Anlässlich des 35-jährigen Bestehens der deutsch-französischen Regionalpartnerschaft und der "Bilingualen Grundschule Französisch" an der Grundschule Thüngen, beschäftigten sich die Kinder für einen Vormittag mit den Besonderheiten der französischen Sprache und Kultur. Als perfekter Ansprechpartner stand ihnen diesmal der 22-jährige Victor Preaux aus Frankreich zur Seite.
Die Kinder der Klasse 3b staunten nicht schlecht, als ihnen Victor die Unterschiede des Schulsystems in Frankreich und Deutschland vorstellte. Vieles kam ihnen besser vor, in anderen Punkten gab es schon deutliches Stirnrunzeln. Der neunjährige Konstantin aber sah das Ganze dann doch recht pragmatisch und meinte: "Eigentlich wäre es gut, im Winter hier und im Sommer in Frankreich zur Schule zu gehen!"
Lange Sommerferien ein tolle Sache
Grund waren die Verteilung der Stundenpläne und der Schulferien. Dass schon französische Grundschüler von 8.30 bis 16 Uhr in der Schule sind, sogar dort oft gemeinsam zu Mittag essen und anschließend noch Hausaufgaben machen müssen, konnte wenig begeistern. Andererseits waren die zwei Monate Ferien im Juli und August eine tolle Sache. Somit hatte Konrad schon Recht mit seinen Überlegungen. Für Familien mit berufstätigen Eltern stehen in diesen zwei Monaten ohne Schule staatliche oder betriebliche Betreuungsangebote zur Verfügung.
Ungewöhnlich auch, dass jenseits der Grenze die Kinder schon vor der fünfjährigen Grundschule vom dritten Lebensjahr an verpflichtend die Vorschule, die "École Maternelle" besuchen. Der Fächerkanon aber unterscheidet sich nicht allzu sehr von dem hierzulande. Neben dem Muttersprachenunterricht stehen Mathematik, Biologie, Geschichte, Geografie, Kunst und Sport auf dem Stundenplan. Statt Religion wird Ethik unterrichtet, als Fremdsprache wird meist Englisch gelehrt.
Schultüten für Abc-Schützen nicht üblich
Ungewöhnlich waren für die Thüngener Kinder auch die Unterschiede in den Unterrichtsformen. So werden Erstklässler meist ohne große Begrüßungsfeier seitens der Schule und ohne die bei uns übliche Schultüte eingeschult und der Umgang der Lehrkräfte mit ihren Schülern ist durchaus strenger als bei uns. Es gibt reichlich Strafen und Strafarbeiten sowie sehr viele Diktate, die wie fast alle anderen Prüfungen nach vorgegebenem Punkteschlüssel bewertet und benotet werden. Die Lineatur der Hefte und Blöcke unterscheidet sich, zusätzlich bekommen die Kinder Schiefertafeln, auf denen sie leicht ausbessern können.
Wie aber kommt ein junger Mann wie Victor Preaux von Frankreich als Schulbegleiter ins fränkische Thüngen? Aufgewachsen ist der Student der Ingenieurwissenschaften in Thionville bei Metz, einen Katzensprung von der deutschen Grenze entfernt. Deshalb hatte er schon in der Jugend einen Zugang zur Sprache seines Nachbarlandes gewonnen und diese in der Grundschule weiter vertieft. Während des technischen Studiums hatte er dann das Bedürfnis, eine Pause einlegen zu müssen und einmal etwas ganz Neues kennen zu lernen. Dazu gab ihm eine Initiative des Deutsch-Französischen Jugendwerks und des bayerischen Kultusministeriums Gelegenheit.
Schulbegleiter als echte Bereicherung
Für ein Jahr arbeitet nun Victor - vergleichbar mit einem deutschen "Bufdi" - als Schulbegleiter an der Grundschule in Thüngen. Er nimmt an Unterrichtseinheiten in nahezu allen Fächern teil, vorzugsweise natürlich am Sprachunterricht in Französisch. Dort erweist er sich als Muttersprachler und sein natürliches Talent im Umgang mit Kindern als echte Bereicherung und zusätzliche Motivation. Auch im Sport und in der Mittagsbetreuung ist er mit dabei.

Der junge Mann wohnt in seiner Freizeit in Karlstadt, wo ihm die Kolleginnen der Grundschule eine kleine Wohnung besorgt haben. Neben seinem Salär, ähnlich wie beim Bundesfreiwilligendienst, bekommt er noch einen Zuschuss aus den Mitteln des Deutsch-Französischen Jugendwerks. Auch für ihn eröffnet dieses Jahr einen anderen Zugang zum Leben, sagt er. Er lernt vieles, was ihm sonst entgangen wäre. Ob er nach dieser Zeit vielleicht doch lieber Lehrer werden will als Ingenieur? Victor lächelt nachdenklich und etwas unsicher: Wer weiß!
Als Abrundung für den Deutsch-Französischen Tag an der Grundschule Thüngen sahen die Schüler noch einen Film mit einem Puppenspiel nach dem Märchen der Gebrüder Grimm "Der Fischer und seine Frau", der als zweisprachiges Stück konzipiert war.