Es ist die denkbar schlechteste Zeit für eine Künstlerkarriere. 1923 wird Olga Knoblach-Wolff auf einem Obstgut im evangelischen Ansbach geboren. Sie wächst auf mit den Nachwirkungen des Ersten und den Vorboten des Zweiten Weltkriegs. Zwischen Trümmern und Toten malt man nicht. „Das Malen ist etwas für die Seele. Damals ging es nur ums Überleben“, sagt die 84-Jährige. Und doch verlässt sie ihre Begabung, die schon früh heraus wollte, nie. Wie einen Schatz hütet Knoblach-Wolff ihr Talent, bis es – im reifen Alter von 54 Jahren – zur vollen Entfaltung kommt.
Heute ist die Künstlerin im gesamten fränkischen Raum bekannt. Zahlreiche Ausstellungen, Illustrationen von Büchern und Bühnengestaltungen bei Festspielen und Theateraufführungen zeugen von ihrem Schaffen. Sie ist Mitglied im Berufsverband bildender Künstler, hatte Auftritte im Fernsehen und half anderen Frauen durch eine Maltherapie, ihr Leben in den Griff zu bekommen.
Bis Knoblach-Wolff ihren eigenen Weg fand – oder wie sie sagt: sich selbst vom Müssen befreit hat –, hat es lange gedauert. Ihr Leben zu beschreiben, dafür reicht ein Zeitungsbericht nicht aus. Und doch können Stationen ihres Lebens ein Bild davon vermitteln, wie die Künstlerin zur Kunst kam. Oder kam die Kunst zur Künstlerin? Man mag es drehen und wenden, wie man will, Olga KnoblachWolff und die Kunst sind untrennbar.
Blonde Haare und blaue Augen
Die Gemündener Volksschule im Jahr 1933: Unter dem Tisch versteckt das Mädchen Olga einen Wachsklumpen, aus dem sie Engel formt. „Ich habe die Engel auch gezeichnet, und als die anderen Kinder das sahen, musste ich immer für alle Engel zeichnen.“ Die Lehrerin fragt dann: „Wolff, träumst Du schon wieder?“ Aber die kleine Olga hat Glück: Sie hat lange blonde Haare und blaue Augen, das entspricht dem Arier-Ideal der Lehrerin. Was die kleine Olga in die Hände bekommt, nutzt sie zum Gestalten. „Aus Steinen und Pflanzen habe ich Fantasiegebilde gebaut. Und schon als Kind habe ich viel gezeichnet. Gestalten war mein Leben.“
Auch vor den Lehrern bleibt Olgas Talent nicht lange geheim. Nach der Volksschule in Gemünden besucht sie für kurze Zeit die Höhere-Töchtern-Schule in Würzburg, dann die Realschule der Franziskanerinnen in Lohr. „,Wenn Du bei uns bleibst, darfst Du immerzu malen.' Mit diesen Worten wollten sie mich locken“, sagt Knoblach-Wolff. „Aber ich wollte keine Nonne werden.“
Die nächste Etappe ihrer Schullaufbahn ist die Kunst- und Handwerkerschule in Würzburg. Allmählich erfährt die junge Olga, was sie ihr Leben lang prägen wird: „Für meinen Vater waren Frauen nicht viel wert. Ich sollte etwas Ordentliches lernen und Geld nach Hause bringen.“ Statt ihr künstlerisches Talent zu fördern, wie es bereits einige Lehrer angeraten hatten, befindet ihr Vater, sie solle Technisches Zeichnen lernen. Selbst der Direktor der Kunst- und Handwerkerschule rät dem Vater eines Tages, Olga auf die Kunstakademie nach München zu schicken. Aber ihr Vater ist dagegen. Vielleicht wäre alles anders gekommen, hätte der Vater an diesem entscheidenden Punkt in Olgas Leben anders entschieden.
Olga ist 17 Jahre alt und der Zweite Weltkrieg hat begonnen. Sie leistet Ersatzlanddienst und die Kraft zum Zeichnen schwindet. „Wenn noch ein Funken Kraft da war, habe ich gemalt.“ Aber ihre Kunst verträgt die Enge und den Zwang nicht. Das junge Mädchen Olga arbeitet bis zur Erschöpfung auf dem Feld. 1941 beginnt sie als Technische Zeichnerin in Bad Kissingen. „Da war nur noch dieses Müssen, das hatte mit Kunst nichts zu tun“, sagt Knoblach-Wolff. Der Schichtdienst, den sie infolge bei der Deutschen Reichsbahn in Gemünden antritt, macht es nicht besser. Das Leben der jungen Olga wird von harter Arbeit und dem Kriegsgeschehen bestimmt. Ihr Talent schlummert.
Auch nach dem Krieg – Olga ist jetzt verheiratet und bekommt einen Sohn – bleibt für die Malerei keine Zeit – oder keine Muße. Ob als Näherin, Kassiererin oder Verkäuferin, die junge Frau steckt ihre ganze Energie in die Familie und den Hausbau. Wenn sie malt, wertet ihr Mann die Werke als „Unsinn“ oder „Quatsch“ ab. So wie es schon ihr Vater tat. Doch manchmal bricht die künstlerische Ader aus. „Als Näherin habe ich mal eine Karikatur von unserem Abteilungsleiter gemacht. Kolleginnen haben die ans schwarze Brett gehängt. Und als der Abteilungsleiter es sah, wurde ich gefeuert.“
Der Wendepunkt kommt 1968: Mit 46 Jahren erkrankt Olga Knoblach-Wolff an Krebs. „Ich hatte bereits Abschied genommen. Die Ärzte sagten mir, ich würde bei der Operation sterben.“ Aber Olga wacht wieder auf. „Da wusste ich plötzlich, warum ich wieder aufgewacht bin: Weil ich nie das gelebt habe, was ich eigentlich hätte leben sollen.“ Es ist ein Neuanfang auf allen Ebenen. Mit fast 50 Jahren beginnt Olga, alles nachzuholen, was sie schon immer wollte: Sie liest Nietzsche, Platon, beschäftigt sich mit Philosophie. Nach zwei Jahren Therapie beginnt sie wieder zu malen. „Ich musste erstmal Farben und Papiere kennenlernen. Das war ja alles neu.“
Aufarbeitung und Befreiung
Nach dem Tod ihres Mannes malt Olga zunächst jahrelang in Schwarz-Weiß. Es ist wie ein langer Prozess der Aufarbeitung von Trauer – und Befreiung von Zwängen. Erst 1974 entsteht ihr „erstes eigenes“ Bild, wie sie selbst sagt. Es heißt „Kreislauf“. Olga Knoblach-Wolff entdeckt den Phantastischen Realismus für sich. Am liebsten aber experimentiert sie und lässt sich nicht in eine Schublade stecken. „Malen bedeutet leben“, sagt die 84-Jährige und: „Ich gieße mein Innerstes ins Bild. Jedes Bild hat einen tieferen, verborgenen Sinn.“ Manche ihrer Bilder entstehen über Nacht, für andere braucht sie Jahre. Eines ihrer Bilder heißt „Käfig“: Es zeigt die Frau, die eingesperrt ist in einer von Männern dominierten Gesellschaft, und vielleicht ausbricht – so wie Olga Knoblach-Wolff.