Schönster Sonnenschein, Freibier – und nur wenige Besucher? Wurst-Jan nimmt am Freitagvormittag den eher schwachen Auftakt der drei Marktschreier-Tage in Gemünden gelassen: Das sei nun einmal heutzutage so, und übrigens in allen Städten. Attraktionen und günstige Angebote bewirken nicht mehr automatisch einen Kundenandrang. Aber Wurst-Jan ist optimistisch, dass am Samstag und Sonntag, 6. und 7. Oktober, einiges mehr los sein wird auf dem Festplatz Lindenwiese, der mit 14 Ständen knapp zur Hälfte belegt ist.
Wie zur Bestätigung seiner Worte findet sich just in dem Moment ein halbes Dutzend Interessenten vor dem Stand ein, und der Mann, der mit richtigem Namen Jan Hoffmann heißt, klettert schnell in seinen Wagen und preist „Wattwürmer“-Würste und Schlackwurst, Schinken und Blutwurst an. Sie komme jedes Jahr zu ihm, ruft eine Frau zum Wagen hinauf. Klar, das wisse er doch, ruft der 42-Jährige zurück und füllt eine Tüte mit einem Wunschsortiment zu 15 Euro. Dann folgt zum Schein eine Streiterei mit einem Kunden, ob das eine Probierstückchen so schmeckt wie das andere. Alles lacht.
Verschmähtes Freibier
Nebenan steht Nudel-Ralli in seinem geöffneten Lastwagen und versucht hin und wieder per Lautsprecheransage ein paar Leute vom Nachbarn Jan zu sich herüber zu locken. Vergeblich an diesem Freitagvormittag. Sogar das zur Eröffnung um 11 Uhr am Bierstand gebotene Freibier wird verschmäht. „Gut“, sagt der Wurstverkäufer und scherzt: „Sie können auch einen Zehner für das Bier hinlegen, wenn Sie es nicht umsonst wollen.“ Am Getränkestand, im Fischwagen und am großen Rundgrill hoffen die Ständler auf Mittagsgäste.
Außer Wurst-Jan, Nudel-Ralli, Aal-Matze und Käse-Barni, die alte Bekannte in Gemünden sind, wird das Budendorf ergänzt durch Süßwaren-, Spielzeug-, Schuh- und Kleiderhändler. Die Marktschreier sind nach eigener Aussage das ganze Jahr über in Deutschland und Österreich unterwegs, machen in wechselnder Besetzung in rund 50 Städten Station und legen dabei 50 000 Kilometer zurück.
Überfüllte Kühlschränke
Der Festplatz auf der Saaleinsel in Gemünden ist eigentlich ideal für die Marktschreier: Wasser- und Stromanschlüsse, viele kostenfreie Parkplätze und direkt an der Altstadt gelegen. Dass sich Schaulustige und Kunden dennoch nicht drängen, liege an einem allgemeinen Überangebot des Handels, glaubt Wurst-Jan. Dazu die permanenten Sonderangebote in den Supermärkten – Jan ist erstaunlich gut informiert, was es da zurzeit in Gemünden gibt. Die Bevölkerung sei heutzutage mit allem gut versorgt, „da fallen die Sachen raus, wenn die den Kühlschrank aufmachen“.
Dennoch gehen die Marktschreier weiter auf Tour. Offenbar machen sie noch Gewinn. Was es nur bei ihnen gibt, ist das lustige Ausrufen der Waren, sind die Späßchen mit der Kundschaft. Dieses besondere Einkaufserlebnis macht offenbar beiden Seiten Laune, den Käufern wie den Verkäufern.
Marktschreier-Tage Gemünden: am Samstag, 6. Oktober, von 10 bis 18 Uhr und am Sonntag, 7. Oktober, von 11 bis 18 Uhr, Festplatz Lindenwiese.