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GEMÜNDEN: Als Waldmeister geraucht wurde

GEMÜNDEN

Als Waldmeister geraucht wurde

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    Die Not war groß vor 100 Jahren, nicht nur im berühmten Steckrübenwinter 1916/17. Essen wurde während des Krieges rationiert, für alles Mögliche gab es Lebensmittelmarken. Allerlei Verordnungen sollten die Produktion von Lebensmitteln erhöhen und zugleich den Verbrauch einschränken. Der Gemündener Anzeiger gab dazu mitunter recht kreative Tipps, die den Menschen in ihrer Not helfen sollten, etwa „Züchtet Ziegen!“, „Sammelt Erdbeerblätter als Kriegstee!“ oder „Pflanzt Nußbäume!“.

    Für die Truppen wurden in der Bevölkerung Sammlungen organisiert. Im April 1915 schrieb der Gemündener Anzeiger: „Zur Zeit sind besonders nötig Zwetschgenschnaps, Briefpapier mit Umschlägen, Bleistifte, Klosettpapier, geschnitten aus Zeitungen, und Eier für besonders der Stärkung bedürftige verwundete und kranke Soldaten in den Lazaretten.“ Der Anzeiger rief „unsere Schuljugend“ dazu auf, „sich durch eifriges Sammeln von Maikäfern in vaterländischem Sinne verdient“ zu machen. Dadurch sollte Hühnerfutter eingespart werden. Alternatives Hühnerfutter seien, getrocknet auch noch im Winter, die Früchte von Eberesche, Weißdorn und Schneeball. Die Eierknappheit war bald so groß, dass der Gemündener Anzeiger am 29. Juli 1916 schrieb, dass Eier und Eierspeisen nur noch zwischen 11 und 2 und 18 und 21 Uhr verkauft werden dürfen.

    Esst Pilze und Kürbisse!

    Im Juni 1915 hieß es, dass Kränze aus Erdbeerblüten vermieden werden sollen – Erdbeeren waren dazu zu wichtig. Im gleichen Monat wurde angeregt, mehr Pilze zu essen. „Nur sieben Arten sind giftig“, behauptete der Anzeiger. Und auch der Kürbis „hat noch lange nicht die Anzahl Freunde, die ihm gebührt“.

    Bucheckern wurden damals zum Gewinnen von Speiseöl gesammelt. Das daraus gewonnene Öl zeichne sich durch einen „äußerst feinen Geschmack“ aus, so der Gemündener Anzeiger. Im Januar 1917 vermeldete die Zeitung, dass vom 11. bis 21. Dezember 1916 25 Soldaten einer Genesungskompanie zur Buchellese in Massenbuch einquartiert waren. „Durch Schnee und Regen vielfach behindert, wurden von ihnen 4,5 Hektoliter Bucheln eingebracht“, so der Anzeiger. Das war allerdings recht wenig im Vergleich zur Ausbeute von zumeist Schulkindern aus Wernfeld, Harrbach, Massenbuch und Halsbach, die im November 48,3 Hektoliter gesammelt hatten. Für den Liter erhielten sie anfangs 20, später 30 Pfennige.

    Aber nicht nur Bucheckern eigneten sich zur Herstellung von Speiseöl. „Eine landwirtschaftliche Zeitung rät, die Obstkerne aller Art zu sammeln“, schrieb der Gemündener Anzeiger. „Nach dem Entfernen der Blausäurespuren könnten deren Kerne ebenfalls zur Herstellung von Öl verwendet, die eiweißhaltigen Rückstände zu Viehfutter verwendet werden.“ Schüler sollten außerdem Sonnenblumen pflanzen.

    Schüler bekamen immer wieder frei zu Ernte- und Sammeltätigkeiten, etwa zur Obst- und Waldbeerenernte. In Wernfeld ernteten Schüler im Juli 1916 rund 150 Pfund Heidelbeeren fürs Rote Kreuz. Ein Zentner davon ging an die Kreissammelstelle Würzburg, der Rest an die Lazarette in Gemünden.

    Rinderfüße wurden gesammelt

    Alles wurde damals gebraucht: Am 26. Oktober 1916 wurde im Gemündener Anzeiger bekannt gemacht, dass Knochen, Rinderfüße und Hornschläuche im Bezirk Gemünden nicht mehr weggeworfen werden dürfen, sondern gesammelt werden müssen. Kurz darauf erging der Aufruf, dass Rohrkolben gesammelt werden sollen. „Dieselben dienen als Rohstoffersatz, gelangen in Lazaretten, für die Krankenpflege und für die Industrie zur Verwendung.“

    Aus Brennnesseln, diesen „Schmarotzerzöglingen“, lasse sich ein leckerer Kriegsspinat herstellen, Waldmeister kann zum Strecken von Tabak verwendet werden, erfrorene Kartoffeln könne man noch gut essen und Einkochen auch ohne Zucker, teilte der Anzeiger mit. 1917 wurde es verboten, grüne Walnüsse zu ernten, alle Walnüsse in Bayern sollten abgeliefert werden, sogar Eicheln und Rosskastanien wurden gesetzlich beschlagnahmt.

    Im Februar 1916 wurde eine Gemündener Bauersfrau angezeigt, die „Butter nach auswärts verbringen wollte“. Für noch größeres Aufsehen sorgten Essensdiebstähle im „Steckrübenwinter“. Im März 1917 wurden Gemündens Bürgermeister Adalbert Holzemer nachts elf Hühner und ein Hahn sowie eine Anzahl Enten gestohlen. Zuletzt seien „wiederholt derartige Diebstähle vorgekommen“.

    Im Monat darauf leerten vier „Ausflügler“ während des Gottesdienstes am Ostersonntag sämtliche Hühnernester der Witwe Pfeuffer. Der Anzeiger warnte: „Es ist daher Vorsicht vor Hamsterern und den unter der Flagge ,Wandervögel‘ und ,Touristen‘ segelnden Personen geboten.“ Für Aufregung sorgte im Sommer 1917 auch ein Hund, der über Wochen Gemündener Kaninchenställe heimsuchte.

    Schließen wir mit den Gedanken eines Autors des Anzeigers: „An den Kornkaffee hat man sich während des Krieges derart gewöhnt, daß es sehr fraglich ist, ob man später wieder Geschmack für Bohnenkaffee finden wird. Gesünder wäre der Kornkaffee auf jeden Fall.“

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