Im Nebengebäude des Huttenschlosses treffen die Liebe zur (Modell-)Eisenbahn und die zur Heimatstadt Gemünden aufeinander. „Gemünden ohne Eisenbahn gibt es nicht“, erzählt Reinhold Weber den Kindern vom Ferienspaßprogramm der Stadt. Der 70-Jährige gehört zu den Modelleisenbahnern vom Film-, Photo-, Ton-Museumsverein, die seit 2011 in einem Teil des ehemaligen Feuerwehrgerätehauses neben dem Huttenschloss an einer Anlage basteln – ein Jahrhundertwerk, für das zehn Jahre veranschlagt sind.
Dieser Rahmen von zehn Jahren – für die Kinder im Alter von Vier bis Elf sind schon die vier Jahre seit Beginn ein fast unvorstellbarer Zeitraum – lässt ahnen, dass nicht irgendwelche Zugzusammenstellungen im Kreis oder in Achtern fahren. Nein, das Ziel ist hochgesteckt: Das Gemünden der 1930er Jahre samt Bahnhof und aller Gleisanlagen soll originalgetreu entstehen. Schon jetzt lässt sich sagen: eine Attraktion.
Da staunen die Kinder erst einmal, als sie den vielleicht halb fertigen Aufbau sehen. Die Scherenburg, der Marktplatz, der Bahnhof natürlich, aber auch unbekannte, weil im Krieg zerstörte Gassen und Häuser. Doch, ja, das ist Gemünden, – vom Main aus gesehen. „Ihr steht im Wasser“, scherzt Reinhold Weber.
Für Kinder und Erwachsene
Später, wenn es um den technischen Teil und die Anforderungen der Modelleisenbahn geht, wird es ihm schwerer fallen, die Aufmerksamkeit aller einzufangen. Nur bei den Älteren reicht die Konzentration für die angesetzten zweieinhalb Stunden. Aber immerhin: Zum ersten Mal haben die Modellbahnfreunde Kinder zu Gast – „Das machen wir gerne, wir lernen dabei“ – und am Ende wird Weber das Angebot machen, an ein oder zwei Samstagen den technischen Teil ausführlicher zu erläutern. Das sei für ihren Sprössling vielleicht weniger spannend, meint eine Mutter und fragt, ob ihr Mann teilnehmen dürfe. Darf er.
Reinhold Weber teilt sich die Erklärungen an dem Nachmittag mit Josef Buchberger. Günter Schipper bastelt derweil an den Bauwerken, für die es erst nur den Grundriss gibt, und die dann maßstabsgetreu (1:100) aus Pappe gefertigt, eingesetzt und mit Ansichten von alten Postkarten oder Fotos beklebt werden. Danach wiederum werden sie durch plastische Nachbildungen aus Sperrholz ersetzt. Edgar Wolf befasst sich „unter Tage“ mit der diffizilen Verkabelung zumeist aus Telefondraht. Die Bahnanlagen nutzen die gängige Spur H0 (Maßstab 1:87).
Hinzu kommen Karl Wolf und sein Enkel Kevin Frommelt – der 14-Jährige ist seit drei Jahren dabei und mit Abstand das jüngste Mitglied der Modellbauer im Museumsverein. An dem Nachmittag übernimmt er den Part des Fahrdienstleiters, lässt Züge auf den fertigen Teilen der Anlage fahren. Gesteuert wird vom Computer aus, die Anlage ist komplett digitalisiert. Alle analogen Lokomotiven werden von den Mitgliedern umgebaut, allein 47 hat der in Japan lebende, früher in Rieneck lebende Bernd Hirning dem Museumsverein für das Projekt geschenkt.
Auch Albin Schäfer schaut vorbei. Der Ehrenbürger und Mitinitiator der Huttenschloss-Hofgestaltung und der Modellbahn rechnet vor, dass die Anlage bei Fertigstellung einen Wert von 500 000 Euro haben werde, davon 100 000 Euro etwa an Materialwert. 2000 ehrenamtliche Arbeitsstunden leisten die Mitglieder pro Jahr. Ohne die jährliche Förderung aus der Kulturstiftung des Bezirks Unterfranken wäre das Vorhaben nicht zu verwirklichen, sagt Josef Buchberger und Albin Schäfer stimmt ihm zu.
Um die Aufmerksamkeit der Kinder immer neu zu wecken, stellt Reinhold Weber die Teststrecke der Modellbauer vor, ein Tisch mit einem einfachen Rundgleis, in und an dem alle Teile wie Weichen oder Signalanlagen getestet werden, bevor sie in einem der Sektoren der großen Anlage verbaut werden, und lässt sein Publikum an einem anderen Tisch auch selbst eine Strecke zusammenbauen und mit Loks befahren.
Der Höhepunkt aber ist eine in einen Waggon montierte Minikamera, die schon ein Stück weit durch Mini-Gemünden gefahren werden kann und Details der Häuserzeilen auf einem großen Bildschirm zeigt. Wenn die Anlage einmal fertig ist, soll die Kamera auf einem Modellauto durch Gemünden kurven, denn die Obertorstraße zum Beispiel wird dann aus dem Blickwinkel der Besucher nicht mehr einzusehen sein. Die originalgetreu nach 100 Jahre alten Ansichten und teils nach Befragung von Zeitzeugen mit Akribie nachgebauten Häuschen nicht bewundern zu können, wäre schade.
Wann denn mit der Fertigstellung zu rechnen sei, auf diese Frage hin wiegen die Modellbauer bedächtig den Kopf und verweisen auf den einmal selbst gesetzten Zeitrahmen von zehn Jahren. Reinhold Weber: „Ich sag' mal spaßhaft: Wenn alles fertig ist, macht's keinen Spaß mehr.“