Die allgemeinmedizinische Versorgung in Steinfeld ist weiterhin gewährleistet. Der in Urspringen beheimatete Dr. Michael Brack wird zum 1. April die Praxis von Dr. Norbert Hartmann als Filiale übernehmen. „Unser Ziel war es, dass auf der fränkischen Platte nicht alles ausblutet“, nennt Michael Brack, der seit September 1993 in Urspringen praktiziert, den Beweggrund für die Übernahme.
Landarzt Hartmann wird bald 70 und wollte schon lange aufhören
Bereits seit etwa vier Jahren trägt sich Norbert Hartmann, der in fünf Monaten seinen 70. Geburtstag feiern wird, mit dem Gedanken, seine Praxis in Steinfeld aufzugeben. Seit nunmehr 32 Jahren, genauer gesagt seit 1. Januar 1986, betätigte er sich als Allgemeinmediziner in dem 1300-Seelen-Ort, aber auch für viele Patienten aus umliegenden Dörfern. Anfangs war die Praxis im Alten Kindergarten in der ehemaligen Schwesternwohnung untergebracht. Seit 22 Jahren befinden sich die Räumlichkeiten nun am Kirchplatz. Vier Angestellte zählen mit zum Team, darunter auch Hartmanns Ehefrau Magda.
Die Suche nach einem Nachfolger oder eine passende Lösung erwies sich jedoch als schwierig. Bei einer Fortbildungsveranstaltung in Bayreuth kam Norbert Hartmann schließlich vor wenigen Jahren mit dem im Nachbarort praktizierenden Michael Brack ins Gespräch. Überlegungen für eine Kooperation, eine überörtlichen Praxisgemeinschaft oder ein Medizinischen Versorgungszentrum standen im Raum. Gesetzliche Änderungen und rechtliche Vorgaben erschwerten jedoch den Entscheidungsprozess. Schließlich entschieden sich die beiden dafür, die Steinfelder Praxis als Filiale zur Urspringer Zentrale fortzuführen.
Ein Glücksfall: Schönefelds Mann kam aus beruflichen Gründen nach Lohr
„Das Hauptproblem war jedoch, jemanden zu finden, denn ich kann mich ja nicht teilen“, macht Brack mit einem Schmunzeln deutlich. Als „absoluten Glücksfall“ bezeichnet der Urspringer daher seine Kollegin Dr. Christina Schönfeld. Seit zweieinhalb Jahren arbeitet die 40-Jährige in Urspringen mit und absolvierte hier ihre zweijährige Weiterbildung zur Allgemeinmedizinerin in der Praxis von Michael Brack. „Von Haus aus bin ich Fachärztin für Neurochirurgie“, erklärt Schönfeld. Nachdem sie ihre beiden Kinder bekommen hatte und mit ihrem Mann aus beruflichen Gründen nach Lohr gezogen war, arbeitete sie anfangs in Aschaffenburg. Um jedoch Beruf und Familie besser unter einen Hut zu bekommen, entschied sie sich für die Ausbildung zur Allgemeinmedizinerin.
„Nachdem wir uns ein halbes Jahr beschnuppert hatten, habe ich gewagt, sie zu fragen, ob sie sich die Sache mit Steinfeld vorstellen könne“, erinnert sich Brack an die Anfänge. „Das war meine letzte Chance. Alleine hatte ich es schon abgeschrieben“, macht der 57-Jährige die prekäre Lage deutlich. „Ich musste nicht lange überlegen und habe zugesagt“, erklärt Schönfeld und verweist auf die Vorzüge des Modells. Denn einerseits könne sie eigenständig arbeiten, andererseits könne sie auch von der Erfahrung des Kollegen profitieren. So wird sie sich künftig immer vormittags in der Steinfelder Praxis um die Patienten kümmern, mit Ausnahme von Mittwoch. Da wird sie die Hausbesuche übernehmen.
Für Nachfolger Brack gab es viel bürokratischen Aufwand zu meistern
Mittwochvormittags und am Montagnachmittag wird Brack selbst die Sprechstunde in Steinfeld übernehmen. In Urspringen, wo die Sprechzeiten in der Vergangenheit bereits angepasst wurden, soll es keine Veränderungen geben. „Wir werden schauen, wie sich alles einspielt und dann eventuell noch nachjustieren“, erklärt Brack, der in den letzten Monaten eine Menge bürokratischen Aufwand mit zahlreichen Anträgen und Genehmigungen absolvieren musste.
Während es für die Filialpraxis unter seiner Leitung also ab nächster Woche losgeht, stehen für Magda und Norbert Hartmann in dieser Woche die letzten Abrechnungen, das Ausräumen von persönlichen Dingen und die Übergabe an. „Wir gehen mit einem weinenden und einem lachenden Auge“, sagt Magda Hartmann, die am Empfang stets ein offenes Ohr für die Anliegen der Patienten hatte. Und auch ihr Mann gibt zu, dass ihn ein wenig Wehmut befällt. Denn immerhin habe er zahlreiche Familien über vier Generationen begleitet und in dieser Zeit viele Krankheitsgeschichten hautnah miterlebt.
Abschied nach über 30 Jahren mit Freude, aber auch mit ein wenig Wehmut
„Letzte Woche waren zwei Patienten hier, denen sind beim Abschied die Tränen gekommen“, erzählt Norbert Hartmann mit wehmütiger Stimme. Und was wird er ab April machen? „Da bin ich dann ganz normaler Bürger“, verkündet der Steinfelder mit einem Grinsen und zählt all die Dinge auf, die er sich für den Ruhestand vorgenommen hat. „Den Geburtstag meiner Frau feiern, vermehrt um die Enkelin kümmern, ein Treffen der Großfamilie organisieren oder einfach einmal eine Vortragsveranstaltung besuchen“, zählt Hartmann eine lange Liste an Vorhaben auf.
Zudem ist Hartmann auch ehrenamtlich stark eingespannt: Er engagiert sich beim örtlichen Männergesangverein und ist stellvertretender Vorsitzender eines Würzburger Vereins, der im afrikanischen Guinea Entwicklungsarbeit leistet. Langweilig wird dem Steinfelder also im Ruhestand nicht werden. Und außerdem – bereits jetzt ist er im Krankheitsfall als Vertretung an alter Wirkungsstätte fest eingeplant.