Ein ganz besonderes Auto steht seit Jahren schon auf dem Campingplatz „Saaleinsel“ in Gemünden: ein italienischer Vignale Gamine. Von dem feuerroten Mini-Cabrio im Roadster-Design, Baujahr 1969, wurden nur wenige Exemplare hergestellt. Das mit 3,02 Metern Länge winzige Auto ist in Deutschland einst sogar vom Otto-Versand vertrieben worden. Bei längeren Strecken braucht man allerdings etwas Geduld, erzählt Eigentümer Michael Alex, der den Oldtimer noch fährt.
Alex, seit über 40 Jahren in seiner Freizeit auf dem Campingplatz in Gemünden, ist schon der 25. Besitzer des kleinen „Lausbuben“, wie sich „Gamine“ aus dem Französischen übersetzen lässt. Allerdings ist das Auto inzwischen schon 34 Jahre in seinem Besitz. Davor hat das Auto ständig den Besitzer gewechselt, jeder – alles Nachbarn oder Kollegen – wollte es aus Spaß eine Weile fahren, erzählt der 65-Jährige.
Der aus der Ecke Frankfurt/Wiesbaden stammende Alex bekam das Auto einst von einem Arbeitskollegen. Als der sich einen Oldtimer aus England zulegte, habe er seine Kollegen gefragt, wer „den Kleenen“ wolle. Nicht nur Alex wollte ihn damals, sondern auch zwei andere Arbeitskollegen. Deshalb sollten ihn jeder abwechselnd ein Jahr fahren dürfen. Es wurde gewürfelt, wer zuerst dran ist – Alex war die Nummer Drei. Als er an der Reihe war, hat er ihn nicht mehr hergegeben.
Alles noch original
Jetzt steht der Gamine auf dem Campingplatz und alles an ihm ist noch original. Eine einzige Delle hat der Wagen hinten am linken Kotflügel. Die stamme von einem Rolls Royce, sagt Alex. Er vermutet, dass der das kleine Auto schlicht nicht gesehen hat beim Rückwärtsfahren. Die Delle lasse sich aber nicht einfach herausklopfen, weil die Karosserie doppelwandig ist.
Manchmal besucht Alex Oldtimer-Treffen mit dem Gamine. Weil das Auto bei längeren Strecken oder Geschwindigkeiten über 80 Stundenkilometer zu heiß wird und ausgeht, fährt er ihn nur ein paar Mal im Jahr, bei längeren Strecken nimmt er ihn auf einem Anhänger mit.
„Ach, ist ja ein Fiat“, bekommt Alex dann häufig zu hören. Aber der Gamine ist kein Fiat, sondern ein Vignale. Er hat aber Motor und Fahrwerk tatsächlich vom Fiat 500, was der Grund dafür ist, dass auf dem Kühlergrill, einer Attrappe, „Fiat“ steht. Wenn Alex an den Motor will, muss er wie bei einem Käfer zum Kofferraum. Erstaunten Leuten erzählt er dann, das sei der Ersatzmotor. Vorne sind aber nur der Tank und eine Abschleppstange zu finden. Gepäckraum ist also rar.
Für einen langen Lulatsch kann es im Gamine etwas eng werden, vor allem beim Ein- und Aussteigen. Ansonsten sitzt es sich überraschend bequem. Zum Anlassen des Autos gibt es noch einen kleinen Trick: einen Anlasser. Alex erzählt amüsiert, wie manche vergeblich versuchen, das Auto allein mit dem Zündschlüssel zum Laufen zu bringen.
Der 65-Jährige hängt sehr an seinem Schmuckstück: „Ich würd's nicht einfach so hergeben.“ Da müsste jemand ganz schön was bieten. Lieber wolle er das Auto an seine Kinder vermachen. Der Gamine ist eine echte Rarität: Einen zweiten noch fahrenden Gamine hat Alex bislang noch nicht gesehen, sagt er.
Vignale
Die italienische Firma für Automobildesign und Karosseriebau aus Turin (1946–1974) entwarf und produzierte für andere Autohersteller exklusive Karosserien, vermarktete sie aber vereinzelt auch unter eigenem Namen. Der 18 PS starke Vignale Gamine wurde von 1967 bis 1970 produziert, Schätzungen zufolge waren es 1200 Stück des Modells. Unternehmensgründer Alfredo Vignale kam kurz nach dem Verkauf seiner Firma 1969 an die Carrozzeria Ghia, einem weiteren Turiner Designstudio, bei einem Autounfall um.
Der Clou auf dem deutschen Markt war der Vertrieb des Autos über den Hermes-Post-Shop des Otto-Versands. So was hatte es zuvor in Deutschland nicht gegeben. Mit 3,02 Metern Länge und 3980 DM Kaufpreis war der Gamine damals das kleinste und billigste offene Auto hierzulande. Zunächst hatte der Verband des Kraftfahrzeughandels gegen den Vertriebsweg protestiert. Allerdings wurden wohl ohnehin nur 20 bis 30 Exemplare per Katalog verkauft. QuelleN: Wikipedia/MEINKLASSIKER.COM