Der Burgsinner Gemeinderat Willi Balkie will hauptamtlicher Bürgermeister werden – allerdings nicht in Burgsinn, sondern im benachbarten Jossgrund (Main-Kinzig-Kreis, Hessen). Ende November hat der Vorsitzende der Initiative Burgsinn (IB) überraschend seine Kandidatur für die dortige Freie-Wähler-Gemeinschaft bekannt gegeben.
Im Gespräch mit der Redaktion erklärt der 43-Jährige, dass es für ihn eine Chance ist, „auf die ich Lust habe“. Mit Burgsinn, wo er gebaut hat und weiter wohnen bleiben will, habe die Entscheidung nichts zu tun. Am 5. März stellt er sich zur Wahl und fordert den parteilosen Amtsinhaber Rainer Schreiber heraus, der seit zwölf Jahren Bürgermeister ist.
Hobby zum Beruf machen
„Es hat nichts damit zu tun, dass ich keine Lust mehr auf Burgsinn habe“, sagt der gebürtig aus Stuttgart kommende Polizei-Oberkommissar, dessen Dienststelle Hanau-Land ist. Es gebe auch keine Spannungen im Gemeinderat oder dergleichen. Im Gegenteil mache ihm die Lokalpolitik in Burgsinn, wo der rührige Balkie seit 2014 als Ratsmitglied für einigen Wirbel gesorgt hat, Spaß. Jetzt möchte er, wie er sagt, sein „Hobby zum Beruf machen“. Der Diplom-Verwaltungswirt (FH) freut sich auf die Herausforderung, Chef von 45 Mitarbeitern zu sein.
Er verbinde aber mit der Kandidatur in Jossgrund außer der Herausforderung, die ihn reizt, auch – das gibt er offen zu – die Hoffnung auf einen karrieremäßigen Sprung – und auch auf mehr Zeit mit der Familie, weil ein „Weggang“ in den Jossgrund bedeutet, dass er näher an seiner Familie ist. Dann müsse er nicht mehr Schichtdienst bei der Polizei mit jeder vierten Nacht Dienst mit 48 Wochenstunden leisten. 15 Minuten brauche er von seiner Haustür bis zum Rathaus in Jossgrund.
Berechtigte Hoffnung auf Erfolg
Balkie darf sich, obgleich ortsfremd, berechtigte Hoffnung auf eine erfolgreiche Kandidatur machen. „Sonst hätte ich's nicht gemacht“, sagt er. So hat die FWG Jossgrund bei den Kommunalwahlen im Frühjahr stolze 55,5 Prozent geholt. Außerdem gebe es wohl „ein gewisse Grundstimmung der Unzufriedenheit mit dem Amtsinhaber“. Sollte es nichts werden, gehe es in Burgsinn weiter, wie gehabt. Sollte es klappen, bleibe er der IB erhalten, wenn auch eher beratend. Sein Mandat als Burgsinner Gemeinderat würde er jedoch in dem Fall abgeben, Nachrücker stünden bereit.
Wie die Jungfrau zum Kind sei er ursprünglich zu der Kandidatur gekommen, sagt Willi Balkie, dessen Mutter aus Gemünden stammt.
Er sei ganz einfach von den Freien Wählern angerufen worden, ob er sich eine Kandidatur vorstellen könne. Die Empfehlung sei von einer Sinngrund-Bürgermeisterin gekommen. Es habe ihn überrascht und gefreut. Die Freien Wähler Jossgrund hätten aus den eigenen Reihen aus unterschiedlichen Gründen niemanden gefunden, weshalb sie ihre Fühler weiter ausgestreckt haben. Bis er schließlich zusagte, sei ein Vierteljahr mit Gesprächen ins Land gegangen. Voraussetzung sei gewesen, dass er in Burgsinn wohnen bleibe. Nun hätten beide Seiten ein gutes Gefühl, so sein Eindruck.
Jossgründer Freie Wähler überzeugt von Balkie
Der Jossgründer Freie-Wähler-Fraktionschef Harald Wolf ist offenbar überzeugt, einen guten Kandidaten gefunden zu haben. Im Gelnhäuser Tageblatt wird er mit folgenden Worten, gesprochen bei der offiziellen Nominierung Balkies, zitiert: „Was haben wir gesucht? Einen Bewerber mit Führungs- und Verwaltungs- aber auch Wirtschaftserfahrung, der Sympathie ausstrahlt und, wenn es drauf ankommt, auch vorne weggeht. Das alles habe ich gerade in Willi Balkies Vorstellung gehört.“
Den Jossgrund kenne Balkie aus seiner Dienstzeit bei der Polizei Bad Orb, sagt er. Die Gemeinde besteht aus den vier Ortsteilen Burgjoß, Oberndorf, wo der Sitz der Gemeindeverwaltung ist, Pfaffenhausen und Lettgenbrunn. Dass er nicht aus dem Jossgrund komme, könne vielleicht auch eine Stärke sein, glaubt er. Als Ortsfremder gehe er womöglich unbefangener an manche Themen heran. Damit die Menschen ihn kennenlernen, stehen in den nächsten Wochen Bürgerversammlungen und Ortstermine an. Jetzt schon gehe er auf viele Termine dort.
Vater im Landtag
Seine politischen, sachbezogenen Themen, mit denen er in den Wahlkampf gehen will, will er, wie der Amtsinhaber und der CDU-Kandidat, erst nach Dreikönig bekannt geben. Politisch sieht sich Balkie, Vater von zwei Kindern als „vorbelastet“, da sein Vater im baden-württembergischen Landtag arbeitete.
Er ist zuversichtlich, dass die von ihm aufgebaute IB auch ohne in in vorderster Reihe weiter bestehen wird. Ein Stück Herzblut hänge natürlich daran. „Die jungen Leute, die wir haben, sind immer schon rege am Stammtisch dabei.“ Ein innerer Kreis, bestehend aus den Kandidaten der letzten Gemeinderatswahl, sei sehr interessiert dabei und werde das Ziel der IB weiterverfolgen, die Ortspolitik offener zu gestalten.
Bayerische Bürgermeister in Hessen Der Burgsinner Willi Balkie wäre nicht der erste Main-Spessarter, der in Hessen Bürgermeister wird. Bekannt ist der Fall der Brüder Lothar und Klaus Büttner, die ihre Wurzeln in Gemünden und Verwandtschaft in Burgsinn haben. Lothar Büttner ist seit 2000 Bürgermeister in Bad Soden-Salmünster, Bruder Klaus Büttner seit 2011 in Niederdorfelden, beides ebenfalls im Main-Kinzig-Kreis gelegen. Balkie muss seinen Wohnsitz auch als Bürgermeister nicht im Jossgrund haben. Das muss im Übrigen auch ein bayerischer hauptamtlicher Bürgermeister, anders als ein ehrenamtlicher (mindestens im Nebenwohnsitz), nicht. Ein hessischer Bürgermeister ist grundsätzlich Beamter auf Zeit. Als solcher wird der Bürgermeister der 3500-Einwohner-Gemeinde Jossgrund nach der Besoldungsgruppe A 16 vergütet.