Bleiben nach dem aktuellen Breitbandausbau weiße Flecken in Langenprozelten, ausgerechnet in Gemündens größtem Stadtteil? Die Gefahr besteht. Bürgermeister Jürgen Lippert und der Gemündener SPD-Bundestagsabgeordnete Bernd Rützel wollen sich damit nicht abfinden. Lippert hat bei verschiedenen Stellen Beschwerde gegen die Telekom AG eingelegt und überlegt sich Schadensersatzforderungen wegen Vertragsbruchs; Rützel hat sich mit allen Beteiligten in Verbindung gesetzt.
Auf Anfrage der Redaktion fasst der Bürgermeister die vertrackte Lage zusammen: Die Stadt lässt seit 2015 für fast 900 000 Euro mit 90 Prozent Staatszuschuss die Breitbandversorgung im Stadtgebiet verbessern. Die Arbeiten sind weitgehend abgeschlossen. Für Adelsberg, Gemünden und Langenprozelten allerdings hat die Telekom AG, die den Gesamtauftag erhalten hat, den Ausbau bis 2017 auf eigene Kosten angekündigt. Wie überall verzögerte sich der vertraglich vereinbarte Ausbau auch in diesen drei Stadtteilen.
Versäumnisse zulasten Langenprozeltens
Weil sich laut Bürgermeister der Baubeginn insbesondere in Langenprozelten hinauszog und die Telekom AG bestimmte Fristen versäumte, verbesserte zwischenzeitlich der Internetanbieter Hab-Net GmbH (Tochterunternehmen der Stadtwerke Hammelburg) sein Netz in Langenprozelten. Das sehe die Telekom nun als Hindernis für ihren Eigenausbau. Lediglich am Ortseingang aus Richtung Gemünden baue der Konzern das Glasfasernetz aus. Damit will sich Jürgen Lippert nicht zufrieden geben: Hätte die Telekom sich nicht zum Eigenausbau verpflichtet, hätte die Stadt Gemünden die Arbeiten regulär beauftragt. Die Telekom dürfe nun aufgrund eigener Versäumnisse keinen Rückzieher zum Nachteil der Langenprozeltener Bevölkerung machen.
Der Beschwerden aus dem Stadtteil hat sich auch der SPD-Bundestagsabgeordnete Bernd Rützel angenommen. Er schreibt in einer Pressemitteilung: „Der Breitbandausbau der Telekom sollte ursprünglich bis Ende 2017 abgeschlossen sein. Die versprochenen 30 bis 50 Megabit pro Sekunde (MBit/s) erhalten aber offensichtlich nicht alle Haushalte. Stattdessen ist von einer Übertragungsrate von nur zwei Mbit/s die Rede, und zwar im Ortszentrum. Ein unhaltbarer Zustand“, meint Rützel.
85 Haushalte bei HAB-Net

Mit der Bitte um Auskunft und Lösung des Problems kontaktierte der Politiker das Amt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung (ADBV) in Lohr und sprach mit den vor Ort aktiven Internetanbietern Telekom und der HAB-Net DSL sowie der Bundesnetzagentur. HAB-Net DSL stellt nach Aussage von Geschäftsführerin Anja Binder und Vertriebsleiter Jürgen Weigand schnelles Internet von 50 MBit/s im Langenprozeltener Ortszentrum zur Verfügung und versorgt damit aktuell 85 Haushalte.
Mit welcher Übertragungsgeschwindigkeit die restlichen Haushalte versorgt werden (könnten), war laut Rützel kurzfristig nicht genau zu ergründen. Wegen des verschleppten Leitungsausbaus der Telekom im vergangenen Jahr habe HAB-Net damals angefragte Anschlüsse nicht sofort realisieren können. Entsprechende Leitungen mussten erst beantragt und von der Telekom bereitgestellt werden. Zwischenzeitlich hätten etliche Interessenten ihre Anfrage storniert und sich seitdem nicht mehr gemeldet, so Weigand von HAB-Net gegenüber Rützel.
Darf die Telekom nicht?
Weil die Telekom den eigenwirtschaftlichen Ausbau des Netzes in Langenprozelten geplant hat, wurde der Ortsteil nicht über das Förderverfahren ausgeschrieben. Klaus Markert von der Telekom bekräftigte gegenüber Rützel, dass die Telekom weiterhin den eigenwirtschaftlichen Breitbandausbau Langenprozeltens ausführen wolle, dies aber derzeit nicht dürfe.
Das Problem liege im blockierten Zugang zur Vectoring-Liste der Bundesnetzagentur, erklärte Erhard Glaab, Chef des Amtes für Digitalisierung in Lohr. Dort werde nach dem Prinzip „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“ vergeben. HAB-Net DSL halte das Recht zum Ausbau, und der Telekom seien damit die Hände gebunden. Innerhalb eines Jahres nach Eintragung in diese Liste müsse der aufgenommene Anbieter allerdings mit dem Ausbau fertig sein, erklärte Ernst-Ferdinand Wilmsmann von der Bundesnetzagentur. HAB-Net werde dies in Kürze angehen, so die Information von Bernd Rützel.
Rützel für Verbesserung
„Nach den vielen Gesprächen habe ich den Eindruck, dass sich die verschiedenen in die Thematik eingebundenen Stellen die Schuld gegenseitig zuschieben. Die Leidtragenden sind die Bürgerinnen und Bürger in Gemündens größtem Ortsteil“, resümiert Rützel. „Wir sehen eben, dass der Markt nicht alles regelt“, so der Bundestagsabgeordnete. „Deswegen werde ich mich im Zuge der Gleichbehandlung weiter für eine deutliche Verbesserung der Situation einsetzen.“