Was der Karsbacher Sergej Baum macht, hört sich verrückt an: Er überzieht Autos mit Folie. Dabei ist der 26-Jährige kein Verpackungskünstler a la Christo. Seine Kunden sind auch keine Kunstliebhaber, sondern vor allem junge Männer aus der Tuningszene. Car Skinz nennt sich seine Firma. Ab und zu liest man den Namen auf Autos in Gemünden. Skinz hat dabei nichts mit Skinheads zu tun, sondern ist einfach eine schicke Schreibweise des englischen Worts skins für Häute.
Was dabei herauskommen kann, wenn ein Auto mit Folie überzogen wird, zeigt der Wagen seiner Freundin Valentina Keil, die ihn bei der Arbeit unterstützt. Ihr Seat Ibiza war neulich noch schwarz-rot, dann hatte sie Lust auf eine neue Farbe und jetzt ist er auf einmal blau-silberfarben. Das Seat-Zeichen hinten auf dem Auto ist mit einer Art Comic-Folie überzogen. Zwei Tage etwa dauert es, bis Baum einem Auto eine neue Haut verpasst hat. „Es gab auch schon lange Nächte, aber es macht Spaß.“
Natürlich wird nicht das gesamte Auto mit Folie überzogen, sondern lediglich die lackierten Teile. Warum aber will jemand sein Auto mit Folie überziehen lassen? Der gelernte Fachlagerist, der die Arbeit mit der Folie neben seinem Beruf macht, erklärt, dass es vor allen Dingen optische Gründe sind. Es gebe inzwischen 500 bis 600 verschiedene Folien in verschiedenen Farben, mit gefragter matter Oberfläche, in Carbon-Optik oder eine Folie, die wie gebürstetes Alu ausschaut. Billiger als eine Lackierung sei eine Folie zudem. Oft wollen die Kunden nur das Dach und die Motorhaube beklebt haben.
Daneben schütze eine solche Folie, die es auch in durchsichtiger Ausführung gibt, auch den Lack des Autos. Kleine Steinchen halte die schon aus, sagt Baum. Ein Pendler, der regelmäßig nach Frankfurt fährt, habe sich deshalb die Autofront mit Folie überkleben lassen, um den Lack zu schützen. Taxis hätten zudem oft einen Folienüberzug, da sich beigefarbene Autos schlecht weiterverkaufen lassen. Eigentlich seien die oft schwarz lackiert. Eine solche Autofolie lasse sich nach Jahren noch rückstandsfrei abziehen, erzählt Baum.
Ganz billig ist eine Vollfolierung eines Autos aber auch nicht. 1500 Euro koste es bei ihm etwa, sagt Baum. Da bei der Arbeit mindestens Temperaturen von 20 Grad herrschen sollen, es in seiner Werkstatt auf dem Gelände der Spedition Welzenbach in Gemünden aber im Winter recht kalt ist, hatte er beim Auto eines Bekannten schon alleine 300 Euro Gaskosten wegen der Heizung mit einem Gasstrahler.
Angefangen hat bei Baum alles mit einer „Galileo“-Sendung vor etwa sieben Jahren. Danach holte er sich eine Möbelfolie aus dem Baumarkt. „Dann hab ich mal rumprobiert.“ Er wagte sich aber nicht gleich an Autos. Sein erstes Stück war eine Computermaus, es kamen Dinge wie Handyschalen hinzu und ein Schlüsselkasten. Irgendwann vor vier, fünf Jahren hat er dann probehalber sein damaliges Auto mit einer matt-schwarzen Folie überzogen. Das habe ziemlich gut geklappt. „Hey cool, würdest du das bei mir auch machen?“, haben Freunde gefragt. Seit zwei Jahren macht Baum die Autofolierung nun schon gewerbsmäßig. Auf die Autos kommt dann, gewissermaßen als Signatur des Künstlers, der Schriftzug „Car Skinz“. „Die Kunden wollen das auch“, sagt Baum.
Bei der Arbeit bleiben die einzelnen Teile am Auto. Wichtig ist, dass der Untergrund lackiert ist. Dann nimmt Baum eine solche Spezialfolie und klebt sie mithilfe eines Heißluftföhns und einer Art Teigschaber auf. Feine Luftkanäle an der Unterseite der Folie verhindern, dass sich Luftblasen bilden können.
Wenn man nicht genau hinschaut, sieht man auch fast nicht, dass es keine Lackierung, sondern eine Folie ist. Allerdings gehe das nur mit dafür geeigneter Folie. Billigfolie aus dem Internet reiße, verändere beim Ziehen ihre Farbe und hinterlasse womöglich noch Kleberreste auf dem Lack. Der 26-Jährige demonstriert, was hingegen eine hochwertige Folie kann: Er verformt sie stark, indem er sie spannt und mit einer Hand hineingreift. Anschließend greift er zum Heißluftföhn, und die Folie nimmt wie von Geisterhand ihre ursprüngliche Form wieder an. Man fühlt sich an die Terminator-Filme erinnert.
Mit der Spezialfolie lassen sich nicht nur Autoteile überziehen, es lassen sich auch Dinge wie Rallyestreifen, Beschriftungen und Muster aufbringen. Inzwischen hat der 26-Jährige zu Hause einen Plotter, der aus Folie per Computer vorgegebene Muster ausschneidet. Damit entfällt das mühsame Ausschneiden mit der Hand. Folie macht zudem einen besonderen Trick möglich: Wenn man unter der Folie ein Muster oder einen Schriftzug auf den Lack klebt, hebt sich dies als Kontur von der Folie ab.
Die Folie lasse sich zwar wieder abziehen, halte aber Wind und Wetter und auch die Autowaschanlage aus, versichert Baum. „Matte Folie musst du außerdem nicht mehr polieren“, nennt er als einen weiteren Vorteil. Etwa 70 Autos habe er inzwischen foliert. Um sich auf dem Laufenden zu halten, geht Baum mit seiner Freundin häufig auf Tuningmessen. So könne er seine Kunden auch gut beraten. Das Ganze einmal hauptberuflich zu machen, kann sich der Karsbacher jetzt noch nicht vorstellen. Dazu müsste die Sache mit den Autofolien verbreiteter werden.