Die Teilnehmer aus Main-Spessart, aber auch aus den Nachbarkreisen absolvierten seit April einen fünftägigen Kurs, in dem sie Basiswissen der Botanik und spezielle Kenntnisse über die hiesigen Kräuter erwarben. Der lange Zeitraum erklärt sich mit den unterschiedlichen Vegetationsphasen, die ein Kräuterführer natürlich kennen muss.
Den Kurs leitete wie stets der Würzburger Diplom-Biologe Joachim G. Raftopoulo. Er hat den Lehrgang für die Ländliche Entwicklungsgruppe (heute Amt für Landwirtschaft) in Bad Neustadt entwickelt. Die Behörde hat den geprüften Kräuterführer quasi erfunden, als ein Sonderförderungsprogramm der Europäischen Union aufgelegt wurde, und organisiert bis heute die Kurse.
Wie Elisabeth Heller vom Amt für Landwirtschaft Bad Neustadt berichtet, sollte mit dem Förderprogramm Landwirten eine Nebenverdienstmöglichkeit aufgezeigt werden: Kräuterführungen als Attraktion für den Urlaub auf dem Bauernhof oder gewerbsmäßiges Kräutersammeln beispielsweise. Wichtig war dem Bad Neustadter Amt dabei, dass die Kursteilnehmer als Multiplikatoren wirken und ihr Wissen weitergeben. Die Nachfrage war unerwartet groß: Im Durchschnitt drei Kurse für 20 bis 25 Teilnehmer bietet das Amt im Jahr an, rund 500 geprüfte Kräuterführer hat Raftopoulo in den vergangenen 15 Jahren ausgebildet.
Längst interessieren sich nicht mehr nur Landwirte für die Schulung. Im aktuellen Kurs waren auch Forstleute, Lehrer, eine Hauswirtschaftsmeisterin und ein Zahnarzt. „Eine besonders engagierte Gruppe“, befand Diplom-Biologe Raftopoulo. „Das Wissen sprudelt nur so raus!“ Die Schwerpunkte des Lehrgangs sind Bestimmung von Wildkräutern, Pflanzensystematik, Ökologie, Naturschutz, Biotopkunde, Mythologie, Brauchtum und die Anwendung von Wildkräutern in der Volksheilkunde und in der Küche.
Doppelt gebüffelt
Dabei hat es die Main-Spessarter Gruppe doppelt schwer, denn im Landkreis ist die Kräuterkunde für zwei geologische Regionen zu büffeln: Buntsandstein und Muschelkalk. Die bekannte Heilpflanze Arnika zum Beispiel meidet kalkhaltige Standorte, auf denen dafür das Echte Labkraut und die Färberkamille gut gedeihen. „Auf Kalk wachsen dreimal so viele Kräuter wie auf Buntsandstein“, erklärt Joachim Raftopoulo. In der Rhön mit ihrem vulkanitischen Boden ist die Vielfalt ungleich geringer.
Die Abschlussprüfung am Donnerstag gliederte sich in drei Teile. Zunächst ging's bei Eußenheim-Aschfeld (und Regen) durchs Naturschutzgebiet, wo alle möglichen Kräuter zu bestimmen und ihre Verwendungsmöglichkeiten zu erläutern waren. Dem schloss sich im „Dirmbacher Hof“ in Gemünden-Wernfeld eine einstündige schriftliche Prüfung an. Eine Frage dabei lautete beispielsweise: „Nennen Sie jeweils drei Arten zu den Pflanzenfamilien Lippenblütengewächse, Nelkengewächse und Doldenblütengewächse!“ Der dritte Prüfungsteil war eine Hausaufgabe, die Anlage eines Herbariums – einer Sammlung getrockneter und beschriebener Pflanzen als Bestimmungsbuch. Raftopoulo vergab jeweils Noten wie in der Schule.
Da die EU-Förderung entfällt, wird sich das Amt für Landwirtschaft aus der Kräuterausbildung zurückziehen. Für die künftige Organisation aber haben ehemalige Kursteilnehmer bereits Ersatz geschaffen: das „Netzwerk Kräutervielfalt Franken e. V.“ Die Informationsseite darüber im Internet unter der Adresse www.kräuter-vielfalt-franken.de befindet sich noch im Aufbau. Der 45-jährige Diplom-Biologe aus Würzburg hat zugesagt, die Seminare auch weiterhin zu halten. Die Kursgebühr wird sich zwangsläufig erhöhen auf etwa 150 Euro.
Erfahrungsaustausch im Internet
Über das Netzwerk können sich die Kräuterkundler austauschen. Immer wieder einmal berichte jemand von seiner Oma, die bestimmte Anwendungsmöglichkeiten von Pflanzen gewusst habe, erzählt Elisabeth Heller. Ob und wie dieser Tipp anzuwenden ist, kann über das Netzwerk Kräutervielfalt Franken geklärt werden. Außerdem bietet der Verein Informationen, Veranstaltungen und Hinweise zu Versicherungen – wichtig für die Teilnehmer der Führungen – an.
Joachim Raftopoulo bedauert, dass es keine staatliche und genormte Prüfung für Kräuterführer gibt. Schließlich sind Pflanzen nur zum Teil oder nur in Teilen und bestimmten Maßen gesund. Salben, Säfte, Tees, Marmeladen, Stofffarben, Kosmetika, Küchenzutaten – die Anwendungsmöglichkeiten sind schier unbegrenzt, können bei mangelndem Fachwissen aber auch gefährlich sein.
Der Kurs geprüfter Kräuterführer versteht sich als Grundkurs. Aufbaukurse mit anderen Seminarleitern gibt es unter anderem zu den Themen Pilze, Heilpflanzen und Küchengarten.
Neue Geprüfte Kräuterführer für Main-Spessart sind:
Jürgen Englert (Zellingen), Andrea Finster (Volkach), Armin Fröhlich (Frammersbach), Simone Fröhlich (Frammersbach), Elisabeth Frühendorf-Pfister (Waigolshausen), Christiane Geiger (Adelsberg), Luitgard Gerhard (Stetten), Ramona Grimm (Kleinrinderfeld), Hans Karl Heilmann (Lohr), Angelika Issing (Arnstein), Margot Kiesel (Bad Kissingen), Manfred Kleinwechter (Karlstadt), Gisela Kraft-Bauer (Esselbach), Elfi Raunecker (Lohr), Karin Reichert (Schollbrunn), Dagmar Reinhart (Arnstein), Angela Rumpel (Volkach), Steffi Staub (Langenprozelten) und Annelore Welzenbach (Obersinn).
Voraussichtlich wird es 2010 den nächsten Lehrgang zum geprüften Kräuterführer in der Untermain-Region geben. Auskünfte erteilen die Ämter für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Bad Neustadt (Tel. 0 97 71/6 10 23 31) und in Karlstadt (Tel. 0 93 53/7 90 80).