Rund 20 Quadratmeter misst ihr Büro und ein Retro-Fan würde sich nach den Büromöbeln alle zehn Finger lecken. Marianne Tschammer, die Pflegedienstleiterin der Sozialstation St. Elisabeth arbeitet nämlich am ehemaligen Schreibtisch des verstorbenen Marktheidenfelder Rechtsanwaltes Martin, den sie geschenkt bekommen hat. Auf der Rückseite der dunklen Eichenmöbel fand sie einen Aufkleber aus dem Jahr 1973. Tschammer ist froh, über solche Zuwendungen. „Wir müssen bei allem, was wir brauchen und verbrauchen immer aufs Geld schauen“, sagt sie.
Als die Sozialstation im Januar in die Räume in der Montfortstraße umzog, war der 54-Jährigen wichtig, dass Stationszimmer und Büro gut ausgestattet sind und reibungslos funktionieren. Große Fenster lassen viel Licht in ihr hell gestrichenenes Büro. Vor den Fenstern hängen creme- und cappuccinofarbene Schiebevorhänge.
Jedes Zimmer der Pflegestation ist in einer anderen Farbe gestrichen: grün, gelb, cremefarben. Hell und freundlich sollte es sein. Und das ist den Mitarbeitern, die den Umzug mit Hilfe von Freiwilligen nahezu allein über die Bühne gebracht haben, gelungen. Ein prima Klima herrsche in der Station, sagt Tschammer. „Wir haben hier ein Team, das sehr herzlich miteinander umgeht.“
So hatten ihr die Mitarbeiter ihre Grünpflanzen fürs Büro umgetopft, als sie selbst auf einem Seminar war und mit roten Blumentöpfen versehen. „Die gab es bei Aldi“, verrät die 54-Jährige lächelnd. Ein runder Tisch mit zwei Lederschwingern („die haben wir auch irgendwo mal günstig bekommen“) und ein Schrank aus dem Keller, den man abschließen kann und der die Personaldateien enthält, vervollständigen ihre Einrichtung.
„Ich habe hier so viel Platz“, schwärmt die Chefin und breitet die Arme aus. In ihrem ehemaligen Büro in der Würzburger Straße habe sie schon bei der Anwesenheit von zwei Besuchern beinahe Platzangst bekommen. Ihre Tür steht immer offen. „Jeder weiß, dass er immer zu mir kommen kann mit dem, was er auf dem Herzen hat.“ Zwischen 8 und 14 Stunden ist Tschammer im Dienst. Manchmal auch am Samstag, wenn sie ganz allein in der Station sein und in aller Ruhe Liegengebliebenes aufarbeiten kann. „Wir haben keine Arbeit, bei der man sagen kann um vier Uhr ist Feierabend und ich stech' ab“, weiß sie. Bereitschaftsdienste gewährleisten, dass rund um die Uhr unter der Nummer 2700 jemand erreichbar ist und zu Hilfe kommen kann.
Besonders stolz ist die Chefin der Sozialstation auf die Urkunde der neuesten Qualitätsprüfung des medizinischen Dienstes. Note 1,2 steht dort und Tschammer strahlt: „Sind wir nicht gut?“. Die Urkunde hängt über ihrem runden Besprechungstisch. Das wichtigste Utensil in ihrem Büro ist für Tschammer der PC. „Da drinnen sind die ganzen Patientendateien, die Pflegeverträge und alle Daten, die wir brauchen“, sagt sie.
Die gelernte Krankenschwester verrät, dass sie früher gerne Lehrerin geworden wäre. Geboren in Pechern in der Lausitz hätte sie sich allen Vorgaben des DDR-Regimes beugen müssen. Das tat Tschammer aber nicht. „Da ich nur konfirmiert wurde und die Jugendweihe ablehnte, durfte ich kein Abitur machen“, berichtete sie und lacht: „Ich war aber schon immer ein Aufrührer.“ Kein Abitur, kein Studium, kein Lehramt. „Für mich war immer das Wichtigste, authentisch zu sein. Ich bin so, mitunter nicht einfach, aber ehrlich“, sagt sie. So sei sie zum Pflegeberuf gekommen und leitet seit Dezember 1999 die Sozialstation St. Elisabeth mit 76 Mitarbeitern.
Im Schrank gegenüber ihres Schreibtisches bewahrt Tschammer Akten auf und Dinge, die sie im Lauf der Jahre geschenkt bekommen hat. Elefant, Schweinchen, Fußballmännchen – mit allem verbindet die 54-Jährige eine Erinnerung. Auf ihrem Schreibtisch sortiert Tschammer ihre Arbeit nach Priorität und legt sie sich am Abend für den nächsten Tag schon vorgeplant hin. Wichtig und wertvoll sind für sie Auszeiten. „Wenn ich mir nicht wirklich sage, jetzt mache ich nichts, dann habe ich nie Zeit.“
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