Gut drei Dutzend Interessenten fanden den Weg in den Lesesaal der Stadtbücherei zu einer Lesung im Andenken an Literaten, deren Schriften am 10. Mai 1933 kurz nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten als undeutsche, entartete Kunst bezeichnet und öffentlich verbrannt wurden. Der Initiator der Lesung, Georg Schirmer, sprach von kultureller Barbarei, bei der die völkisch, ideologisierte Rassenliteratur rücksichtslos gegen die modernen, aufgeklärten und experimentierfreudigen Schriftsteller dieser Zeit vorgegangen waren.
Die Mitwirkenden der Lesung – neben Schirmer waren das Tobias Jennewein, Rainer Hain, Eva und Stefanie Maselli, Wolfgang Tröster und Matthias Frädrich – wollten mit ihrem Abend eine bunte Palette von Autoren und Komponisten aufzeigen, die nicht nur mit anklagenden Texten und „schwerer literarischer Kost“ auffielen, sondern sich vielmehr auch durch Ironie, Satire und temperamentvollen Werken ausgezeichnet hatten.
Ein symbolischer Raub der Flammen wurden natürlich die Schriften von Heinrich Heine, von dem das Leseteam zärtliche, nachdenkliche, aber auch freche Lyrik präsentierte. „Entflieh mit mir“ sangen Eva und Stefanie Maselli gemeinsam mit Schirmer und Hain trug das vertonte Gedicht „Nur Kitty weinte“ vor.
Die Grenzen zu Traum und Wirklichkeit zerfließen bei Arthur Schnitzlers durchaus verstörender „Traumnovelle“, die Jennewein eindrucksvoll vortrug. Von Bertold Brecht gab es die Ballade der „Judenhure Marie Sanders“ und die Humoreske „das dreizehnte Sonett“.
Satirisch wurde es mit dem „männlichen Briefmark“ und dem Nagel im Holz von Joachim Ringelnatz, Tucholskys „Nichts anzuziehen“ oder Otto Reutters „Alles wegen de Leut“. Aber auch Alltag, Tristesse und Wehmut, gemischt mit scharfer, bissiger Kritik an gesellschaftlichen oder politischen Missständen und zwischenmenschlichen Katastrophen kamen zur Sprache. Dazu gab es ansprechende musikalische Beiträge.
Den Akteuren gelang ein Abend, der über die notwendigen Klagen über das Geschehene und Warnungen vor möglichen Wiederholungen hinaus, die Freude an der Literatur sowie am Gesang demonstrierte und erahnen ließen, was der Welt an Gedanken oder Schriften geschenkt worden wäre, wenn man diese Autoren nicht so rüde verfolgt hätte.