„Es geht zu langsam“, lautete der Vorwurf an Bürgermeister Wieland Gsell in der Bürgerversammlung für Retzbach und Zellingen zum künftigen Baugebiet „Klinge“. Denn dort tut sich aufgrund von Naturschutzauflagen nichts. Das liegt allerdings nicht am Bürgermeister, sondern am amtlichen Naturschutz. Der machte zur Auflage, das seltene und geschützte Tiere wie Haselmaus und Hirschhornkäfer umgesiedelt werden, ehe auch nur eine Hecke gerodet werden darf.
Ein Bürger fragte, ob die Angaben der Naturschützer zu seltenen Tieren noch einmal von einer Institution überprüft werden. Der Bürgermeister antwortete, man dürfe das nicht mit der Ortsgruppe des Bund Naturschutz verwechseln. Die Auflagen kämen von der unteren Naturschutzbehörde am Landratsamt. Diese habe heute wesentlich mehr zu sagen als vor 20 Jahren, als in Retzbach das Baugebiet „Rosenstraße“ erschlossen wurde.
Zum Ablauf erklärte Wolfgang Brand vom Zellinger Bauamt, dass grundsätzlich die Gemeinde ein entsprechendes Fachbüro mit der Begutachtung zu seltenen Pflanzen und Tieren beauftrage. Auf die Frage von einem der 45 Besucher, ob es vielleicht Büros gebe, die „weniger genau“ hinschauen, verglich er das mit der Hauptuntersuchung beim Auto: „Kennen sie einen TÜV-Prüfer der ein nicht verkehrssicheres Auto durchlässt?“ Würde die Gemeinde ein zweites Büro beauftragen, würde auch nichts anderes rauskommen, aber für das doppelte Geld.
Die Wogen schlugen wohl auch hoch, weil die Gemeinde die Hecken im Gebiet bis Ende Februar roden wollte und schon die Grundstücksbesitzer angeschrieben hatte. Doch dann verhängte die untere Naturschutzbehörde einen Stopp: Das dürfe erst geschehen, wenn ein Ausweichquartier geschaffen wurde. Das vorgeschlagene Gebiet wurde im jetzigen Zustand nicht akzeptiert. „Wie lange dauert es noch mit der Klinge?“, fragte ein Bürger. In zehn Jahren, wenn er 50 ist, werde er nicht mehr bauen können. Darauf antwortete Brand, die „Klinge“ solle 2019/20 umgesetzt werden.
Vielleicht mit Neid schauten die Retzbacher da nach Zellingen, wo schon Bäume für das Gebiet „Kapelle“ gerodet wurden. Dazu erklärte Brand, dort habe das gleiche Büro und die gleiche Biologin begutachtet, aber im Wesentlichen nur ein Winterquartier für Fledermäuse aufgrund der tiefen Astlöcher vermutet. Das habe sich nicht bestätigt, trotzdem müsse Ersatz geschaffen werden. Das die Genehmigung zum Baumfällen erst am 22. Februar kam, habe auch für Zeitdruck gesorgt.
Zweites heißes Thema in der Versammlung war die Toilette an der Wallfahrtskirche. Dort wurde ein bergseitiger Anbau für ein behinderten gerechtes WC errichtet. Weil das für Behinderte schwer zu erreichen ist, wurde überlegt, ihn anders zu nutzen. Doch das gehe nicht, erklärte Bürgermeister Wieland Gsell. Der Gebäudeteil lasse sich nicht passend umbauen. Nur im Anbau gebe es etwa die Möglichkeit, eine breite elektrische Schiebetür einzubauen.
Die Vorwürfe gingen soweit, dass sich in der Versammlung Architekt Arno Sohn, der das Ganze detailliert plante, zur Wehr setzte. Dass die derzeitige Baustelle ein Hindernis schon für Gehbehinderte mit Rollator sei, habe nichts zu sagen. Tatsächlich wurde bisher nur eine Rampe vom Kreuzweg aus senkrecht zum Gebäude angelegt, die nur von einer Rasenfläche aus zugänglich und etwas steil ist. Allerdings wird es eine zweite Rampe geben, ab der asphaltierten Straße und parallel zum Gebäude.