Nur zirka 100 Liter konnten gerettet werden.

    Zum Autor: Dr. Leonhard Scherg war von 1984 bis 2008 Bürgermeister von Marktheidenfeld, er ist Kreisarchivpfleger für den Altkreis Marktheidenfeld und Rothenfels.

    Literatur: Johann Kaspar Bundschuh, Geographisches Statistisch-Topographisches Lexikon von Franken, 6 Bände. Ulm 1799–1804; Alexander Dietz, Frankfurter Handelsgeschichte, 4 Bände, Frankfurt 1910-1925; Christian Naser, Das vergessene Schloss: Balthasar Neumanns Weinhändlerpalais in Zell, Würzburg 2013.

    Lesetipp: Den Einstieg in die Serie verpasst? Die bisher erschienenen Serienteile finden Sie unter https://www.mainpost.de/dossier/geschichte-der-region-main-spessart

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden