Sie war schlimmer als der schlimmste Stress, die Phase im letzten Winter, als nichts mehr ging: Kein Telefon, keine Email, kein Fax. Als Bianca Herrmann einfach nur zu Hause saß, ein Leben als 400 Euro-Jobberin vor Augen. „Es ist nicht nur das Finanzielle, das an einem nagt, sondern die Zweifel, ob man es richtig gemacht hat. Ob man an den richtigen Stellschrauben gedreht, die Flyer richtig ausgelegt und die richtigen Leute im Verteiler hat“, erzählt Bianca Herrmann. Mittlerweile kann die mobile Erzieherin sagen: Ja, sie hat alles richtig gemacht. Es war einfach nur die falsche Jahreszeit.
Die Idee stromerte der gelernten Erzieherin schon länger im Kopf herum: Elf Jahre hat sie den Waldkindergarten in Lohr gearbeitet. „Es war nicht so, dass mir die Arbeit dort nicht mehr gefiel, aber ich wollte endlich 'etwas eigenes‘ machen“, sagt sie. Über die Agentur für Arbeit kam sie 2008 zum Gründerservicenetz, ein Jahr später ging ihr eigenes Unternehmen an den Start. Seit dem ist Bianca Herrmann viel unterwegs, betreut Kinder bei Geburtstags- oder Familienfeiern, stellt einen Bastel- und Schminkstand zum Stadtfest, macht Vertretung in Kindertageseinrichtungen, organisiert eine Waldwoche oder bietet – und das mal nicht nur für Kinder – Workshops in mobilen Niedrigseilgärten an.
„Die Idee der mobilen Erzieherin war nicht utopisch“, erzählt sie. Dazu kamen gute Voraussetzungen, denn mit dem, was sie anbietet, ist Bianca Herrmann ein relativer Exot. Also legte sie los, druckte Flyer, schaltete Anzeigen und wunderte sich, aus welchen Ecken plötzlich die Anfragen kamen. „Das Meiste läuft immer noch lokal im Umkreis von Lohr“, sagt sie. Aber sie fährt auch nach Würzburg oder – ihr bisher weitester Einsatz – bis kurz vor Stuttgart.
Auch Saure-Gurken-Zeit
So verging das erste Jahr wie im Flug und Bianca Herrmann wirbelte von Frühjahr bis Herbst von einer Feier zur Nächsten. Und dann kam der Winter und mit ihm das Loch. „Ich habe genau das erlebt, was alle Selbstständigen sagen: entweder es geht gar nichts oder es zerreißt dich“, erklärt sie. „Aber auch den Umgang mit der Saure-Gurken-Zeit muss man lernen.“
Bianca Herrmann hat gelernt beziehungsweise vorgebeugt: Den Winter 2010 wird sie durchgehend in einer Schulkindbetreuung arbeiten. Zudem ist ihr Bekanntheitsgrad gewachsen und somit auch die Anzahl der Anfragen.
Der Lernprozess aber ging weiter: „Ich musste auch erst einmal lernen, knallhart Preise aufzustellen und zu sagen, das bin ich wert“, erzählt sie. Ebenso eine Sache des Trainings: Es nicht persönlich zu nehmen, wenn ein potenzieller Kunde „nö“ sagt. Ob sie sich ihre Freiberuflichkeit so vorgestellt hat? „Ich habe es zumindest nie bereut“, sagt sie. Wenn überhaupt vermisst sie manchmal die Kollegen. Gemeinsam kreativ sein ist eben ab und zu effektiver, als immer allein an Ideen zu basteln.
Doch auch hier gibt es Möglichkeiten: Über den Gründerservicenetz-Stammtisch lernte Bianca Herrmann eine Selbstständige mit Filz-Atelier kennen. Gemeinsam schmiedeten sie ein Kinderfilz-Angebot. Was sie jedem, der mit dem Gedanken der Selbstständigkeit spielt als Tipp mitgeben kann? Die Mischung macht's, sagt Bianca Herrmann. „Man muss ein Konzept und einen Plan haben, aber auch offen sein, auf das, was kommt.“