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SEIFRIEDSBURG: Eine zierliche Frau aus Wernfeld lernt Zimmerin

SEIFRIEDSBURG

Eine zierliche Frau aus Wernfeld lernt Zimmerin

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    Für die zierliche Wernfelderin ist der Vorschlaghammerein gewohntes Arbeitsgerät.
    Für die zierliche Wernfelderin ist der Vorschlaghammerein gewohntes Arbeitsgerät. Foto: Fotos: Björn Kohlhepp

    Lisa Breitenbach ist eine zierliche junge Frau. Die 19-Jährige spielt drei Instrumente, tanzt und turnt. Sie entwirft Kleider und hat ihre Mittlere Reife als Klassenbeste gemacht. Vor diesem Hintergrund hat ihre Berufswahl viele überrascht, Freundinnen hielten sie gar für verrückt: Die Wernfelderin lernt den Beruf der Zimmerin. Inzwischen im dritten Lehrjahr.

    Sie fühlt sich nach eigener Aussage pudelwohl, wenn sie mit Vorschlaghammer, Kreis- und Kettensäge hantiert und Hausdächer errichtet. Die Sprüche hat sie auf jeden Fall drauf: „Ich will arbeiten. Was bringt's mir, wenn ich den ganzen Tag rumsitze?“ Dabei lächelt sie aber mädchenhaft schüchtern.

    Die Auszubildende schont sich nicht

    Man unterschätzt sie leicht, vor allem ihren Willen. „Die hat einen Sauehrgeiz“, sagt der Seifriedsburger Zimmerermeister Meister Johann Berthold, bei dem sie lernt, anerkennend. Und sie passe auf wie ein Luchs. „Du kannst ihr nicht heute das und morgen das erzählen.“ Seine Auszubildende schone sich auch nicht, sondern laufe mit acht Ziegeln links und rechts aufs Dach hinauf. Auf gar keinen Fall will sie eine Sonderbehandlung, heben muss sie genauso schwer wie ihre männlichen Kollegen. Die Rückenschmerzen, die sie ab und zu hat, vergingen auch wieder, sagt sie.

    Lisa Breitenbach wollte unbedingt Zimmerin werden, nicht wie die anderen ins Büro gehen, wie sie sagt. „Ich habe fast alles ausprobiert, was es gibt“, erzählt sie. In manchen Ferien hat sie gleich mehrere Praktika gemacht, unter anderem beim Steinmetz, beim Landschaftsgärtner, beim Floristen. Am allerbesten hat es ihr in der Zimmerei gefallen. Da sei man viel draußen, bewege sich viel, arbeite mit Holz. Genau ihr Ding. Nach der abwechslungsreichen Arbeit schlafe man abends prima.

    Niemand wollte die zierliche Frau haben

    Allerdings hatte sie Schwierigkeiten, überhaupt eine Lehrstelle als Zimmerin zu finden. 26 Bewerbungen schrieb sie an Betriebe in der Region. Es hagelte Absagen. Die einen hielten sie für überqualifiziert, die anderen für körperlich zu schwach. Bei einer Zimmerei habe sie eine Kreissäge durch die Halle tragen müssen. „Eine Frechheit“, findet sie. Genommen wurde sie nicht.

    Mit 15, als sie begann sich zu bewerben, wog sie nur knapp über 40 Kilogramm. Inzwischen ist sie im dritten Lehrjahr, 1,71 groß und wiegt immerhin 48 Kilo. Anfangs habe sie sich mit dem Heben natürlich schwergetan, habe die Kervenfräse kaum aus dem Regal bekommen. Jetzt sei das kein Problem mehr, versichert sie. Eines ihrer Hobbys ist Klettern, auch da braucht es Kraft.

