Nach nicht einmal zwei Jahren verlässt Imam Halil Sanli Ende September die Türkisch-Islamische Gemeinde (DITIB) in Marktheidenfeld. Der junge Vorbeter, der Anfang des Jahres 2018 aus der westanatolischen Stadt Afyon an den Main gekommen war, hat sich in den vergangenen Monaten mit mehreren Prüfungen in der Türkei für einen längeren Aufenthalt in Deutschland qualifiziert. Dies hat aber zur Folge, dass er nun für weitere drei Jahre von der staatlichen türkischen Anstalt für Religion zu einer größeren DITIB-Gemeinde im baden-württembergischen Göppingen versetzt wurde.
Dies bedauern der Marktheidenfelder Vorsitzende des Türkisch-Islamischen Vereins, Vedat Karakoc, und der Integrationsbeauftragte Cevat Keceli besonders, denn man sei mit Sanli sehr zufrieden gewesen. Es sei ein großer Vorzug gewesen, dass der Imam ein wenig Deutsch sprach und seine Ansprachen beim wöchentlichen Freitagsgebet vor der Gemeinde in der Marktheidenfelder Istiklal-Moschee sowohl in türkischer als auch in deutscher Sprache halten konnte. Nicht jeder gläubige Muslim in der Stadt verstehe nämlich Türkisch in ausreichendem Maß.
Größere Stadt, neue Schule, neue Lehrer
Auch Halil Sanli selbst macht der Weggang ein wenig traurig. Schließlich brachte seine Frau Derya in der Zeit in Marktheidenfeld ihre vierte Tochter zu Welt. Die Familie müsse sich nun in nur kurzer Zeit wieder in einer größeren Stadt eingewöhnen und einleben. Für die Mädchen heiße das auch neue Freunde, neue Lehrer und Kindergärtner. Ganz einfach sei das alles natürlich nicht.
Dabei hatten sich Sanli und seine Familie in Marktheidenfeld sehr wohl gefühlt. Alles sei sehr ruhig und schön gewesen, die kleine Stadt und die Begegnung mit sehr netten Menschen, sagt der Vorbeter. Etwa 335 Gläubige aus rund 130 Mitgliedsfamilien habe er bislang zu betreuen gehabt, in Göppingen werde das wohl das Vierfache sein, schätzt er.
Er findet es einen Vorzug, dass in Deutschland gläubige Muslime ihren Glauben wie in der Türkei leben könnten. Der große Zusammenhalt in der Marktheidenfelder Gemeinde sei ein weiterer Vorteil gewesen. Man habe ihn bestens unterstützt. Dass er die Jugendarbeit nicht so ausbauen konnte, wie er ursprünglich wollte, bedauert Sanli. Aber das sei eben so wie bei anderen Glaubensgemeinschaften auch. Vieles wirke heute auf junge Menschen ein. Neben der Arbeit zählten Sport und Freizeit sehr viel.
Mucksmäuschenstill während des muslimischen Gebetsrufs
Was den Imam nachhaltig beeindruckte, war die Einladung der Katholischen Kantorei am Ende des Jahres 2018, bei der Aufführung des Werks "The Armed Man: A Mass for Peace" von Karl Jenkins den muslimischen Gebetsruf vorzutragen. Mucksmäuschenstill sei es da in der St.-Josef-Kirche geworden und er habe gespürt, wie aufmerksam die rund 600 Konzertbesucher im Programmheft die traditionellen Worte in der Übersetzung verfolgten. "Und das obwohl es so unheimlich kalt in dieser großen Kirche war", schmunzelt er. Es sei aber ein ausgezeichneter Anlass gewesen, für etwas eigentlich ganz Selbstverständliches unter den Menschen und Völkern zu werben: Zusammenhalt und Frieden.
Marktheidenfeld werde Sanli in bester Erinnerung behalten und sicher öfter einmal auch die Stadt mit ihrer türkisch-islamischen Gemeinde besuchen, fasst der 34-Jährige seine Eindrücke zusammen. Im Gemeindezentrum wartet man allerdings schon gespannt darauf, wann der DITIB-Gemeinde aus der Türkei ein neuer Imam für zwei Jahre zugewiesen werden wird. Bis dahin stehen aber befreundete Vorbeter als Aushilfen zur Verfügung.
Am Donnerstag, 3. Oktober, lädt die Türkisch-Islamische Gemeinde (DITIB) interessierte Bürger zu einem Tag der Offenen Moschee in ihr Gemeindezentrum in der Udo-Lermann-Straße ein. Von 11 bis 17.30 Uhr gibt es Führungen durch die Istiklal-Moschee und Gesprächsmöglichkeiten über den Islam.