Der Bau der umstrittenen Biogasanlage in der Flurgemarkung „Im Kirchel“ in Remlingen ist vom Tisch. Landwirt Helmut Wehr hat seinen Antrag für das geplante Vorhaben zurückgezogen. Ruhe kehrt deshalb in der Gemeinde nicht ein. Im Gegenteil: Die Bürgerinitiative, die sich vehement gegen den Standort gewehrt und sogar einen Bürgerentscheid erstritten hatte, kartet noch einmal nach.
Bernhard Weidner, der Vorsitzende des eigens gegründeten „Vereins zur Erhaltung der Lebensqualität und für mehr Demokratie“, lud am Mittwoch zu einer Pressekonferenz in den Würzburger „Ratskeller“ ein. Mit dabei waren Weidners Frau Christiane, Remlingens Altbürgermeister Gerhard Keller und Rechtsanwalt Wolfgang Baumann, der die Biogasanlagen-Gegner in juristischen Fragen vertreten hatte.
Im schummerigen Licht der „Schiestlstube“ verbuchte Weidner das Ende der Biogasanlagen-Pläne (siehe nebenstehende Chronologie) als Erfolg für sich und seine Mitstreiter. „Es lohnt sich, wenn sich Bürgerinnen und Bürger gegen ihre Verwaltung stellen und nicht einfach jeden Nachteil akzeptieren“, sagte Weidner. „Wieder einmal hat sich gezeigt, dass Gemeinderatsbeschlüsse hinter verschlossenen Türen ohne Einbeziehung und ausführliche Information der Bürger zu Widerstand und Unruhe führen.“
„Dorffrieden gewaltig gestört“
Weidner sagte, dass der „Dorffrieden gewaltig gestört“ sei und klagte auch über „Repressalien“ gegen seine eigene Person. Der Bürgerinitiative könne man jedoch nicht vorwerfen, dass sie die verworrene Situation in Remlingen zu verantworten habe, sagte er. „Wir haben immer versucht, demokratisch vorzugehen.“ Vielmehr schob Weidner Bürgermeister Klaus Elze und dem Gemeinderat den schwarzen Peter zu: „Ohne Weitblick wurde ein Dorf in zwei Lager gespalten.“
Bürgermeister Elze wies die Anschuldigungen Weidners am Mittwoch zurück. „Der Gemeinderat und ich haben uns nichts vorzuwerfen“, sagte er auf Anfrage der Main-Post und riet Weidner, die Fehler bei sich zu suchen. „Dass er von einem Großteil der Bevölkerung geschnitten wird, hat er sich selbst zuzuschreiben“, sagte Elze und erinnerte an den Ausgang des Bürgerentscheids im März 2011. Damals konnte die Bürgerinitiative einen Bebauungsplan, der Dimension und Ausgestaltung der Anlage reglementieren sollte, nicht durchzusetzen. Elze riet allen Beteiligten, nun „Ruhe zu bewahren und keinen weiteren Staub aufzuwirbeln“.
Landratsamt hatte Bedenken
Dass aus dem Vorhaben von Landwirt Wehr nun nichts wird, liegt vor allem an der Rechtsauffassung des Landratsamts Würzburg. Regierungsrat Michael Pahlke erklärte, die Behörde habe die Situation vor Ort überprüft. Dabei sei sie zum Schluss gekommen, dass die geplante Biogasanlage so nahe zur „schutzwürdigen Wohnbebauung“ liegen würde, dass „unzumutbare Beeinträchtigungen der Nachbarschaft aus immissionsschutzfachlicher Sicht nicht ausgeschlossen“ werden könnten. Das Landratsamt riet Wehr, „für die Anlage einen anderen Standort in größerer Entfernung zur Ortsbebauung zu suchen“.
Das Anwesen „Am Gänsberg 24“, das offiziell noch dem Außenbereich zugeordnet wird, läge gerade mal 60 Meter von der Anlage entfernt. Bis zum ersten Wohnhaus in der Jahnstraße 20, das schon zum allgemeinen Wohngebiet gehört, wären es 110 Meter.