    Meister ist angetan von ihr

    Frustriert suchte sie weitere Zimmereien und bewarb sich irgendwann bei Johann Berthold, der gar keine Stelle ausgeschrieben hatte. Es habe einige Leute gegeben, die ihm abrieten, die damals 16-Jährige zu nehmen, sagt er. Doch die junge Frau konnte ihn bei einem Praktikum überzeugen, auch davon, dass sie es ernst meint. Auch weil sie gut in Mathe ist, was für Zimmerer, die Dinge wie Statik, Wärmeleitfähigkeit oder Dampfdiffusion berechnen müssen, wichtig ist. Er sollte es nicht bereuen und findet sie „spitze“. „Die weiß, was ein Gratsparren und ein Kehlsparren ist.“ Das scheint nicht selbstverständlich zu sein.

    In dem kleinen Vier-Mann-Betrieb findet die Auszubildende gut, dass viel selbst gemacht wird und sie nicht nur Nägel einschlagen darf. Neulich habe sie in Obersinn ihre erste Dachseite gezimmert. Sie hantiert zwar mit langen Zimmermannsnägeln, aber ihre Fingernägel müssen kurz sein, sonst brechen sie ab. Ein wenig stolz ist sie auf ihre schwieligen Hände: „Die sind männlicher als die von meinem Freund.“

    Normale Zimmererkleidung zu groß für sie

    Ein richtiger Zimmerer trägt auch die spezielle Zimmermannskluft aus schwarzem Cord. Allerdings gebe es die erst ab Größe 36, Lisa Breitenbach hat Größe 32. Im Internet fand sie eine Hose in Größe 34, die jetzt, nach einem Jahr heiß waschen, gut passe. Bei der Jacke hat sie sich auch selbst geholfen. In einem Second-Hand-Laden fand sie eine Cordjacke, die ihr passte. An die nähte sie noch Knöpfe an. Aber auf die Walz gehen möchte sie auch mit der Kluft nicht. „Als Frau ist das schon was anderes, wenn man allein unterwegs ist.“

    Erst habe sie keiner haben wollen, jetzt sei sie schon von anderen Betrieben gefragt worden, ob sie dort anfangen wolle. Und bei Berufsmessen in der Gegend werde sie von der Innung gern als Aushängeschild an den Stand gestellt. Sie zeige bei den Berufsinformationstagen vor allem Jungs, wie man sägt und Nägel einschlägt, und mache sich einen Spaß daraus, diese aufzuziehen: „Du hämmerst wie ein Mädchen, jetzt hau mal drauf wie ein Mann.“

    Am liebsten steigt sie Leuten aufs Dach

    Am liebsten ist sie auf der Baustelle und schlägt Dächer auf, wie es heißt. Die Zimmerei Berthold ist vor allem in und um Schweinfurt tätig, wo sie im Stadtteil Bergl zwei ganzen Siedlungen Dächer verpasst hat, erzählt Berthold. Seine Auszubildende schwärmt davon, wie sie im vergangenen Jahr den ganzen Sommer über in Schweinfurt arbeiteten. Man habe oft gar nicht vom Dach heruntergemusst, sondern ein Dach fertiggemacht und sei dann rüber aufs nächste gestiegen.

    Weil es viel zu tun gibt, muss manchmal samstags gearbeitet werden. „Natürlich“ sei sie da dabei, erzählt Breitenbach. Freunde verstünden oft nicht, dass sie nicht sagen könne, wann sie abends fertig werde. Nach der Baustelle folgen einige Tage, an denen „Abbund“ gemacht wird, also etwa meterlange Sparren und Pfetten zugerichtet werden.

    Bauherren behandeln sie oft wie ein kleines Mädchen

    Mit Kollegen habe sie keine Schwierigkeiten, aber die Bauherren behandelten sie oft wie ein kleines Mädchen, das keine Ahnung hat. Das ärgert sie. Nach dem Abschluss will sie gleich ihren Meister machen – 19 Monate Vollzeit Schule. „Vielleicht kann man ja später was damit machen“, sagt sie, zum Beispiel einen Betrieb übernehmen.

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