Mehr als 120 Bürger aus allen Mitgliedskommunen kamen zu einer Veranstaltung des integrierten ländlichen Entwicklungskonzepts (ILEK) zur Gründung einer starken „Sinngrund-Allianz“ in der Sinngrundhalle. Die Besucher zeigten starkes Interesse am Thema „Landschaft und landwirtschaftliche Nutzung zwischen Ackerbau, Grünland und Christbaumkulturen“. Der kontrovers diskutierte Hauptpunkt war der Christbaumanbau. Die Veranstaltung zeigte, dass bei der Flächenbewirtschaftung noch großer Diskussionsbedarf besteht und besonders Toleranz und Kompromissbereitschaft gefragt sind.
Eingangs bestätigten die beiden Moderatoren Max Wehner und Gunter Schramm vom Projektteam „Team 4 und Planwerk“ (beide Nürnberg), dass die Christbaumkulturen nicht mehr aus dem Sinngrund wegzudenken sind. Es fehle jedoch an einer konsequenten Reglementierung. Fünf Referenten standen bei der Diskussion Rede und Antwort.
Mehr Ertrag als bei Wald
Christoph Kirchner vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) sieht die wirtschaftliche Bedeutung der Christbaumkulturen. Jedoch stießen Zäunung, Düngung und Spritzmitteleinsatz zunehmend auf Kritik und Konflikte. Grundsätzlich sei eine Neuanlage genehmigungs- oder anzeigenpflichtig. Ablehnungsgründe können jedoch eine Freihaltungsfläche im Landschaftsplan oder eine Beeinträchtigung des Erholungswerts sein. In seinem Wirtschaftlichkeitsvergleich erkannte er einen deutlich höheren Ertrag als bei einer forstlichen Nutzung.
Der Bereichsleiter Landwirtschaft beim AELF Karlstadt, Harald Blankart, hob hervor, dass die Offenhaltung der Täler und Landschaft Aufgabe der Landwirtschaft sei. Die Tierhaltung im Sinngrund erfolge extensiv und sei dadurch arbeitsintensiv. Die Region könne über die 85 vorhandenen Landwirte glücklich sein. Jedoch bewirtschaften 46 Betriebe Flächen bis zu zehn Hektar. Seiner Einschätzung zufolge liegt die zukünftige Flächenbewirtschaftung im Sinngrund völlig im Dunkeln. Die Tierhaltung gerate aufgrund der Abhängigkeit von agrarpolitischen Entscheidungen an den Rand der Rentabilität. Die Rendite der Arbeitsstunden werde zum Fiasko und die Flächen durch Naturschutz und Christbaumkulturen verknappt.
Peter Uehre von der Versuchsanstalt für Weihnachtsbäume der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen bezeichnete die Vorwürfe der Grundwasserbelastung durch gedüngte Christbaumflächen als falsch. Er verdeutlichte mit einem Bild das weitaus höhere Unkrautvorkommen als in Maisfeldern. In der Hallertau werde die unansehnliche Monokultur Hopfenanbau oder im Rheingau und an der Mosel der Rieslinganbau kräftigst gespritzt. Hektarweise Spargelfelder werden mit weißer Folie untertunnelt – wo bleibe der Landschaftsschutz? Die schönen Äpfel von hektargroßen Streuobstplantagen müssten mehrmals gespritzt werden. Seiner Aussage zufolge sind Weihnachtsbäume erheblich weniger mit Spritzmitteln belastet als andere Agrarprodukte und er forderte die Gleichstellung mit anderen gartenbaulichen Betrieben wie dem Obstanbau.
Der Bio-Weihnachtsbaumproduzent Stefan Lüdenbach aus dem Bergischen Land hingegen verzichtet auf den Einsatz von Spritzmitteln und kommt nach eigener Aussage seit 1995 fast ohne Pestizide aus. Aus seiner 19 Hektar großen Baumschule bietet er ab 2013 Biobäume an. Natürlich erfordere das Projekt mehr Arbeitsaufwand und Handarbeit als der konventionelle Anbau und es bestehe ein höherer Pflanzenausfall als bei gespritzten Kulturen. Die Nachfrage nach seinen Bio-Christbäumen gibt ihm jedoch recht.
Verschandelung durch Kulturen
Oliver Kaiser (Gemünden) präsentierte das Grünlandprojekt des Naturparks Spessart und stellte eingangs plakativ eine Werbeaussage des Fremdenverkehrs in den Raum: „Nur wo Kühe grasen, kann man Touristen melken.“ Die Bewohner tragen Verantwortung für die intakte Landschaft. Der Naturpark unterstütze eine landwirtschaftliche Nutzung. Die Motivation des Grünlandprojekts sei, die Landwirte in der Region zu halten. Nur mühsam werden zugewachsene Wiesen für die Beweidung freigelegt. Mit den Themen Landschaft, Naturschutz und gesunde Lebensmittel könne im Tourismus gewuchert werden, so Kaiser. Deutlich sprach er sich gegen die Verschandelung der Landschaft durch große Christbaumkulturen aus.
Nach einer intensiven Diskussion riefen die beiden Moderatoren Max Wehner und Gunter Schramm dazu auf, Kompromisse ein- und aufeinander zuzugehen. „Eine gemeinsame Vermarktung von Christbäumen und anderen landwirtschaftlichen Produkten der Region könnte eine touristische Zukunft haben.“