Die Wildkatze ist längst wieder da, der Biber ebenso. Der Luchs hat dem Spessart vereinzelt auch schon einen Besuch abgestattet, der Wolf kommt näher. Während all diese tierischen Rückkehrer bereits für Schlagzeilen gesorgt haben, hat sich ein anderer ganz heimlich eingereiht in die Liste der Arten, die einst ausgerottet waren und jetzt wieder ihre angestammte Heimat zurückerobern: der Fischotter.
Er hinterlässt mittlerweile nicht nur an der Lohr bis hinauf in Aubach und Lohrbach regelmäßig seine Spuren. Auch in der Sinn und – so lassen es erste Hinweise vermuten – auch im Hafenlohrtal zieht der Fischotter wieder seine Bahnen.
Der erste Nachweis gelang Berit Arendt. Die Habichsthalerin ist Biberberaterin des Landratsamtes. Sie hat seit Jahren entlang der Gewässer Fotofallen installiert, eigentlich, um das Bibervorkommen zu erforschen. Doch 2012 tappte ein Wesen in eine der Fotofallen, das keinen breiten Biberschwanz hatte. Stattdessen huschte eine dünne, rundliche Rute durchs Bild. Die Experten waren sich einig: ein Fischotter.
Unverwechselbare Kothaufen
Durch den Zufallsfund aufmerksam geworden, gab die Regierung von Unterfranken eine Untersuchung in Auftrag, für die die Außenaufnahmen 2014 liefen. Da man den ausgesprochen heimlich lebenden Fischotter so gut wie nie zu Gesicht bekommt, musste man sich für die Datenerhebung einer anderen, zwar unappetitlichen aber zuverlässigen Methode bedienen: der Kotkontrolle. Die Häufchen lassen sich durch entsprechende Untersuchung zweifelsfrei dem Fischotter zuweisen, nicht zuletzt, weil sie Reste von Schuppen, Gräten, Fischknochen, Schalenteile von Krebsen oder sonstige Überbleibsel der Otternahrung enthalten.
Die Wassermarder haben die Eigenart, ihr Revier mit Exkrementen abzustecken. Die über Ottergenerationen hinweg genutzten Markierstellen finden sich vor allem unter möglichst höhlenartigen Brücken, wobei die Tiere kurioserweise ausgerechnet diejenigen bevorzugen, die sie trockenen Fußes unterqueren können.
Daher wurden alle infrage kommenden Bauwerke entlang von Lohr, Aubach, Lohrbach, Sinn, Brend, Premich und Nassach von einem österreichischen Ingenieurbüro für Wildökologie im vergangenen Oktober unter die Lupe genommen – insgesamt 224 Brücken.
An Lohr und Aubach fand sich an acht der untersuchten 38 Stellen Otterlosung. Am stärksten frequentiert war ein Bauwerk, unter dem man auf den ersten Blick kaum Otterleben vermuten würde: die Brücke der B26 über die Lohr in unmittelbarer Nähe zum Rexroth Werk I.
Auch an Saale bei Gräfendorf
Entlang der Sinn untersuchten die Wildökologen 56 Punkte, wobei sie in 13 Fällen zwischen Gemünden und Bad Brückenau Otterkot fanden, besonders viel unter einer Brücke in Burgsinn. Auch an der Mündung des Weizenbachs in die Saale bei Gräfendorf wurden die Experten fündig. Die Kotproben wurden vom Senckenberginstitut untersucht und eindeutig Ottern zugewiesen.
Trotz der mittlerweile zahlreichen Nachweise ist nicht von einer großen Zahl an Ottern auszugehen, denn die Tiere haben sehr große Streifgebiete. Allerdings gibt es mittlerweile offenbar schon Nachwuchs. Dr. Thomas Keller von der Naturschutzbehörde der Regierung von Unterfranken berichtet von Fotos, die im Umfeld der Sinn unmittelbar hinter der hessischen Grenze gelungen seien und drei Tiere zeigten, also wohl ein Muttertier mit Nachwuchs.
