Seit 32 Jahren teilt sie das Leben der Massai im Norden von Tansania. Ohne Chef und Terminkalender, aber auch ohne festen Wohnsitz, sauberes Wasser und andere Annehmlichkeiten unserer westlichen Welt. Dennoch würde die 59-jährige Angelika Wohlenberg-Kinsey mit niemandem tauschen wollen. Hier ist ihr Platz: als Hebamme, Lkw-Fahrerin, Missionarin, Krankenschwester und Kämpferin gegen die Mädchenbeschneidung, als Internatsgründerin und Schulleiterin. Die Massai lieben und verehren sie wie eine Heilige und gaben ihr den Namen „Mama Massai“.
Mit viel Mut, Humor, Einfühlungsvermögen und ihrem Glauben hilft sie ihnen, Veränderungen zu wagen und doch Massai zu bleiben – Menschen mit einer unverwechselbaren Kultur. Auf ihrer vierwöchigen Vortragsreise durch Deutschland machte Wohlenberg-Kinsey jetzt mit vier Massai und zwei Kindern Halt in der Mittelsinner Jakobuskirche, dem einzigen Stopp in Unterfranken.
Von Trommelgruppe begrüßt
Pfarrer Gunnar Zwing, den eine tiefe Freundschaft aufgrund seiner ehemaligen Tätigkeit in Tansania mit Schwester Angelika verbindet, hieß in der voll besetzten Pfarrkirche besonders die afrikanischen Gäste willkommen. Diese staunten, als sie mit vertrauten Klängen der Djemben von der Trommelgruppe Mittelsinn/Obersinn begrüßt wurden.
1997 gründete Wohlenberg-Kinsey mit Freunden den Verein „Hilfe für die Massai“, ein Entwicklungs- und Bildungsprojekt, und arbeitet seitdem vorrangig im Nordmassailand, Distrikt Ngorongoro. Die aus dem nordfriesischen Breklum stammende Krankenschwester und Hebamme betreut evangelistische Einsätze, Entwicklungsprojekte wie Schulausbildung, Frauenprojekte und Gesundheitsförderung.
In einem Film- und Bildervortrag zeichnete Schwester Angelika die Massai als völlig offen und frei, die ihre Meinung unverblümt aussprechen. Die Hauptverwaltung des Entwicklungsprojekts, welches ausschließlich von Spenden und Patenschaften aus Deutschland finanziert wird, befindet sind in Arusha im Nordosten Tansanias. 300 Kilometer weiter, rund acht Stunden Fahrt auf schlechten staubigen Straßen liegt Malambo, ihr Einsatzgebiet.
Schule in Malambo gegründet
Dort, am Rande der Serengeti, gründete sie die Naserian English Medium Primary School, in welcher 700 Kinder unterrichtet werden. Die Kids kommen aus dem typischen Massaiumfeld und die Mädchen genießen plötzlich Wertschätzung. Das Ziel: „Die Massai sollen ihre Zukunft in die eigene Hand nehmen“.
Zur Schule gehört auch ein Waisenhaus mit 25 Kindern. „Die Massai brauchen unbedingt Bildung, damit sie für ihre Rechte einstehen können und später eine Chance auf eine Berufsausbildung haben“, so Schwester Angelika. Alle Kinder haben eine Patenschaft, die 30 Euro im Monat kostet. „Wir hatten immer genug zu essen um zu überleben“, sagt Wohlenberg-Kinsey.
Vor Ort arbeitet Schwester Angelikas Crew mit den Evangelisten zusammen und schöpft selbst ihre Energie aus dem Glauben. Mit ihrem Lebensmotto „Ich mache alles im Namen Jesu mit einem unerschrockenen Herzen“ sei sie bislang bestens gefahren, unterstreicht sie. Gottesdienste werden einfach unter einer Schirmakazie gehalten und dauern oft stundenlang.
Dann stellten sich die Massai selbst vor: So war Jona früher ein Krieger, Issak arbeitet als Evangelist und Chris ist der Tausendsassa des Camps. Die hübsche Rehema wurde bereits früh Witwe; mit 15 wurde sie mit einem 70-jährigen zwangsverheiratet. Die achtjährige Rebekka lebt im Waisenhaus und die 19-jährige Nemboun ist auf der Eliteschule. Ihre Lebensfreude deutlich wurde bei den Liedern und den Musikstücken, begleitet von Juchzern und Luftsprüngen.
Erst nach zehn Jahren habe sie die ersten Veränderungen beim Volk der Massai erkannt, berichtete Schwester Angelika: Sie wurden sauberer. Die Frauenbeschneidung konnte erst nach 20 Jahren eingedämmt werden. Überall in ihrem Distrikt ist sie für ihre rasante Fahrweise bekannt und erhielt den Beinamen „Sister Haraka“ (schnelle Schwester). Auf dem neuesten Gefährt, einer 250 ccm-Honda, wird schon mal eine Ziege auf dem Schoß mitgenommen. Ihr Jeep ist immer voll: Es kommt vor, dass auf kürzeren Strecken 28 Leute, überwiegend Kinder, an Bord sind.
Mit zehn Jahren verheiratet
Die Massaimädchen schmücken sich bei der Partnerwahl prächtig und stehen den Kriegern gegenüber. Diese nehmen sich dann einfach ihre Wunschfrau, die oft nur zehn Jahre alt ist und gehen zuerst einmal mit ihr in den Busch. „Das ist Massai-Kultur“, erklärt Wohlenberg-Kinsey. Die Frauen machen die Arbeit, bauen Häuser und kümmern sich um die Kinder. Die Männer hingegen „tragen die Verantwortung“.
Inzwischen hat auch der Fortschritt in Malambo Einzug gehalten. So besitzt heute jeder Massai ein Handy. Manche haben gar ihr Ohrläppchen so geweitet, dass ein Handy problemlos dort getragen werden kann. „Dies gehört eben zur neuen Kultur“, erklärt Schwester Angelika.
Pfarrer Zwing, erst vor zwei Wochen aus Tansania zurück, wähnte sich ganz in Afrika, zumal die Gäste zum Abschluss einige Spezialitäten wie das Festtagsgericht Pilau (Reis mit Lamm- oder Ziegenfleisch) und diverse Gewürze kosten durften.
Näheres zu „Hilfe für die Massai“ unter www.massai.org. Spendenkonto: Sparkasse Westholstein,Nr. 3000 1117, IBAN: DE70 2225 0020 0030 0011 17, BIC: NOLADE21WHO.