Mitte Januar wurde die Stadt Marktheidenfeld vom Amtsgericht München über das Erbe unterrichtet, teilte sie nun in einer Presseerklärung mit. Die Münchnerin Amalia Erna Kaufmann (1921-2004) hatte in ihrem Testament der Stadt Marktheidenfeld "Kunstwerke" vermacht. In den Telefonaten mit der Testamentsvollstreckerin erfuhren die Marktheidenfelder, dass es sich um Kunstwerke von Valentin Kaufmann handelt, und zwar um "die kleinste Bibliothek der Welt".
Valentin Kaufmann wurde am 21. November 1891 in Lengfurt am Main geboren. Kaufmann erlernte das Zimmermannshandwerk und war seit 1914 bei der Stadt München im Feuerwehrdienst tätig. Er verstarb am 27. Dezember 1956. Er war verheiratet mit Therese Kaufmann. Aus dieser Ehe ging Amalia Erna hervor, die jetzige Erblasserin.
Die "kleinste Bibliothek der Welt" entstand wegen einer Wette in geselliger Runde. 1935 diskutierte Kaufmann mit Freunden über den Weltrekord im Miniaturschreiben. Von diesem Gespräch angestachelt, machte sich Valentin Kaufmann an die Arbeit und stellte schon bald den Weltrekord ein. Auf der zum Nachlass gehörenden Postkarte "No. 6" brachte er unvorstellbare 12 515 Buchstaben, 2252 Wörter und 30 Zahlen unter.
Neben Postkarten, auf denen er fast den kompletten Inhalt einer Zeitung unterbrachte, beschrieb Kaufmann Streichhölzer, Knöpfe und Briefmarken und fertigte schließlich auch ganze Bücher, Miniaturbücher, an.
So entstand über die Jahre die kleinste Bibliothek der Welt. Jedes der nun der Stadt vermachten elf Bücher ist in Leder gebunden, mit einer Schließe und Goldschnitt versehen. Zehn von ihnen sind in einer eigenen Buchkassette untergebracht. Das "kleinste Buch der Welt" aber findet Platz in einer Haselnussschale. Es ist 9,5 mal 7,5 Millimeter groß. Auf 94 von 98 Seiten, in 720 Zeilen, mit 7167 Buchstaben schildert Kaufmann darin vier Begebenheiten: die Entstehung der Frauenkirche, die Entstehung des Münchener Oktoberfestes, den Guss der Bavaria und die Entstehung des Münchner Volksliedes "Der alte Peter".
Für seine außerordentliche Schreibkunst fand Kaufmann weltweite Anerkennung. Trotz beachtlicher Angebote trennte er sich aber nicht von seinen Kunstwerken. Eines seiner Miniaturbücher mit Dokumenten und Texten zur Geschichte der Stadt München erhielt Papst Pius XII. 1950 zum Geschenk. Er ließ es neben dem größten Buch der Welt im Vatikanischen Museum ausstellen. Zu dieser Zeit gab es viel beachtete Ausstellungen seiner "kleinsten Bibliothek der Welt", unter anderem im November 1951 anlässlich Kaufmanns 60. Geburtstags in seiner Heimatgemeinde Lengfurt.

Der für Marktheidenfeld bestimmte Nachlass besteht neben den elf Miniaturbüchern und beschriebenen Streichhölzern und Postkarten, aus einer Vielzahl von Fotos, Zeitungsausschnitten, Dokumenten und Arbeitsmaterialien. Der Nachlass wird zunächst im Archiv der Stadt erfasst und dann in geeigneter Weise präsentiert. Damit entspricht die Stadt Marktheidenfeld der Auflage, das Andenken von Valentin Kaufmann zu bewahren.