Entspannt liegt die kleine Lina auf der Behandlungsliege. Mit wachem Blick guckt der Säugling in das Gesicht der Physiotherapeutin. Behutsam dreht diese Lina jetzt auf den Bauch, um sich ihren Hinterkopf anzuschauen. Vor sieben Wochen kam Lina auf die Welt. Sie hatte eine schwere Geburt und musste mit der Saugglocke geholt werden. An ihrer linken Kopfhälfte entstand durch den Druck ein Hämatom. "Das hat ihr Schmerzen bereitet, vor allem beim Liegen", erzählt ihre Mutter Jennifer Mauler. Um dem Schmerz zu entgehen drehte Lina den Kopf immer nach rechts. Und wurde zur Dauer-Rechtsguckerin.
"Wir haben schnell gemerkt, dass wir da alleine nicht weiterkommen", erzählt Jennifer Mauler. Sie wandte sich an die Kinder-Physiotherapeutin Sina Vogel. Diese zeigte ihnen, wie sie Lina durch kleine, aber wirksame Handgriffe im Alltag, zum Beispiel beim Tragen, Wickeln oder Stillen unterstützen konnten, wieder zur Linksguckerin zu werden. "Unbehandelt kann so etwas zu einer dauerhaften Fehlhaltung führen", erläutert Sina Vogel. Mit welch unterschiedlichen Leidensgeschichten bereits Säuglinge und Kinder kommen, hat sie während ihrer Zeit in der Kinderphysiotherapie in der Caritas-Klinik Bad Mergentheim kennengelernt. Eine Station auf dem Weg zu ihrem Wunschberuf.
Selbstständig, als junge Mutter? Wenn nicht jetzt, wann dann!
"Ich habe schon in der Ausbildung gemerkt, dass ich Kindertherapeutin werden möchte", erzählt die Lengfurterin. Also schlug sie nach dem Ausbildungsende diesen Weg ein, sammelte zwei Jahre Berufserfahrung, eins davon mit Kindern, absolvierte dann die zehnwöchige Zusatzausbildung in der Kinder-Bobath-Therapie. 2018 machte sie ihren Abschluss. 2020 wurde sie selbst Mutter. Ihre Tochter ist mittlerweile 16 Monate alt.
"Wegen der Familie wollte ich zukünftig lieber in der Region arbeiten", erzählt sie. Über den Kontakt zu Ergo- und Tanztherapeutin Astrid Adam in erfuhr sie von der vakanten Physiotherapie in deren Gemeinschaftspraxis in Marktheidenfeld. Sie habe lange überlegt: Sich selbstständig machen, als junge Mutter? Doch dann überwog der Gedanke: Wenn nicht jetzt, wann dann! Ab 1. Juli ist die 32-Jährige nun in der Gemeinschaftspraxis mit im Boot, behandelt hier Kinder und Erwachsene.
Seit 2016 hat Astrid Adam ihre Ergotherapie-Praxis mit Therapeuten aus der Logopädie und Physiotherapie erweitert. Durch den Rückzug der Sparkasse aus dem Gebäude in der Vorderbergstraße/Ecke Baumhofstraße übernahm sie sukzessive immer mehr Räume. Sie freut sich auf die Zusammenarbeit mit Sina Vogel. "Ich denke wir profitieren voneinander, denn Kinder mit Verhaltensauffälligkeiten, die zur Ergotherapie kommen, haben oft auch körperliche Beschwerden", so Astrid Adam. Zudem wollen die Therapeuten Vorträge in der Praxis oder auch in Kindergärten anbieten, zum Beispiel für werdende Eltern. "Sodass manche Probleme erst gar nicht entstehen", sagt Sina Vogel.

Denn manches fällt erst spät auf. Wie zum Beispiel bei Luis Burda. Der Fünfjährige macht seit zwei Jahren bei Astrid Adam Ergotherapie. "Bei Luis ist mit Kindergarteneintritt erkannt worden, dass seine Entwicklung verzögert ist", erzählt seine Mutter Linda Burda. Manche Reflexe mussten integriert werden, an Konzentration und Ausdauer gearbeitet. Mittlerweile hat Luis sehr gut aufgeholt. Wichtig dabei sei auch die Mitarbeit der Eltern als Co-Therapeut. Aus diesem Grund arbeitet Astrid Adam mit Videoaufnahmen, die sie in Lern- oder Spielsituationen daheim machen lässt und die dann gemeinsam besprochen werden: Was können Eltern hier anders, besser machen.
Enge Zusammenarbeit mit den Eltern ist unerlässlich
Auch für Sina Vogel ist die Zusammenarbeit mit den Eltern unerlässlich. "Ich erkläre den Eltern bei der Therapie auch immer genau, was ich am Kind mache, damit sie nicht erschrecken", sagt sie. Eine Therapie-Puppe hilft den Eltern zudem, manche Handgriffe erst einmal zu üben, bevor sie sie am Kind anwenden. Mutter Jennifer Mauler hat zum Beispiel die Heiligenschein-Technik beim Anziehen von Lina sehr geholfen. Anstelle die Anziehsachen, wie zum Beispiel Pullover oder Bodies, von vorne über den Kopf zu stülpen, werden sie rund um die Kopföffnung zu einem Kreis hochgekrempelt und das Kind von der Seite daraufgerollt. So muss das Köpfchen beim Anziehen nicht angehoben werden, was verkrampfte Rücken- und Halsmuskeln schont. Handgriffe am Kind, um Muskelpartien zu dehnen, darf aber nur die Therapeutin machen.
Aber nicht nur Neugeborene kommen auf die Liege der Kinder-Physiotherapeutin. Das Altersspektrum reicht bis ins Schulalter. Hier machen sich oft Haltungsproblematiken bemerkbar, wie zum Beispiel derzeit durch das viele Sitzen im Homeschooling verursachte Kopfschmerzen. Sina Vogel arbeitet darüber hinaus auch mit der Frühförderstelle Main-Spessart und dem Blindeninstitut Würzburg zusammen. Der Bedarf gerade im Kinderphysiobereich sei hoch, dafür würden manche Eltern weite Strecken in Kauf nehmen.