So gelassen kann der 30-jährige Straftäter nicht bleiben. 1998 wurde er nach ¶ 63 StGB (siehe neben stehenden Artikel) in den Maßregelvollzug eingewiesen. Seine Vergehen, Körperverletzung und Vergewaltigung seiner damaligen Lebensgefährtin, hätten einem psychisch gesunden Täter knapp drei Jahre Haft eingebracht. Der Mann aus dem Raum Aschaffenburg ist nun bereits seit dreieinhalb Jahren im Bezirkskrankenhaus (BKH) für Psychiatrie, Psychotherapie und Neurologie in Lohr und wird dort bleiben, bis die Ärzte ihn für gesund halten. "Ich werde hier falsch therapiert", beklagt sich der Mann.
Der wegen Beziehungsstraftaten zweifach Vorbestrafte fühlt sich auch von der Justiz verschaukelt. "Eine Vergewaltigung habe ich nie begangen. Die Rechtsprechung war dubios." Das Urteil will er dennoch nicht anfechten. Stattdessen wünscht er sich, dass ihm die Therapeuten glauben. Sein behandelnder Arzt, Dr. Werner Brors, und Chefarzt Jungkunz zweifeln jedoch nicht an der Vergewaltigung: "Das Opfer von damals hat glaubwürdige Aussagen gemacht."
Damit wiederum mag sich der Täter nicht zufrieden geben: Akribisch hat er über sein Opfer Daten gesammelt. Damit versucht er, Aussagen seiner damaligen Freundin zu widerlegen und ihre Glaubwürdigkeit zu erschüttern. Die Ärzte sahen in der Beschaffung dieser privaten Unterlagen einen Verstoß gegen das Datenschutzgesetz und strichen ihm Vergünstigungen.
Damit lösten sie ein Pingpong-Spiel von Aktion und Reaktion aus: Der Patient erstattete Selbstanzeige wegen Datenschutzvergehens, das Verfahren wurde eingestellt. Die Klinik gewährte ihm weiterhin keinen Ausgang.
Der Patient droht
Der Patient verlangt unter Androhung einer Flucht ein Gespräch mit Jungkunz, doch der will sich nicht erpressen lassen. Sogar von einem begangenen Selbstmordversuch berichtet der Patient und von Repressalien, die er zu ertragen habe.
Jungkunz erklärt dazu: "Es ist nicht ungewöhnlich, dass Patienten den Eindruck haben, ihre Therapie käme nicht voran. Es gehört auch zu unserem täglichen Brot, dass wir von Personen, denen wir helfen wollen, beschimpft werden. Es kommt nicht vor, dass wir uns an ihnen rächen." Die Situation scheint verfahren, Therapie und konstruktive Zusammenarbeit sind kaum mehr möglich.
Neun Monate nachdem er wegen des vermeintlichen Datenschutzdeliktes vom Fast-schon-Freigänger auf "Kein Ausgang" zurückgestuft worden war, hat der Patient nun wieder die zweithöchste Lockerungsstufe erklommen (siehe nebenstehenden Artikel). Sein Vorrücken in den Freigang wurde jedoch wegen der Verweigerung jeglicher Einzel- und Gruppentherapie sowie wiederholter Ankündigungen von Ausbruch und Selbstmord auf unbestimmte Zeit vertagt.
Jungkunz erklärt: "Wir können einen Patienten erst dann aus dem Maßregelvollzug entlassen, wenn wir uns quasi hundertprozentig sicher sind, dass er keine weitere Straftat begehen wird."
Weil der Täter zwar an seine Läuterung, nicht aber an das Urteil seiner Therapeuten glaubt, bemüht er sich um Verlegung in eine andere Klinik und um ein von einem neutralen Arzt erstelltes psychiatrisches Gutachten.
Das ficht Jungkunz nicht an: "Es steht dem Patienten frei, ein externes Gutachten zu verlangen und seine Verlegung zu beantragen. Wir legen ihm keine Steine in den Weg." Doch der bürokratische Weg ist lang und die Freiheit des Patienten noch in weiter Ferne. Aus Frust darüber wurde der einstige Täter nun zum Ankläger.