
Wer Rieneck kennenlernen will, der darf den Spaziergang auf den Herrgottsberg nicht auslassen. Mit 252 Metern Höhe überragt der Berg nicht nur das knapp 170 Meter hoch gelegene Sinntal deutlich. Selbst auf den Rienecker Schlossberg kann man vom Herrgottsberg hinunterschauen. Über die Dächer der Stadt hinweg, deren Zentrum auf dem Sattel zwischen den beiden Erhebungen liegt, genießt man vom Hergottsberg einen guten Blick auf die Burganlage am Schlossberg.

Der Herrgottsberg ist daher eine obligatorische Station bei den Stadtrallyes der Jugendlichen, die zum Schullandheim-Aufenthalt in der Burg weilen und die Stadt Rieneck erkunden. Die Erhebung am Rand des Spessarts ist aber auch regelmäßiges Ziel für die Einheimischen, gerade in der Osterzeit. Denn auf den Herrgottsberg führt ein Kreuzweg, auf dem traditionell am Karfreitag gebetet wird – zumindest dann, wenn das Wetter gut ist. Nur bei schlechtem Wetter zieht man in die Kirche um. Auch in diesem Jahr steht der Termin für den Kreuzweg wieder in der Gottesdienstordnung. Beginn ist um 9 Uhr.

Altarnische gehört noch nicht zum Kreuzweg
Wer die steile Treppe hinaufsteigt, die in der Straße Rotenberg beginnt, unmittelbar gegenüber vom Rathaus, kommt schon nach wenigen Stufen an eine Altarnische auf der rechten Seite. Unter einem Sandsteinbogen findet sich eine gemalte Ölbergszene. Die Altarnische stammt aus dem 19. Jahrhundert, wurde in späterer Zeit aber teilweise erneuert. Sie ähnelt zwar den Stationen, gehört jedoch noch nicht zum Kreuzweg.

Sie beginnen erst weiter oben, nach dem Ende der Treppe. Sie sind abwechselnd links und rechts des grasbewachsenen, nur manchmal durch Treppenstufen unterbrochenen Wegs angeordnet, der sich unter Bäumen schnurgerade den Hang hinaufzieht. Die 14 Stationen sind alle nach dem gleichen Schema gestaltet.

Den Sockel bildet jeweils ein aus Sandsteinen gemauerter Tisch, abgeschlossen durch eine überkragende Platte. Darauf steht eine hinten geschlossene Nische mit einem Rundbogen aus Sandstein, jeweils von einem eisernen Kreuz gekrönt. In den Nischen finden sich die eigentlichen Kreuzweg-Darstellungen, 14 gusseiserne Platten mit farbenfroher Bemalung auf vergoldetem Hintergrund.

Soldatenschilde mit Donnerkeil
Christus trägt weiße Gewänder mit einer goldenen Borte. Maria hat ein rotes Kleid an unter dem blauen Mantel. Auch ihre Gewänder tragen eine goldene Borte, allerdings schmäler als bei Jesus. Veronika, die Jesus auf der Tafel der sechsten Station das Schweißtuch reicht, könnte in ihrem blauen Mantel fast mit Maria verwechselt werden. Ihrer ist im Unterschied zu dem grün gefütterten Marias innen jedoch rot gefüttert. Darunter trägt Veronika ein grünes Kleid. Sie hat außerdem, anders als Maria und Jesus, keinen Heiligenschein.

Der römische Statthalter Pontius Pilatus ist an der ersten Station durch einen Kranz aus goldenen Blättern auf dem Haupt gekennzeichnet. Seine Soldaten tragen am Oberkörper einen Schuppenpanzer und auf dem Kopf verzierte Helme mit einem kurzen roten Federbusch obenauf. Ihre Schilde sind mal oval, mal achteckig. Auf einigen ist ein großer Donnerkeil abgebildet, manchmal sogar vergoldet.

Zwei künstliche Grotten
Nicht zum eigentlichen Kreuzweg gehören die beiden aus Bruchstein künstlich gemauerten Marien-Grotten mit ihren Madonnenfiguren im Stil der Lourdes-Madonna. Die ältere Grotte findet sich auf Höhe der zweiten Station links vom Kreuzweg. Im Jahr 2002 hat sie der Verschönerungsverein Rieneck restauriert, wie auf einem Bildstock vor der Grotte zu lesen ist. Die zweite Grotte findet sich auf halber Höhe rechts des Kreuzwegs.

Sie entstand im Rahmen der Flurbereinigung, als die untere Grotte eigentlich aufgegeben werden sollte. Die neue Grotte steht am Wendeplatz eines Flurwegs, der von der Straße Hergottsberg um die Südseite des Berges zieht. Frauenbund und Verschönerungsverein haben dort im vergangenen Jahr einen überdachten Rastplatz geschaffen.

Auch um die Nordseite des Bergs zieht sich auf dieser Höhe ein vergleichbarer Flurweg, der ebenfalls an einem Wendeplatz kurz vor dem Kreuzweg endet. Ursprünglich sollten beide Wege einen durchgehenden Ring um den Herrgottsberg bilden und den Kreuzweg unterbrechen, erinnert sich Diakon Walter Konrad. Zum Glück konnte das abgebogen werden, erzählt er. Konrad hat in einem kleinen Büchlein Gedanken und Gebete zum Kreuzweg auf den Herrgottsberg zusammengestellt.

Abschluss an der Kreuzkapelle

Den Abschluss des Kreuzwegs bildet die Kreuzkapelle, nur wenige Meter vom höchsten Punkt des Herrgottsbergs entfernt. Der weiß verputzte Bau, ein kleiner Saal mit einem angebauten rechteckigen Chorraum, stammt ausweislich einer Jahreszahl aus dem Jahr 1792. Er ersetze eine wesentlich ältere Kapelle, trägt doch der Berg schon Jahrhunderte vorher den Namen „Herrgottsbürg“, wie in der Rienecker Chronik von Richard Elzenbeck nachzulesen ist. Ein Sandsteinrelief aus der alten Kapelle wurde gerettet und in den Altartisch des Neubaus eingemauert. Es zeigt die Anbetung der heiligen drei Könige.

Die Kreuzkapelle trägt auf dem Giebel ihres roten Ziegeldachs ein kleines Türmchen mit einer Zwiebelhaube aus schwarzen Schieferplatten. Neben der Kapelle steht noch ein großes Kruzifix, das im Jahr 1900 errichtet wurde, wie die Inschrift auf dem Sockel verrät. Aus dieser Zeit stammt laut dem Landesamt für Denkmalpflege auch der Kreuzweg auf den Herrgottsberg. Dessen gusseiserne Bildtafeln wurden übrigens auch auf dem Friedhof in Burgsinn verwendet. Dort sind sie jedoch in spitzbogige Blendnischen in die Friedhofsmauer eingelassen.

Wer sich mit dem Rienecker Herrgottsberg noch weiter beschäftigen will, könnte eine Runde auf dem Besinnungsweg wandern. Er führt zu in Stein gemeißelten Texten bekannter Persönlichkeiten, von der Heiligen Elisabeth über Clemens von Brentano bis zu den in Rieneck geborenen Dichtern Anton und Friedrich Schnack.