Wenn am Samstag in Oberstaufen die Allgäu-Orient-Rallye startet, wird auch ein junger Mann aus Zimmern dabei sein: Jan Schmitt. Der 26-Jährige, der unter der Woche bei Mercedes-AMG in Affalterbach arbeitet, fährt zusammen mit seinem Kollegen und WG-Mitbewohner Tobias Hertle (28) aus Oettingen. Ziel des Abenteuers auf vier Rädern ist die jordanische Hauptstadt Amman, rund 6000 Straßenkilometer entfernt.
Was die Rallye besonders spektakulär macht: Zugelassen sind nur Autos, die mindestens 20 Jahre alt oder definitiv nicht mehr als 1111,11 Euro wert sind. Auf den Wagen von Schmitt und Hertle trifft Letzteres zu. Ihren BMW 318 Touring, einen Kombi, Baujahr 1996, haben sie für 300 Euro in Heilbronn gekauft. Er hat 190 000 Kilometer auf dem Buckel, ist technisch in gutem Zustand – äußerlich sieht man ihm sein Alter allerdings an.
Schmitt erinnert sich noch gut an den Tag, als er den BMW beim Verkäufer abgeholt hat. „Das war der mit Abstand extremste Tag des letzten Winters“, sagt er. Es schneite wie verrückt, die Straßen waren eisglatt. Trotzdem machte sich Schmitt auf den Weg von Zimmern ins „Ländle“, nahm den BMW auf dem Anhänger huckepack und brachte ihn nach Hause. Dort kam das Fahrzeug erst mal in die Werkstatt. Viel zu tun gab es aber nicht. „Der größte Aufwand war es, den Innenraum sauber zu bekommen“, sagt Schmitt.
Der hygienische Zustand ist wichtig, schließlich werden Schmitt und Hertle im BMW auch schlafen. Die Rallye-Regeln schreiben vor, dass die Teilnehmer nur im Auto, im Freien, im Zelt oder in Hotels übernachten dürfen, die nicht mehr als 11,11 Euro pro Nacht kosten. Wenn sie die Rückbank umgelegt haben, ist für Schmitt und Hertle genug Platz, um halbwegs bequem ruhen zu können. Die Rückbank ganz ausbauen wollten sie nicht. Denn sollte ein Fahrzeug aus ihrem Dreier-Team liegen bleiben, müssen dessen Insassen ja von jemandem aufgenommen werden.
„Die Rallye ist auch ein Beitrag zur Völkerverständigung.“
Jan Schmitt, Teilnehmer der Allgäu-Orient-Rallye
Zum Team von Schmitt und Hertle gehören noch vier weitere Mitglieder, die allesamt aus dem Raum Stuttgart stammen. Zwei von ihnen sind mit einem Opel Omega Caravan, Baujahr 1994, unterwegs, die anderen mit einem ebenso alten VW Passat. Ob der Passat die weite Reise packt, daran hat Tobias Hertle so seine Zweifel: „Ich glaube nicht, dass der in Deutschland noch mal durch den TÜV kommen würde.“
Falls ihr Auto seinen Geist aufgibt, haben Schmitt und Hertle einen Schenkungsvertrag mit an Bord. Sollte sich ein Einheimischer finden, der Interesse an dem Haufen Blech hat, müsste er den Vertrag nur schnell unterschreiben. Aber Schmitt ist zuversichtlich: „So weit wird es nicht kommen.“
Das schlimmste denkbare Szenario wäre, dass gleich zwei Autos aus einem Team nicht mehr weiterfahren können. Sechs Leute in einem verbliebenen Fahrzeug, das wäre schlichtweg zu eng. Doch selbst wenn dieser Fall eintritt, wäre die Rettung nicht weit. „In unserem Kollegenkreis gibt es noch mehr Rallye-Verrückte“, sagt Hertle. „Die fahren mit lauter Mercedes-Bussen, also Sechs- oder Achtsitzern. Da wäre zur Not auch noch Platz.“ Den Rückweg nach Deutschland antreten wird keines der Autos – auch wenn es das Zielland erreicht. Da bei der Rallye humanitäre Zwecke im Mittelpunkt stehen, bleiben alle Fahrzeuge in Jordanien.
