Gegen den Willen des Abtes und zum Nachteil des Klosters Neustadt habe Marquard II. von Grumbach, Schutzvogt der Abtei, um 1158 die Burg Rothenfels errichtet – so berichten fast alle Chronisten der Burg und des Städtchens Rothenfels übereinstimmend. In einem Vortrag im Alten Rathaus stellte Dr. Winfried Mogge diese Darstellung in Frage.
Mogge, Historiker und Germanist, ist seit dem zehnten Lebensjahr der Burg verbunden. Schon als Knabe habe er beschlossen, über diese Anlage, die ihn faszinierte, später einmal ein Buch zu schreiben, berichtete er in der Gemeinschaftsveranstaltung der Volkshochschule mit dem Geschichts- und Museumsverein. Im Ruhestand setzte er diesen Vorsatz in die Tat um. Dazwischen hatte er einige Jahre Gelegenheit, als Bildungsreferent auf der Burg das Objekt seines Interesses gründlich kennen zu lernen.
Sein wichtigstes Argument gegen die volkstümliche Version von dem Burgenbau ist eine Urkunde von 1150, in der alle wichtigen Einzelheiten vertraglich vereinbart wurden: Der Grumbacher nimmt die Burg vom Kloster als erbliches Lehen, das ausdrücklich mit der Schutzvogtei und der Gerichtsbarkeit verknüpft ist. So wie die Anlage damals errichtet wurde, entsprach sie wohl in ihren wesentlichen Teilen dem heutigen Bestand – mit Ausnahme des Ostturms und anderer späterer Erweiterungen
Die Herren von Grumbach – nicht zu verwechseln mit jenem Zweig der Familie von Wolfskeel, der später in den Besitz der Burg Grumbach kam und sich ebenfalls „von Grumbach“ nannte, spielte unter den Staufern König Konrad III: (1138-1152) und Kaiser Friedrich I. Barbarossa (1152-1190) eine wichtige Rolle in der Reichspolitik.
Als mit dem Tode Albrechts II. von Grumbach 1243 das Geschlecht ausstarb, hätte die Burg samt den dazu gehörigen Besitzungen eigentlich an das Kloster Neustadt zurückfallen müssen, aber längst hatte sich im Streit zwischen der Abtei und den Würzburger Fürstbischöfen um die Reichsunmittelbarkeit das Hochstift durchgesetzt. „Neue Fakten ersetzten altes Recht“, formulierte Mogge.
Lukrativer Heirats- und Erbvertrag
Graf Ludwig III. von Rieneck war damals mit Udalhilt, der Erbtochter Albrechts II. noch gar nicht verheiratet aber es gab offenbar einen Heirats- und Erbvertrag, der den Rienecker in den enormen Besitz der Grumbacher setzte. Rothenfels spielte dabei eine wichtige Rolle, denn es verkürzte die Entfernung von Lohr zu den Besitzungen der Grafen im Raum Grünsfeld – Zimmern – Lauda.
Die Burg hatte deshalb die Funktion eines Stützpunktes und einer Brücke. 1255, bei der Hochzeit von Ludwig und Udalhilt, trug der Minnesänger Konrad von Würzburg, zu dessen Sponsoren der Graf gehörte, das Versepos „Der Schwanenritter“ vor, in dem die Rienecker als Nachkommen Lohengrins gerühmt werden. Das brachte zu dem materiellen Gewinn durch das Grumbach-Erbe auch noch einen enormen Prestige-Zuwachs. Von da ab ersetzten die Grafen von Rieneck, als erster Ludwig III., ihre Helmzier, ein Windrädchen, durch einen Schwan.
Die Grafen standen auf einem Höhepunkt ihrer Macht. Ihr Verhängnis war aber, dass die verschiedenen Vettern, die gleichzeitig regierten, sich häufig nicht vertrugen. Stück um Stück gingen so Besitzungen, Ämter, Rechte und Einkünfte in Erbauseinandersetzungen wieder verloren.
Ludwig V. („der Jüngere“) von Rieneck, „genannt von Rothenfels“, der Sohn Ludwigs III., hatte eine Tochter, die – wohl nach ihrer Großmutter – Udalhilt hieß. Sie schaltete sich nach dem Tod ihres Vaters aktiv in die Erbauseinandersetzungen ein und verkaufte schließlich ihre Rechte an Kaiser Ludwig IV., den Bayern. Nach Verkäufen und Verpfändungen waren ab 1342 die Würzburger Fürstbischöfe Herren von Burg und Amt Rothenfels, die damit den Rieneckern verloren gingen. Udalhilt heiratete einen Grafen von Montfort-Tettnang. Die Verwaltungseinteilung in Ämter hatten die Rienecker wohl gegen Ende des 13. Jahrhunderts eingeführt. Das Amt Rothenfels blieb bis zum Ende des Heiligen Römischen Reiches 1803 nahezu unverändert.
Aus der Zeit der Rienecker stammt nach Überzeugung von Winfried Mogge der Ostturm. Er steht an einer Stelle, die mit den damaligen Waffen nicht beschossen werden konnte und verfügte über allen Wohnkomfort, den das 13. Jahrhundert zu bieten hatte – einschließlich eines schönen Blicks auf das Maintal durch säulengeschmückte Rundbogenfenster.