Am Valentinstag war ich mit meiner Fraa in der Stadtbibliothek. Klingt nicht sehr romantisch, denken Sie vielleicht, und da geb' ich Ihnen Recht - aber sie wollte unbedingt hin. Erzählerinnen haben dort Märchen über die Liebe vorgetragen. Eine von ihnen meinte in der Pause zu mir: "Vielleicht merken Sie erst ein paar Tage später, dass ein Märchen etwas in Ihnen ausgelöst hat und Sie die Symbole interpretieren."
Sie hatte Recht: Als ich gestern Abend in die Mitteltorstraße einfahren wollte und die beiden Poller hochgefahren waren, wurde mir bewusst, was die Erzählerin mit ihrem französischen Märchen ausdrücken wollte.
Es ging darin um drei wohlhabende Töchter, deren Vater auf Reisen war und denen verboten wurde, in dieser Zeit einen Mann ins Haus zu lassen. Der Sohn des Königs, der es auf eine Tochter abgesehen hatte, verkleidete sich als Bettler, um trotzdem hineingelassen zu werden. Ganz klar - damit ist der Autofahrer gemeint, der im Dezember, verkleidet als Einwohner der Mitteltorstraße, über die heruntergelassenen Poller gefahren ist.
Im Märchen stritt sich der Prinz mit einer Tochter so sehr, dass er sie im Schlaf ermorden wollte. Doch die Dienerin hatte vorgesorgt: Statt der Tochter legte sie einen Kürbis ins Bett und wies sie an, sich zu verstecken. Der Prinz schnitt mit seinem Schwert also durch den Kürbis - kurz darauf bereute er sein Verhalten aber fürchterlich und war überglücklich, seine Frau später doch lebendig wiederzusehen.
Was das mit den Pollern zu tun hat? Nun, der fremde Autofahrer, der den Poller beim Rückwärtsfahren kaputt gemacht hat, bereut seine Tat bestimmt auch sehr. Besonders, nachdem er gesehen hat, was sie nach sich gezogen hat: Tagelang war die Einfahrt zur Mitteltorstraße halb gesperrt, um die Poller auszutauschen. In dieser Woche wurde schließlich das Pflaster neu verlegt. Wer weiß, vielleicht war der Poller, genau wie im Märchen, gar nicht kaputt. Der Unfall sollte nur dafür sorgen, dass die Marktheidenfelder in Zukunft noch aufmerksamer in die Mitteltorstraße fahren, weil sie viel zu viel Angst haben, die Poller sonst zu verletzen.
Ist doch klar, dass die Erzählerin das mit ihren Symbolen ausdrücken wollte. Oder?
Euer Fischers Fritz