Doch wie kam der Otter zurück? Zum einen gibt es Mutmaßungen, wonach er nie ganz weggewesen sein könnte. Zum anderen wird auch über „Kofferraumotter“ spekuliert, also über Tiere, die aus Tierparks stammen und illegal entsorgt worden sein könnten.
Verbindung nach Ostbayern?
Keller indes hält es für wahrscheinlicher, dass der Otter auf natürlichem Weg zugewandert ist, beispielsweise aus Ostbayern, wobei der Main als Zubringer gedient haben könne. Jedenfalls gebe es Otternachweise auch aus dem Bereich Hassfurt; bei Volkach am Main sei ein Otter überfahren worden.
Der Otter ist bei seinen Wanderungen jedoch nicht zwingend an Wasser gebunden. Wenn das Gewässer zu Ende ist, begibt er sich zu Fuß auf Wanderschaft und überwindet Wasserscheiden hin zu neuen Ufern. Aus diesem Grund kündigt Keller auch weitere Untersuchungen in den nächsten Jahren an, wobei geprüft werden soll, ob der Otter vielleicht schon über den Spessart hinüber gewandert ist, beispielsweise in Richtung Kahlgrund.
Probleme sieht Keller in Verbindung mit dem Otter nicht. Rückmeldungen gebe es aus der Fischerei. Aus anderen Gebieten mit Ottervorkommen weiß Keller, dass beispielsweise Fischzuchtanlagen eingezäunt wurden. Sollten in dieser Richtung in hiesigen Gefilden Probleme auftauchen, wären diese sicher lösbar, so Keller.
Fischer sehen kein Problem
Der Lohrer Karl Scherer erwartet solche Probleme nicht. Zumindest nicht im Zusammenhang mit dem Fischotter. Der passionierte Naturbeobachter und Angler hat seit Jahren Fotofallen entlang der Lohr installiert, nicht zuletzt weil er bereits 2008 auf die ersten Otterspuren gestoßen war.
Auf den Fotos seiner Fallen sind es jedoch ganz andere Tiere, die regelmäßig mit dicken Fischen im Maul durchs Bild laufen: Waschbären. Die nächste Tierart also, die sich nicht als Heimkehrer, sondern als Zuwanderer seit vielen Jahren auch im Spessart ausbreitet.
Der Fischotter
Einem Sechser im Lotto kommt es gleich, wenn man einen Otter in freier Wildbahn zu Gesicht bekommt. Er lebt sehr heimlich und ist überdies vorwiegend nachtaktiv. Der Fischotter, der zur Familie der Marder zählt, ist inklusive Schwanz etwa 1,5 Meter lang und wiegt zwischen fünf und zehn Kilo. Die Tiere stellen hohe Ansprüche an die Wasserqualität und bevorzugen naturnahe Gewässer mit reicher Ufervegetation.
Der Fischotter frisst überwiegend Fische, aber auch Mäuse, Krebse, Muscheln Schnecken oder Frösche, insgesamt zwischen 500 und 1000 Gramm pro Tag.
In Deutschland wird der Fischotterbestand auf weniger als 1000 Tiere geschätzt. Aus Unterfranken ist der europaweit streng geschützte Wassermarder vermutlich in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts verschwunden. Früher wurde der Otter wegen seines dichten Fells gejagt, später drängte ihn die Zerstörung seine bevorzugten Lebensraums zurück.
Tragisch ist für den Fischotter mitunter, dass er nicht unter Brücken hindurch schwimmt. Dort, wo es unter den Bauwerken neben dem Gewässer keinen ausreichenden breiten Streifen gibt, auf dem der Otter trockenen Fußes die Brücke unterqueren kann, wechselt er über die Straße, wobei ihm der Verkehrstod droht. Im untersuchten Bereich von Sinn und Lohr gibt es jedoch nur eine solche Brücke, die nun eventuell nachgerüstet werden soll.