Freia Rothe verlässt Gelchsheim nach 29 Jahren, in denen der Ort - besser das Schloss Gelchsheim - ihr Lebensmittelpunkt war. Jetzt, wo die Koffer gepackt sind, packt Freia Rothe aus, nachdem sie lange zum Verkauf ihres Schlosses, der dazugehörigen Gebäude und Grundstücke - insgesamt rund 3,5 Hektar - geschwiegen hatte.
Den Verkauf betrieb die heute 79-Jährige nach eigenen Angaben, seit 1998. "Es war mir alles zu beschwerlich geworden", erinnert sich die alte Dame. Erworben hatte sie das Schloss Gelchsheim 1971 für einen Betrag "über 100 000 Mark". Das Gebäude hatte bis zum Kauf fast zehn Jahre leergestanden und war recht marode. Ihr Wunsch: Eine Heimstatt für Rollstuhlfahrer schaffen. Der Grund: Sie selbst saß nach einem Unfall vier Jahre im Rollstuhl, bevor sie wieder gehen konnte.
Seit 1971 baute Rothe zusammen mit ihrer Tochter das Erholungs- und Wohnheim für Rollstuhlfahrer kontinuierlich aus, erwarb Gebäude und Grundstücke dazu. "Alles in allem habe ich in Schloss Gelchsheim rund 6,3 Millionen Mark investiert," erzählt die Ex-Schlossherrin. Im Heim für Rollstuhlfahrer lebten bis zu 40 Dauergäste, betreut von über 16 Angestellten.
"Mit 6,3 Millionen ging ich auch in die Verkaufsverhandlungen im Jahr 1998," erzählte Rothe. Bald habe sie aber feststellen müssen, dass das nicht zu erzielen war. Zu den Interessenten gehörte auch die katholische "Dominikus Ringeisen-Stiftung".
Fatal in dieser Situation: Rothe nahm keine neuen Rollstuhlfahrer mehr auf. Sie wollte den Leuten die unsichere Situation nicht zu muten. So sanken die Einnahmen. "Da drängten die Banken natürlich irgendwann", weiß sie noch. In ihren Preisvorstellungen war Rothe mittlerweile bei fünf Millionen Mark gelandet.
In dieser Situation habe sich Ende 1999 Dr. Rainer Graf, praktischer Arzt aus Würzburg, gemeldet. Der sei, so Rothe, vom Schloss begeistert gewesen. Sein Plan: Eine Kurklinik für Naturheilverfahren sollte aus dem Gelchsheimer Anwesen werden. "Davon war ich so begeistert, dass ich bei den ersten Verhandlungen gleich noch mal um 500 000 Mark runter gegangen bin," sagte Rothe. Der Vertragsabschluss war nach einem Notartermin am 29. Dezember 1999 unter Dach und Fach. Das Geld, 4,5 Millionen Mark, sollte Ende Februar 2000 auf ihrem Konto sein.
Allerdings: Der Februar verstrich und von den 4,5 Millionen war nichts zu sehen. "Irgendwann kamen zweimal 100 000 Mark. Einfach lächerlich. Ich war enttäuscht," erinnert sich Rothe. In dieser Situation war die alte Dame unter Druck geraten. Kein Geld vom Käufer - Forderungen von den Banken.
"Dann kam der schreckliche Tag", weiß die Ex-Schlossbesitzerin zu erzählen. "Bei einem Besichtigungstermin kam von Seiten des Dr. Graf der Vorschlag, noch mal eine Million nachzulassen. Dann könnte man über einen schnellen Geldfluss reden. Und überhaupt sei das doch besser, als in die Zwangsversteigerung zu kommen", erinnert sich Rothe an Dr. Grafs Worte. Rothe wusste, dass die Geldinstitute nur bis Juli still halten würden. Nach einer intensiven Beratung mit ihrer Rechtsanwältin, stimmte sie schließlich zu.
Bei den folgenden erneuten Vertragsverhandlungen habe der Würzburger Rechtsanwalt Dr. Manfred Mohr die Interessen des Dr. Graf vertreten. Die neuen Verhandlungen schockierten die 79-Jährige und raubten ihr jedwede Illusion: Am Ende soll sie für ihre Besitzungen 3,8 Millionen erhalten.
"Die haben mich über den Tisch gezogen," urteilt Rothe, die ihren Ruhestand in Schleusingen in Thüringen verbringen will. "Wenn ich ins Auto steige, werfe ich einen Blick zurück - im Zorn," prophezeit sie. Einen Besuch der alten Dame im Schloss wird es wohl nicht mehr geben.