Langsam und konzentriert befestigt Taucher Andreas Jung unter Wasser die Halteseile des Krans an einer Dammtafel und bringt sich in Sicherheit, bevor der Kran sie aus dem Wasser zieht. Das ist einer der letzten Schritte, bevor das Laufwasserkraftwerk am Main bei Lengfurt nach umfassender Erneuerung wieder in Betrieb genommen wird. Ein Besuch auf der Baustelle.
Knapp zwei Millionen Euro hat die Rhein-Main-Donau AG in ihr Kraftwerk investiert, dessen Betriebsführung in den Händen von E.ON liegt. Erneuert wurden Dichtungen, Turbinenregler sowie Pumpen- und Motorenlager. Die Turbinenwellenlagerungen wurden repariert und Fettschmier-Einrichtungen sowie Steuerventile überholt. Zudem erhielt die Anlage ein neues Notstromaggregat und die Transformatoren wurden auf die flussabwärts liegende Mainseite verlegt.
Knapp die Hälfte des Budgets wurde für die moderne, hydraulische Rechenreinigungsanlage aufgewendet. Diese in Österreich entwickelte Hightech-Anlage erkennt mittels Sensoren am Wasserstand, wann sich zu viel Treibgut angesammelt hat und beseitigt dieses automatisch. Gelagert wird das „Rechengut“ in einer neu errichteten Grube. Bei Bedarf kann die Anlage manuell gesteuert werden.
„Diese Neuheit macht die Entsorgung des Rechenguts für die Arbeiter sehr viel komfortabler; das war früher wirklich schwere Arbeit“, erzählt Jan Kiver, Leiter für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit bei der Rhein-Main-Donau AG. Die alte Anlage stammte noch aus dem Jahr 1974. Damals wurde das Rechengut über einen Seilzug entfernt und per Lore, die mit Muskelkraft geschoben werden musste, zum Container seitlich am Mainufer gebracht.
Treibholz herausfischen
Abhängig vom Wetter und dem Stand des Mainwassers konnte diese Arbeit durchaus gefährlich sein. Die Rechenreinigungsanlage filtert jährlich im Durchschnitt 700 Kubikmeter Schwemmgut aus dem Main und leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Reinhaltung von Frankens Lebensader. Die höchste Schwemmgutmenge blieb im Jahre 1997 mit 1266 Kubikmetern in den Rechen hängen. Am wenigsten Schwemmgut wurde 2011 mit 377 Kubikmetern aus dem Main gezogen. Zusätzlich zu dieser Anlage erhielt das Lengfurter Kraftwerk neue Schutzrechen, die die Turbinen vor dem Schwemmgut schützen, sowie ein neues Oberwasserpodium, auf dem die neue Maschine nun auf Schienen fährt.
Eine weitere Neuerung an der Anlage ist die Umstellung des Kraftwerkskompressors zur Druckluftherstellung, da die Belüftungsventile für die Turbine auf Druckluftsteuerung umgestellt wurden. Dies geschah aus Gründen des Naturschutzes, da bei der alten, hydraulischen Variante, im Falle einer Beschädigung der Ventile, das enthaltene Öl geradewegs in den Main geflossen wäre.
Bis Ende Oktober soll das Kraftwerk, nach Überprüfung aller betroffenen Anlagen- und Turbinenteile, nach ungefähr viermonatiger Pause wieder ans Stromnetz angeschlossen werden. Die Stromerzeugung des Kraftwerks bleibt vom Umbau unbeeinflusst. Sie liegt bei etwa 16 Millionen Kilowattstunden jährlich. Das ist genug, um die 4264 Einwohner der Marktgemeinde Triefenstein, zu der Lengfurt, Homburg, Trennfeld und Rettersheim gehören, zu 100 Prozent mit regenerativer und CO2-freier Energie zu versorgen.
Wasserkraftwerk Lengfurt
Im Frühjahr 1940 wurde das Kraftwerk Lengfurt in Betrieb genommen. 1995 wurde es einer Generalüberholung unterzogen. Es gehört zu einer Kette von 34 am Main liegenden Wasserkraftwerken. Seine Steuerung erfolgt vom Pumpspeicherkraftwerk Langenprozelten im Spessart aus. Der Wasserdurchfluss liegt bei maximal 109 Kubikmetern in der Sekunde. Dies entspricht etwa 727 Badewannenfüllungen. Dadurch werden durchschnittlich 16 Millionen Kilowattstunden pro Jahr erzeugt, was die Stromversorgung von rund 4900 durchschnittlichen Haushalten gewährleisten kann. TEXT: luh