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Thüngen: Gemeinsam eine bessere Geschichte schreiben

Thüngen

Gemeinsam eine bessere Geschichte schreiben

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    Gemeinsam mit dem Thüngener Bürgermeister Lorenz Strifsky (links) enthüllten die Nachkommen von Thüngener Juden Rachel Halberstadt, ihr Bruder David Harel-Halberstadt und seine Frau Bayta Salzberg auf dem Planplatz einen Koffer aus Holz. Mitorganisatorin war die Heimatpflegerin Kristina Ackermann.
    Gemeinsam mit dem Thüngener Bürgermeister Lorenz Strifsky (links) enthüllten die Nachkommen von Thüngener Juden Rachel Halberstadt, ihr Bruder David Harel-Halberstadt und seine Frau Bayta Salzberg auf dem Planplatz einen Koffer aus Holz. Mitorganisatorin war die Heimatpflegerin Kristina Ackermann. Foto: Günter Roth

    In einer würdigen und in ihrer Schlichtheit ergreifenden Veranstaltung leistete die Marktgemeinde Thüngen ihren Beitrag zur unterfrankenweiten Erinnerung an die über 2000 verschleppten und ermordeten Juden während des Nazi-Regimes. Während gemäß der Idee des "DenkOrt Deportation" am Würzburger Hauptbahnhof gemeinsam mit vielen anderen ein Koffer aus Thüngen steht, wurde hier am Planplatz im Rahmen des diesjährigen Volkstrauertags ein identisches Gegenstück aufgestellt. Der hölzerne Koffer, geschaffen von der Stockheimer Künstlerin Salome Zirk soll an die insgesamt 50 jüdischen Mitbürger erinnern, die aus der Gemeinde verschleppt wurden.

    Bürgermeister Lorenz Strifsky erinnerte in seiner Ansprache an die 2069 Menschen, die zwischen 1941 und 1944 aus Unterfranken deportiert wurden, aber auch an die aus seiner Heimatgemeinde. Der aufgestellte Koffer solle nun auch sensibilisieren, wachsam zu bleiben, Zivilcourage zu zeigen und entschlossen gegen Rassismus und Volksverhetzung einzutreten. "Wir alle schreiben Geschichte durch unser Tun und Handeln, aber auch durch eventuelles Wegschauen und Nichtstun. Lasst uns nun gemeinsam eine bessere Geschichte schreiben", sagte der Bürgermeister. Die heutige Generation sei für diese Geschehnisse nicht mehr verantwortlich zu machen, wohl aber für all das, was jetzt und in der Zukunft geschehe, mahnte er.

    Den nackten Zahlen und historischen Daten aber gaben drei Personen ein Gesicht. Die Geschwister Rachel Halberstadt, ihr Bruder David Harel-Halberstadt und dessen Frau Bayta Salzberg waren extra aus Israel angereist, um der Gedenkveranstaltung beizuwohnen. Ihre Großeltern gehörten zu den wenigen, die 1942 gerade noch rechtzeitig aus Thüngen nach Israel flüchten konnten. David Harel-Halberstadt erinnerte an seinen Großvater und an zahlreiche Namen, die damals in der Gemeinde Thüngen gelebt hatten: die Familien Seligmann, Tannenwald, Levi und Vorchheimer waren nur einige davon. Eindrucksvoll beschrieb er die Ratlosigkeit, die Verzweiflung und die Gedanken an die Flucht.

    Immer wieder mahnen

    Vor der offiziellen Enthüllung des schlichten "Thüngener Koffers" durch den Zweiten Bürgermeister Wolfgang Heß und den Gemeinderat Patrick Druschel sprach Pfarrer Tilman Schneider zu dem zweiten Anlass des Tages, dem Volkstrauertag. Es gebe nun immer weniger Zeitzeugen in den Gemeinden, die von den Erlebnissen der Zeit des Krieges und des Nationalsozialismus aus erster Hand berichten könnten, sagte er. Das sei zwar einerseits gut so, weil so die lange Friedensperiode erkennbar würde, andererseits sei es weiter nötig, immer wieder zu mahnen und aktiv für den Frieden einzutreten. Es sei nötig, die Erinnerung zu erhalten, Anteil am Leben anderer zu nehmen und gemeinsam zu trauern. Dass Zahlen mittlerweile kaum noch die Herzen erreichten, zeige auch die Coronapandemie auf.

    An der Feier beteiligten sich der Männergesangverein unter der Leitung von Johannes Gräbe-Bareuther, der Posauenchor mit Richard Steigerwald und Rainer Nöth von der Musikschule Karlstadt mit mehreren Trompetensoli. Die Freiwillige Feuerwehr und die "Kirchweihburschen" hatten Abordnungen geschickt.

    David Harel-Halberstadts Großvater floh 1942 aus Thüngen nach Israel. Er zeigt hier Kristina Ackermann Fotos, die der damalige Pfarrer Johannes Zwanzger während der Pogromnacht am 9. November 1938 gemacht hat
    David Harel-Halberstadts Großvater floh 1942 aus Thüngen nach Israel. Er zeigt hier Kristina Ackermann Fotos, die der damalige Pfarrer Johannes Zwanzger während der Pogromnacht am 9. November 1938 gemacht hat Foto: Günter Roth
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