Kein Gutachten beigebracht
Regierungsrat Pahlke stellte im Gespräch mit der Main-Post jedoch klar, dass das Landratsamt das Projekt Wehrs „nicht mit Gewalt“ habe „totmachen“ wollen. Die Behörde hatte Wehr in einem Schreiben darauf hingewiesen, dass eine „abschließende rechtliche Beurteilung“ nur mithilfe eines Sachverständigengutachtens möglich wäre. Dieses Gutachten hätte Wehr als Bauherr selbst beibringen müssen – was er jedoch nicht tat. Stattdessen zog er seinen Bauantrag zurück.
Pläne, eine Biogasanlage an einem Alternativstandort zu errichten, verfolgt Wehr nicht. Am Mittwoch erklärte er auf Anfrage, er habe „Im Kirchel“ bauen wollen, weil dort schon ein Bullenstall und ein Flachsilo stünden. „Ich bin ein Freund von Kleinanlagen. Aus ökologischer Sicht wäre eine Anlage dort sinnvoll gewesen“, sagte Wehr. Das hat dem Landwirt auch das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Würzburg bestätigt.
Der Streit um die Biogasanlage – eine Chronologie
• 21. August 2010: Landwirt Helmut Wehr, der auch Mitglied des Gemeinderats ist, reicht bei der Gemeinde Remlingen einen Bauantrag für den Neubau einer Biogasanlage in der Flurgemarkung „Im Kirchel“ ein.
• 3. September 2010: Auf Initiative von Bernhard Weidner kommen erstmals Bürger zusammen, die sich gegen den vorgesehenen Standort wehren. Ihre Argumentation: Die Anlage sei zu nahe an bewohntem Gebiet geplant. Die Anwohner würden durch den Lärm gestört und es bestehe die Gefahr, dass im Falle einer Explosion die nächstgelegenen Häuser beschädigt werden.
• 14. September 2010: Der Gemeinderat stimmt dem Vorhaben Wehrs zu. Vor der Sitzung hatte die Bürgerinitiative einen Antrag auf Durchführung eines Bürgerentscheids abgegeben. Sie wollte so erreichen, dass vor der Baugenehmigung ein Bebauungsplan aufgestellt wird, um den Konflikt wegen der angrenzenden Wohnbebauung frühzeitig zu lösen. • 12. Oktober 2010: Der Antrag der Bürgerinitiative wird vom Gemeinderat als unzulässig abgelehnt, weil es sich nicht um eine „ergebnisneutrale Fragestellung“ handle, sondern von vornherein ein bestimmtes Ziel verfolgt werde. Die Initiatoren schalten daraufhin die Kanzlei Baumann aus Würzburg ein. Die Anwälte sind der Auffassung, dass der Gemeinderat den geplanten Entscheid rechtswidrig abgelehnt hat.
• 13. Oktober 2010: Der „Verein zur Erhaltung der Lebensqualität und für mehr Demokratie“ wird gegründet.
• 10. November 2010: Im Eilverfahren lehnt das Bayerische Verwaltungsgericht in Würzburg den Antrag der Biogasanlagen-Gegner auf Zulassung des Bürgerentscheids ab.
• Dezember 2010: Die Beschwerde der Kanzlei Baumann hat Erfolg. Der Verwaltungsgerichtshof in München verpflichtet die Gemeinde, den Bürgerentscheid zuzulassen. Der Gemeinderat beugt sich daraufhin der richterlichen Entscheidung.
• 13. März 2011: Mit 183 Ja-Stimmen und 620 Nein-Stimmen lehnt die Mehrheit der Remlinger das Anliegen der Initiative per Bürgerentscheid ab. Damit wird es keinen Bebauungsplan geben.
• 16. Dezember 2011: Das Landratsamt Würzburg als Genehmigungsbehörde teilt Landwirt Helmut Wehr nach intensiver Prüfung der planungsrechtlichen Situation mit, dass es die Biogasanlage am geplanten Standort für bedenklich hält. Dem Bauherren wird empfohlen, einen anderen Standort „in größerer Entfernung zur Ortsbebauung“ zu suchen.
• 22. März 2012: Helmut Wehr zieht seinen Bauantrag zurück.