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ESSELBACH/HELMSTADT: Drei Wochen im Sattel

ESSELBACH/HELMSTADT

Drei Wochen im Sattel

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    Nichts mit Zigarette und Marlboro-Hut: Das Handy und die Landkarte gehören zum unverzichtbaren Wegbegleiter von Egon Martin auf seinem langen Weg durch die Weite der Natur.
    Nichts mit Zigarette und Marlboro-Hut: Das Handy und die Landkarte gehören zum unverzichtbaren Wegbegleiter von Egon Martin auf seinem langen Weg durch die Weite der Natur. Foto: Foto: JoAchim Schwamberger

    Er ist nicht der „lonesome Cowboy“, der einsame Reiter, der gleichsam nur als Schatten erkennbar im abnehmenden Dämmerlicht dem glutroten Horizont des Sonnenuntergangs entgegen zieht. Froh ist er, ebenso wie sein Pferd, wenn er sich am Spätnachmittag „im Stall“ von einem langen Tagesritt erholen kann.

    Jung sind beide nicht mehr. Egon Martin steht immerhin im 74. Lebensjahr; sein „Elstar“ hat auch schon stolze 22-mal Sommer und Winter erlebt. Das hat sie aber nicht davon abgehalten, einen dreiwöchigen Wanderritt zu starten.

    Losgeritten sind die beiden Kameraden am 16. September in Hallbergmoos bei Freising nahe München. Zum Oktoberfest wollten sie und weitere Mitglieder des Kutschenclubs Neuenrade aus dem Märkischen Kreis im Sauerland den Einzug der Festwirte mit ihren prächtigen Gespannen genießen.

    Egon zog jedoch einen Solo-Ritt der Kutschfahrt vor. „Warum nicht einfach auch nach Hause reiten?, fragte ich mich spontan, sehr zur Verwunderung meiner anderen Begleiter. Schließlich habe ich schon mehrere Distanz- beziehungsweise Wanderritte hinter mir.“

    Der gelernte Tischler machte auch gleich Nägel mit Köpfen. Einen Tag nach seinem Entschluss legte er seinem vierbeinigen Gefährten den alten, aber hochwertig reparierten Militärsattel von 1937 und die weiche Satteldecke auf, packte sich zwei Garnituren Unterwäsche ein, Socken, drei Drillich-Hosen, Baumwollhemden und was man sonst noch braucht, wenn man den ganzen Tag zu Pferd unterwegs ist.

    „Als Reiter findet man überall Freunde, die Ross und Reiter Quartier geben. Da hatte ich keine Bedenken“, sagt der kernige Mann, der aus Mecklenburg-Vorpommern stammt und 1957 abgehauen ist in den Westen. „Das ging damals noch, weil der Eiserne Vorhand noch nicht zugezogen war.“

    Am Dienstag dieser Woche traf er auf dem Reiterhof Konrad in Oberwittighausen ein. Den hatte ihm sein vorheriger Quartiergeber als besonders gastfreundlich empfohlen. So war es auch. „Nicht nur Kost und Logis bekam ich da; die Hausfrau hat auch meine Wäsche gewaschen“, erzählt Egon Martin dankbar. Die Konrads schickten ihn dann am nächsten Tag weiter nach Helmstadt zu Brigitte und Bernd Schätzlein. Und die wiederum informierten Heike und Jürgen Rüppel in Esselbach. Die haben eine kleine Pferdepension oben Am Trieb. „Elstar“ nächtigte dort im Stall; Egon verbrachte die Nacht gut bewirtet im Wohnhaus am Welzengraben.

    Frisch geduscht und gestärkt ging es am Donnerstag früh weiter in Richtung Rothenbuch. Vorher aber wartete die morgendliche Pflicht auf den Wanderreiter: Jeden Tag müssen der getrocknete Schweiß und der Staub aus dem Fell des Pferdes gestriegelt werden. Leicht verkrusten beide und fügen dem Tier schmerzhafte Wunden durch Reiben unter Satteldecke oder Sattelgurt zu.

    Über den Wachengrund, das Hafenlohrtal und Lichtenau trabten die Zwei weiter in Richtung Rothenbuch. Dort wartete bereits ein weiterer Pferdefreund auf den wackeren Reitersmann. Egon Martin fasziniert die fränkische Landschaft. Die weiten Fluren lassen seine Gedanken zur Ruhe kommen, machen den Kopf frei. Der Main regt Geist und Körper zum Weitermachen an. Nur der Spessart ist ihm – trotz seiner topografischen Vielfalt – ein wenig zu berg- und talgeprägt. Deshalb steigt er auch ab, wenn es steil abwärts geht. „Mein Gewicht macht ihm schon zu schaffen. Manchmal schaut Elstar mich an, als wolle er sagen, dass ich besser nebenher gehen soll.“

    Auch die geschotterten Waldwege sind nicht das beste Geläuf. Eher bevorzugt Egon Martin begraste Feldwege oder geteerte Radwege und manchmal auch Straßen. Orientiert hat sich Egon Martin anhand von Karten aus dem Internet. Trotzdem verreitet er sich manchmal, aber nicht so, dass sein Zeitplan durcheinanderkommen könnte. „Irgend jemanden trifft man immer, den man nach dem Weg fragen kann.“

    Bis jetzt hat er alle Ziele gefunden. Am 8. Oktober wollen Ross und Reiter zu Hause in Neuenrade sein.

    Wanderreiter

    Egon Martin ist leidenschaftlicher Pferdefreund. Seit dem Tod seiner Frau vor einigen Jahren widmet er sich seinem Hobby noch intensiver. Rund 630 Kilometer beträgt die Strecke seiner Tour von Hallbergmoos bei Freising zu seinem Heimatort Neuenrade (Sauerland). Täglich schaffen sie etwa 30 bis 35 Kilometer. Ihre jeweiligen Quartierleute informieren am Tag vorher die Pferdefreunde im nächsten Zielort über die bevorstehende Ankunft von Ross und Reiter.

    Das Vollblut „Elstar“ sollte eigentlich als Traber ausgebildet werden, war aber zu langsam und auch für die Zucht nicht optimal. Seit 15 Jahren steht es im Stall von Egon Martin. Als Kraftfutter benötigt der Wallach „eine Schippe Hafer, ansonsten am Abend Heu, außerdem frisst er unterwegs Gras“, so der Besitzer. Text: Josch

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