Sonntagabend – es regnet in Strömen. Das Homburger Gebsattel-Schloss ist rot angestrahlt. Seltsame Gestalten huschen über den Schlosshof. Seile sind gespannt. Kleine Feuer lodern, Sphärische Töne und Gesänge wabern über den Platz. Was ist los? Performance-Künstler David Rodgers, „The man from another World“ aus New York, ist wieder einmal zu Gast bei Gertrude Elvira Lantenhammer.
Zum Ende der diesjährigen „Sommerakademie auf Schloss Homburg“ führte er die Performance „Crossing the River“ auf, die er mit den Teilnehmern seines Akademie-Kurses erarbeitet hat. Der Fluss, der dabei symbolisch überquert werden soll, ist keineswegs der nahe Main, sondern die „Styx“, der Fluss der Unterwelt, die Grenze zwischen der Welt der Lebenden und des Totenreichs der griechischen Mythologie.
Die Olympischen Götter schworen ihre heiligsten Eide „bei Styx“ und verloren beim Bruch eines solchen Eides für neun Jahre ihre Stimme. Ein Bad im als giftig geltenden Wasser des Flusses machte unverwundbar, wie wir von Achilles und seiner nicht vom magischen Nass benetzten Ferse wissen. Fährmann Charon brachte die Seelen der Toten über den Fluss – ein Motiv das häufig von der Literatur, der Musik und bildenden Kunst aufgegriffen wurde.
Für David Rodgers gab es allerdings einen sehr traurigen Anlass für diese Themenwahl. Er vermisst seinen Freund Stuart Nicholson, der als Vertreter der Pop-Art im New Yorker Stadtteil Brooklyn seine „Diesel-Gallery“ betrieb. Der Künstler und Musiker starb vor vier Wochen im Alter von nur 50 Jahren. Rodgers widmete ihm die Homburger Aufführung als Erinnerung und Dank für die Inspiration, die alle erleben durften, die ihn trafen und mit ihm zusammenarbeiteten
Doch bis es soweit war, dauerte es ein am Sonntagabend noch ein wenig. Als endlich nach einer Dreiviertelstunde die Regengüsse wenigstens etwas nachließen, durften die Gäste der Aufführung ganz demokratisch abstimmen, ob die Vorstellung auf dem nassen Schlosshof stattfinden oder auf Mittwoch verschoben werden sollte. Sie sollte stattfinden.
Also spann David Rodgers, wie immer mit einem Koffer unterwegs, bald emsig Fäden im Nieselregen über den Schlosshof, während eine golden gewandete Sirene das Geschehen mit Gesang und gelegentlichen paar Tanzschritten begleitete. Der „junge Mann“, der den Koffer auf den Platz gebracht hatte, entzündete geschäftig kleine Feuer auf dem Platz. Fährmann Charon machte sich an einen Baum gebunden bereit, um den „Spinner“ hinter seinem Koffer schließlich an einem Seil zu sich über den nassen Burghof zu ziehen. Der „junge Mann“ brach indessen tot zusammen.
Die Fortsetzung des Geschehens fand im Schlosskeller statt, wo Rodgers, immer noch begleitet von den Gesängen der Sirene und den starren Blicken des Charon, auf dem Koffer ein Vielzahl von Kerzen zusammen mit Gästen im engen Gewölbe entzündete. In einem seltsam anmutenden Toten-Ritual verstreute der New-Yorker farbintensive Gewürze um den geschaffenen „Altar“ und rieb sein Gesicht mit Paprika- und Currypulver ein. Nachdem die Protagonisten nacheinander das zentrale Lichtzeichen umschritten hatten, verschwanden sie aus der Gruft und fanden sich in einem brennenden Kreis auf dem Schlosshof wieder
Die Gäste applaudierten und sprachen anschließend über die der Performance innewohnende Symbolik oder gingen still und geschwind nach Hause, um sich von der Kälte und Feuchtigkeit an diesem Abend zu erholen.
Als Schauspieler hatten beim dramatischen Spiel um Leben und Tod mitgewirkt: Ein junger Mann (Maurice Schoenen); die Sirene (Carola Thieme); Charon der Fährmann (Emanuel Rivas); der Spinner (David Rodgers).
ONLINE-TIPP
Mehr Informationen unter www.davidrodgersperformance.com