Die Karlstadter Nikolaus-Fey-Straße soll umbenannt werden. Das hat den pensionierten Karlstadter Volksschullehrer Gustav Eichler auf den Plan gerufen. Er schlägt zum wiederholten Mal vor, "dass endlich auch in der Kernstadt eine Straße nach einer Frau benannt werden sollte". Das Kuriose daran: Er unterbreitet diesen Vorschlag nun schon dem dritten Bürgermeister. Eichler hatte sich mit der Idee schon 1975 an den damaligen Bürgermeister Werner Hofmann gewandt, 1992 an Bürgermeister Karl-Heinz Keller und jetzt 2022 an Michael Hombach. Nur mit Paul Kruck stand er diesbezüglich nicht in Korrespondenz.
1975 hatte die UNO-Generalversammlung das Internationale Jahr der Frau ausgerufen. Das thematisierte Eichler mit seiner Klasse 4c. Klassensprecherin Ingrid Mauritz bat in einem Brief an die Stadtverwaltung, bei künftigen Benennungen von Straßen auch an bedeutende Frauen der Geschichte zu denken. Im "Jahr der Frau" biete sich diese Würdigung an.
Nur Männer im Stadtparlament
Bürgermeister Werner Hofmann schrieb an das "sehr geehrte Fräulein Mauritz", er gehe "einig mit Ihrer Auffassung, dass den Frauen in aller Welt eine wertgleiche Bedeutung zukommt". Er kündigte an, das Schreiben seinen Kollegen im Stadtrat zur Kennntis zu bringen und bemüht zu sein, "das nur aus Männern bestehende Stadtparlament zu veranlassen, bei kommenden Straßenbenennungen den berechtigten Forderungen der Frauen Rechnung zu tragen".
1992 erinnerte Gustav Eichler an die Ankündigung von Werner Hofmann von 1975. Inzwischen war Karl-Heinz Keller Bürgermeister und antwortete ebenfalls äußerst wohlwollend, bedauerte aber: "Leider wurde in dieser Zeit bis heute nach dem Baugebiet ,Am Schallerts' kein weiteres großes Erschließungsgebiet mehr ausgewiesen und somit in der Kernstadt Karlstadt nahezu kein neuer Straßenname erteilt. Wir werden jedoch im Baugebiet ,Saupurzel', das in nächster Zeit erschlossen wird, auf Ihren Antrag zurückkommen."
Liste mit Namen bedeutender Frauen
1997 gab Eichler seiner Klasse 4a als Hausaufgabe, sich mit den Eltern Gedanken zu machen "über geschichtlich und gesellschaftlich bedeutsame Frauengestalten". Folgende Liste übermittelte er der Stadtverwaltung:
Edith Stein (Philosophin, Ordensfrau; Jüdin, die zum katholischen Glauben übertrat; wurde in Auschwitz ermordet). Maria Ward (Ordensfrau, Erzieherin, Schulgründerin). Hildegard von Bingen (Mystikerin, Heilige). Elisabeth von Thüringen (Gräfin, half den Armen und Unterdrückten). Anne Frank (Jüdin; als junges Mädchen von den Nazis ermordet). Rosa Luxemburg (Politikerin; von preußischen Soldaten ermordet). Liesl Karlstadt (Volksschauspielerin, Partnerin von Karl Valentin). Clara Schuhmann (Komponistin). Sophie Scholl (Widerstandskämpferin; von den Nazis geköpft). Gabriele Münter (Malerin des Expressionismus). Lise Meitner (Kernphysikerin; als Jüdin von den Nazis verfolgt). Bettina von Arnim (Dichterin der Romantik). Hannah Arendt (politische Theoretikerin; als Jüdin von den Nazis verfolgt). Annette von Droste-Hülshoff (Dichterin des 19. Jahrhunderts). Eichler ergänzte in dem Brief an Karl-Heinz Keller: "Mehrmals wurde auch eine ,Gemüs'-Pfistere-Straße' vorgebracht, die wohl kaum realisiert werden kann."
Anfang Januar wieder an die Stadt geschrieben
In seinem jüngsten Schreiben vom 9. Januar an die Stadt und Bürgermeister Michael Hombach schlägt Eichler im Zusammenhang mit der Nikolaus-Fey-Straße vor, "dass endlich auch in der Kernstadt eine Straße nach einer Frau benannt werden sollte". Außerdem regt er an, eine Straße nach einem ehemaligen jüdischen Mitbürger zu benennen. Hombach hat ihm für die Anregungen gedankt: "Wir werden diese im Stadtrat in die weiteren Überlegungen und Planungen mit einbeziehen."
Auch wenn es in der Kernstadt bisher keine nach einer Frau benannte Straße gibt, so doch in Karlburg: "Imminahof" wird die neue Straße im Baugebiet auf dem Ehrenfelsgelände heißen. Und am westlichen Ortsrand von Karlburg gibt es den "Gertrudisweg". Im Nachgang hat Gustav Eichler darüber nachgedacht, ob Karlstadter Ehrenbürgerinnen geeignete Namenspatinnen wären. Das sind in Karlstadt selbst Anna Herold (mit ihrem Mann Otto Stifterin der Heroldstiftung), Maria Probst (Bundestagsabgeordnete) und Else Düker (sozial handelnde Fabrikantengattin). Im Stadtteil Gambach wurde Anna Wagner (Oberlehrerin), in Stetten Karola Degen (Oberlehrerin) und in Wiesenfeld Katharina Freifrau Teuffel von Birkensee (Pianistin, verkaufte nach dem Krieg Gutshof und Hutten'sche Äcker an Bürger) zur Ehrenbürgerin ernannt.