An diesem Freitag gedenkt die katholische Kirche der Heiligen Cäcilia. Da sie die Schutzpatronin der Kirchenmusik ist, könnte ihrer in Fellen besonders aufmerksam gedacht werden, weil das Sinngrunddorf mit sechs Organisten reich gesegnet ist. Andernorts, auch und gerade in größeren Gemeinden, herrscht ein Mangel an Kirchenmusikern. Dabei können sich viele Gläubige einen Gottesdienst ohne Orgelbegleitung kaum vorstellen.
Drei der sechs Fellener Organisten haben vergangene Woche bei einem Pressetermin in der Pfarrkirche St. Johannes Werbung für ihr ehrenamtliches Spiel gemacht: Erwin Schneider (65 Jahre), Markus Lohe (57) und Bruno Fischer (55). Sie wechseln sich mit Stefan Gerhard (51), Marion Rüb (41) und Anna Schneider (24) an den Kirchenorgeln von St. Johannes in Fellen und Mariä Geburt in Rengersbrunn ab. Stefan Gerhard spielt auch zu den monatlichen Gottesdiensten in St. Kilian in Wohnrod. Alle Sechs helfen in der Umgebung aus, wenn dort der Stammorganist verhindert ist.
Anhaltende Begeisterung
Was Erwin Schneider, Markus Lohe und Bruno Fischer gemein haben, ist die anhaltende Begeisterung für das mächtigste aller Instrumente oder die "Königin der Instrumente", wie die Orgel genannt wird. Da ist zum einen die hoch komplizierte Technik, wie sich der komplexe Aufbau der Anlage gestaltet, und wie die Töne mechanisch oder pneumatisch gesteuert per Luftstrom in vielerlei Pfeifen erzeugt werden. Zum anderen verlangt dieses handwerkliche Kunstwerk dem Organisten hohes Können ab, denn das Manual (die Tastatur) ist oft gleich mehrfach vorhanden, und dazu kommen noch Pedale, die mit Schuh-Absatz und -Spitze genauso zu spielen sind wie die Tasten mit den Fingern. Die meisten Organisten haben spezielle Schuhe für ihren Einsatz. Und dann muss der Musiker während des Spiels noch die Register ziehen oder drücken, um Pfeifen zu- oder abzuschalten. "Das bedeutet eine große Anforderung an das Koordinationsvermögen", weiß Erwin Schneider.
Die Fellener Kirchenorgel sticht mit einer Besonderheit heraus, denn sie ahmt ein historisches Instrument vom Aufbau und Klang her nur nach, ist tatsächlich aber eine hochmoderne elektronische Kirchenorgel, eine dreimanualige "Hymnus 350" der Firma Ahlborn (Reutlingen) aus dem Jahr 1998 mit 50 klingenden Registern. Sie hat klanglich – eine weitere Besonderheit – eine französisch-romantische Disposition, wie sie im 19. Jahrhundert üblich war. Der kleine Pfeifenprospekt über dem Spieltisch ist lediglich eine Attrappe; dahinter stehen große Lautsprecher. Die drei Organisten Schneider, Lohe und Fischer spielen gern auf ihr. Nur Fachleute können ihrer Einschätzung nach einen Unterschied zu einer echten Orgel heraushören. Digitalorgeln sind mittlerweile als liturgische Instrumente akzeptiert, auch große Meister rümpfen nicht mehr die Nase.
Mut zum modernen Instrument
Dabei war die Anschaffung der "Hymnus 350" nicht aus Überzeugung, sondern aus finanziellen Gründen erfolgt, berichtet Erwin Schneider. Anfang der 1990er Jahre sei die Orgel der Firma Kenner (Höllrich) von 1930 praktisch unspielbar geworden und nicht mehr zu reparieren gewesen. Sie hatte eine pneumatische Traktur (jede Pfeife wird durch ein Bleiröhrchen angesteuert). Eine neue Orgel herkömmlicher Bauart wäre auf 600 000 D-Mark gekommen, was die Pfarrei überforderte. Denn es stand die Innen- und Außenrenovierung der Kirche an, die 2006 geleistet wurde. So fiel knapp zehn Jahre zuvor die Entscheidung der Organisten zugunsten der erheblich billigeren – anfänglich durchaus skeptisch beurteilten – Digitalorgel aus. Mit einem Förderverein, dem Erlös eines Waldfests und einem Zuschuss der Diözese konnte die Finanzierung gesichert werden; die Einweihung erfolgte durch Weihbischof Helmut Bauer.
Im Winter haben die Organisten am Spieltisch einen der schlechtesten Plätze im Gotteshaus: kalte Füße, kalte Finger. Für die Begleitung der Gottesdienste gibt es nur ein kleines Taschengeld. Dennoch sind die Musiker mit Eifer bei der Sache – es ist das Vergnügen, die Kirche mit volltönender Musik zu erfüllen, die Lieder der Gemeinde zu intonieren und zu begleiten und ihr zum Ein- und Auszug Soli freier Wahl zu spielen. Wer Interesse hat, Organist zu werden, kann sich über die Kirchen ausbilden lassen. Zwei Drittel der Kosten übernehmen die Kirche und die Gemeinde, informiert Erwin Schneider. Der 65-Jährige ist übrigens seit 50 Jahren Organist in St. Johannes.
Anekdoten aus dem Organistenleben
Gefragt nach Anekdoten, könnten die Fellener Organisten, die sich auch privat gut verstehen, wohl ein Büchlein füllen. So passierte es Erwin Schneider, der schon als Schüler das Orgelspiel beherrschte und die Gottesdienste in der Justizvollzugsanstalt Würzburg begleitete, dass er dort nach der Anfahrt Sonntag früh um 5 Uhr von Fellen einmal einfach einschlief – der Gefängnispfarrer und die Gefangenen ließen den Jungen verständnisvoll schlafen und verzichten an dem Tag auf das Orgelspiel.
Einen Nachteil der elektronischen Orgel bekamen die beiden anderen Kirchenmusiker jeweils in Gottesdiensten von Besuchern zu spüren: Das eine Mal stellte ein sechsjähriger Junge während eines Liedes unabsichtlich den Strom ab, ein anderes Mal war es ein älterer Herr, der versehentlich einen Kurzschluss an der Orgel auslöste. Bruno Fischer erinnert sich, dass der Pfarrer während des Gottesdienstes mehrmals vergeblich zu ihm hinauf rief: "Herr Fischer, geht's wieder?"
Der Heiligen Cäcilia, so ist anzunehmen, dürfte die Orgeltechnik ziemlich gleichgültig sein. Erfreut wäre sie sicherlich über den Erhalt liturgischer Musik in vielen Kirchen, erzeugt von vielen Organisten.