Dr. Klaus Bieräugel, Geschäftsführer der Rudolf Bieräugel Stahl- und Metallbau GmbH, Marktheidenfeld, sitzt äußerlich ruhig in seinem Büro in der Georg-Mayr-Straße. Doch die Anspannung ist ihm anzumerken; er steckt sich eine R 6 an, obwohl auf der Packung steht: "Rauchen kann tödlich sein."
Bieräugel hat momentan andere Sorgen. Am Montag hatte er ein Gespräch mit seiner Hausbank, der Sparkasse Mainfranken Würzburg, "mit der wir gut zusammenarbeiten", wie Bieräugel betont. "Einvernehmlich", stellt er heraus, habe man den Antrag auf Insolvenz befürwortet. Der Grund: Die Metallbau-Firma ist zahlungsunfähig; der Bank ist das Risiko weiterer Kredite zu hoch. Folglich ging der Antrag beim Insolvenzgericht ein.
Wie kam's? Dr. Bieräugel bilanziert die vergangenen drei Geschäftsjahre: 2001 war noch alles in Ordnung. Auch 2002 hat der Betrieb noch zwölf Millionen Euro Umsatz erwirtschaftet. 2003 brach der Auftragseingang um ein Drittel ein; die Krise in der Baubranche hatte auch die renommierte Firma aus Marktheidenfeld erfasst. Nur noch 8,5 Millionen Euro Umsatz standen in den Büchern. 2004 ging es noch einmal bergab. Im ersten Halbjahr erreichte Bieräugel gerade noch 3,8 Millionen Euro.
Der Geschäftsführer fasst zusammen: "Es herrscht eine katastrophale Situation auf dem Markt." Es gibt zu wenige Aufträge, um die 100 Mann umfassende Belegschaft dauerhaft zu beschäftigen. Und an den Aufträgen, die Bieräugel annimmt, ist wenig, manchmal gar nichts verdient - ein für den Betrieb fatales Beschäftigungsprogramm.
Eine Zeit lang hätten die Reserven des Unternehmens die Verluste ausgleichen können, erzählt Bieräugel gefasst weiter. Dann habe er sogar privat Geld aufgenommen und es in die Firma gesteckt. Verpufft, wie der Rauch von Bieräugels Zigarette. "Am Montag war ein Punkt erreicht, an dem wir sagen mussten: Es geht nicht mehr."
Bieräugel will trotzdem nicht nur auf die Konjunktur und den unerwartet gestiegenen Stahlpreis schimpfen. "Ich stehe dazu, dass ich nach außen die Verantwortung für das Unternehmen trage." Der Betrieb, 1947 von Vater Rudolf Bieräugel gegründet, hatte zuletzt eine kritische Größe erreicht - für einen Handwerksbetrieb zu groß, für ein Industrieunternehmen zu klein. "Wir besitzen eine umfassende Produktpalette, die viel Know-how und Kostenaufwand erfordert." Gerade deswegen war die Firma in den guten Zeiten der Baubranche so gefragt.
Die Liste der Renommier-Bauwerke, an denen Bieräugel beteiligt war, ist lang: das Bundespräsidialamt in Berlin, die Generalbundesanwaltschaft in Karlsruhe, das Stammhaus der Sparkasse in Wiesbaden, die Justizvollzugsanstalt in Cottbus, die Glasüberdachung der Fußgängerzone in Bremerhaven, ja sogar eine Tribünenverglasung in Ägypten mit versenkbaren Glaswänden. "Auf dem Markt sind wir ein anerkanntes Unternehmen", erklärt Bieräugel mit Stolz. "Die Kunden wollen weiter mit uns zusammenarbeiten." An diese Hoffnung klammert er sich - und mit ihm tun dies die 100 Mitarbeiter. "Mein Bemühen ist es, diese Arbeitsplätze zu erhalten", sagt der Chef mit Blick auf seine Beschäftigten. "Denn hinter den Mitarbeitern stehen Familien mit persönlichen Schicksalen."
Zusammen mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter, Anwalt Frank-Peter Hohmann aus Würzburg, sucht er nach Möglichkeiten, den Betrieb fortzuführen. Dabei haben Hohmann und Bieräugel zwei kurzfristige Ziele: Zunächst wollen sie erreichen, dass die Beschäftigten ihr Insolvenzgeld von der Bank vorfinanziert bekommen. Da die Firma zahlungsunfähig ist, hat das Personal im Juli und im August keine Löhne bekommen. Erst wenn das Gericht über die Insolvenz entschieden hat, stehen den Beschäftigten bis zu drei Netto-Gehälter von der Bundesanstalt für Arbeit zu, das so genannte Insolvenzgeld. Bis das aber fließt, kann es November werden, weiß Anwalt Hohmann.
Damit die Mitarbeiter nicht so lange warten müssen, sprechen Hohmann und Bieräugel mit der Bank, ob sie wenigstens eineinhalb Monatsgehälter vorschießt. "Die Aussichten sind sehr gut", beurteilt Bieräugel diese Gespräche.
Parallel macht er sich Gedanken über die neue Betriebsform. Wie kann man den Betrieb retten? Braucht man einen Partner? Soll man verkleinern?
Auf diese Fragen gibt es noch keine Antwort. Nur auf die, was der Insolvenzantrag für Bieräugel persönlich bedeutet. Es dauert ein paar Sekunden. Dann sagt der Unternehmer, der in dem Jahr geboren worden ist, in dem sein Vater den Handwerksbetrieb gegründet hat: "Das ist die größte Niederlage meines Lebens. Ich habe alles für das Unternehmen gegeben: körperlich, seelisch, materiell." Dennoch sieht er sich noch nicht am Ende.
Was ihm Mut macht? Bieräugel hat feuchte Augen: "Ein Mitarbeiter hat mir gesagt: Sie haben gekämpft wie ein Löwe. Wir haben Hochachtung vor Ihnen."