Als Reiseproviant hat Hertle unter anderem fünf Kilogramm Dosenwurst für die ganze Mannschaft gekauft, dazu Wasser und Bier. Wie lange der Vorrat hält, hängt davon ab, wie oft die Teammitglieder unterwegs Halt machen und einkehren. „Ich möchte mich schon auf neue Kulturen einlassen und dazu gehören natürlich auch kulinarische Gaumenfreuden“, sagt Schmitt. Zeit dafür ist sicher immer wieder, denn die Rallye soll kein Rennen sein. Täglich dürfen im Schnitt nicht mehr als 666 Kilometer zurückgelegt werden – 555 sollten es aber wegen der Länge der Strecke schon sein.
Was ebenfalls den eher lockeren Charakter der Rallye zeigt: An manchen Etappenorten müssen die Fahrer Prüfungen bewältigen. Offiziell stehen diese im Roadbook, das jedes Team am Starttag bekommt. Ein paar Aufgaben wissen Schmitt und Hertle aber schon heute. So sollen sie in einer fremden Stadt auf einem Musikinstrument – welches, ist ihnen noch nicht bekannt – ein Lied spielen und dazu singen. Außerdem müssen sie einen jungen Baum mitnehmen, der dann am Platz hinter der Blauen Moschee in Istanbul gepflanzt werden soll. „Die Rallye ist auch ein Beitrag zur Völkerverständigung“, sagt Schmitt.
Ganz günstig ist die Teilnahme an der Rallye nicht. Für die dreiwöchige Tour geben Schmitt und Hertle jeweils zwischen 2500 und 3000 Euro aus. Neben den Anschaffungskosten für das Auto kommt noch einiges zusammen: 222,22 Euro Startgebühr, 800 Euro für den Rückflug und die Fahrzeugversicherung in Jordanien, 400 Euro für die Fähre von der Türkei nach Israel. Für Verpflegung, Sprit, Zoll und Unvorhergesehenes empfehlen die Veranstalter, noch mal bis zu 1000 Euro pro Nase einzuplanen. Jan Schmitt stammt aus einer Familie, in der Autos schon immer eine große Rolle gespielt haben. „Wir haben Benzin im Blut“, sagt er. Jans Vater Theo fuhr bereits in den 1970er Jahren in Deutschland und im Ausland Rallyes – allerdings solche, bei denen die Geschwindigkeit im Vordergrund stand. Mit seiner Leidenschaft steckte Theo seinen zweiten Sohn Gerrit an, der für den MSC Wächtersbach aktiv ist. Gerrit Schmitt war erfolgreich bei der Fränkischen Rallye-Meisterschaft, ebenso beim Baden-Württemberg-Franken-Rallyepokal sowie bei Rallyes der Osthessenmeisterschaft.
Von Oberstaufen nach Amman
Ein Rallyeteam besteht aus sechs Personen und drei Autos. Auf welchem Weg es von Oberstaufen nach Amman fährt, liegt bei jedem Team selbst. Genutzt werden dürfen alle Straßen, allerdings keine Autobahnen und Mautstrecken – es sei denn, dies wird ausdrücklich erlaubt (zum Beispiel unmittelbar vor oder nach Grenzen, wo es manchmal nur die Autobahn gibt). Navigationssysteme sind ebenfalls tabu. Nicht unbedingt alle Fahrzeuge müssen am Zielort ankommen. Wichtig ist aber, dass das gesamte Team gemeinsam mit mindestens einem der gestarteten Fahrzeuge über die Ziellinie fährt. Erster Preis ist traditionsgemäß ein echtes Kamel. Bislang ist das Tier aber immer im Gastland geblieben. Normalerweise übergibt der Gewinner das Kamel einem jungen Beduinen oder Farmer und schafft somit einem armen Menschen eine Existenzgrundlage.
ONLINE-TIPP
Mehr Informationen über die Rallye unter www.allgaeu-orient.de