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GEMÜNDEN: Geschmacksfragen sind schwer zu regeln

GEMÜNDEN

Geschmacksfragen sind schwer zu regeln

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    Gut und schlecht nah beieinander: Die „Koppen“-Fassade mit dem dezenten Glasvordach (Mitte) sowie der Ausleger und die Rosenstöcke der Stadtapotheke (rechts) sind Blickfänge in der Gemündener Altstadt und eine Bereicherung.
    Gut und schlecht nah beieinander: Die „Koppen“-Fassade mit dem dezenten Glasvordach (Mitte) sowie der Ausleger und die Rosenstöcke der Stadtapotheke (rechts) sind Blickfänge in der Gemündener Altstadt und eine Bereicherung. Foto: Fotos (2): Michael Fillies

    Über Geschmack lässt sich nicht streiten, heißt es. Doch der elfköpfige Bauausschuss des Stadtrats verstrickt sich immer wieder in Geschmacksfragen, wenn es um Bauanträge in der Altstadt geht, vor allem um Werbeanlagen. Am Montag ließen sich die Ausschussmitglieder und etliche Stadträte mehr von Architekt Markus Uhl eine Nachhilfestunde geben.

    In der Vergangenheit hatten einige Bauausschussmitglieder immer wieder beklagt, mit der Bewertung der architektonischen Wirkung von Maßnahmen überfordert zu sein. Den Rahmen für Entscheidungen gibt seit der Stadtsanierung die Gestaltungssatzung für die Altstadt vor. Obwohl mehrfach gelockert, gehen ihre Bestimmungen manchen Stadträten zu weit. Keine einheitliche Meinung gibt es im Bauausschuss zu der Frage, wie bindend die Gestaltungssatzung ist.

    Aus dem Grund hatte das Bauausschussmitglied Matthias Risser Anfang Juni einen Rundgang mit dem Berater der Stadt in Altstadtfragen angeregt: „Das schult uns.“ Die Aufgabe übernahm der Würzburger Architekt Markus Uhl im Auftrag des Karlstadter Architekturbüros Haase. Bürgermeister Georg Ondrasch gab vor: „Eventuell besteht der Wunsch oder die Notwendigkeit, die Baugestaltungssatzung zu überarbeiten.“

    Abschied vom Biberschwanz

    Markus Uhl erinnerte, dass die Satzung nach intensiver Diskussion im Stadtrat zuletzt 2006 geändert worden sei und seiner Meinung nach die Festlegungen ausreichend und angemessen sind. Sie entspreche den Satzungen anderer Altstädte. Mit den Änderungen hatte man sich verabschiedet von den Vorgaben, bei Dachneueindeckungen Biberschwanz-Ziegel und für Fassadenanstriche ausschließlich Erd-Töne zu verwenden. Die Bestimmungen für Werbeanlagen wurden ebenfalls gelockert.

    Die Satzung gilt nur für Neu- und Umbauten und hat zum Ziel, eines Tages ein gefälliges und dem historischen Charakter angepasstes Ensemble zu erhalten. Sollte beispielsweise das Gebäude, in dem sich der Schlecker-Markt und Optik-Krug befinden, umgebaut werden, müsste der Bauherr nach den Vorgaben der Satzung dem Haus ein Dach aufsetzen, das die jetzige Lücke in der Obertorstraße schließt.

    Auf dem Rundgang hielt sich Markus Uhl mit Fallbeil-Urteilen nach Art „gut gelungen – absolut unmöglich“ zurück. Stattdessen zeigte er seiner Meinung nach passende und weniger passende Gestaltungselemente auf. Matthias Risser und Matthias Küber hätten sich klarere Ansagen des Architekten gewünscht. Er erwiderte, den Stadträten die Einzelentscheidungen nicht abnehmen zu können: „Sie müssen sagen, wie Sie zur Altstadtgestaltungssatzung stehen, oder war sie nur Zweck, Fördergelder zu erhalten? Sie müssen sich bewusst machen, was will man eigentlich: dass sich Passanten wohl fühlen oder dass die Geschäfte werben.“

    Städtebau sei ein langwieriger Prozess, so Uhl. Auch der Geschmack wandle sich. Deshalb beispielsweise seien die Erdfarbtöne in Gemünden nicht mehr vorgeschrieben, weil sie vielleicht doch ein zu langweiliges Bild ergäben. Das Grau von Optik-Deter beispielsweise setze einen durchaus passenden Akzent und belebe die Stadtansicht. Am Schreibtisch jedoch seien Hausanstriche immer nur schwer zu beurteilen, besser wäre es, vor Ort einen Probeanstrich zu begutachten. Grundsätzlich komme es bei der Beurteilung von Gestaltungselementen auch darauf an, ob sie an einen prominent gelegenen Ort oder in einen Hinterhof kommen.

    Gelungene Ausnahmen

    Bei Werbeanlagen riet Uhl dazu, wie andernorts auch an aufgemalten Schriften oder Einzelbuchstaben (wie am Rathaus), die auch hinterleuchtet sein können, festzuhalten. Hinterleuchtete Schriftkästen aber gehen „eigentlich nicht“. Am Beispiel von Optik-Deter erläuterte der Architekt, warum Ausnahmen von der Gestaltungssatzung erwogen werden können: Der Ausleger, obwohl modern, sei handwerklich gestaltet und füge sich ein; die eigentlich zu große Werbetafel habe Stil und passe zu den Proportionen des Hauses; der Sockel sei „schön dreigeteilt“; die Schaufenster hätten nach der Satzung mit Sprossen gegliedert sein sollen, damit sie Ruhe ausstrahlen – „das geht hier aber“.

    An etlichen weiteren Gebäuden gab Markus Uhl sein Urteil zu Details ab. Das sanierte und viel diskutierte Sparkassengebäude beispielsweise fand Gnade vor den Augen des Fachmanns: Das Rot passe zum Gebäude, weiche die Wuchtigkeit etwas auf und werde mit der Zeit blasser. Von Bedeutung sei dabei auch, das der Komplex nicht zentral, sondern am Eingang der Obertorstraße steht. Am Glasvordach hatte er nichts auszusetzen, etwas unpassend sei lediglich der schwere Schriftkörper auf dem leichten Glas.

    Beim Rundgang bestand auch unter den Stadträten weitgehend Einigkeit über die unschönen und künftig zu vermeidenden Bauteile wie eine Satellitenschüssel an der Straßenseite, bröckelnde Fassaden, Kunstharzputz, schiefe Riesenschilder und dergleichen mehr. Wie künftig verfahren werden soll, ob die Gestaltungssatzung wieder mehr Beachtung findet, wird der Bauausschuss in einer der nächsten Sitzungen beraten.

    ONLINE-TIPP

    Die Gestaltungssatzung für die Altstadt Gemünden im Wortlaut unter www.mainpost.de/regional/main-spessart/gemuenden

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