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Geschwister übers Fernsehen gefunden

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Geschwister übers Fernsehen gefunden

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    Schumann-Treffen: Jürgen Schumann (links oben) aus Dresden, wohnhaft in Erlenbach, hat in der Sendung "Britt" seine Geschwister gefunden.
    Schumann-Treffen: Jürgen Schumann (links oben) aus Dresden, wohnhaft in Erlenbach, hat in der Sendung "Britt" seine Geschwister gefunden. Foto: Marion Wiesmann

    Geht nicht? Fernsehen macht es möglich. Als Gast in der Fernsehshow "Britt _ Der Talk um eins" erfuhr der Erlenbacher, dass die Frau, die neben ihm im Studio saß, seine Schwester ist.

    Und mehr noch: vier Schwestern und zwei Brüder teilen mit dem Erlenbacher Jürgen Schumann, der bei Adoptiveltern groß wurde, die selbe Vergangenheit. "Mein Herz schlug bis zum Hals", erinnert sich Schumann heute an die Fernsehshow, die sein Leben veränderte. Spurensuche. Jürgen mustert seinen jüngeren Bruder Tobias. Die selben braunen Augen mit dem leichten Stich ins grünliche, und auch der Rest des Gesichts ähnelt. Zwillinge könnten sie sein _ zumindest zweieiige _ wenn nicht der Altersunterschied wäre. Jürgen ist mit seinen 41 Jahren der Älteste der sieben Geschwister, Tobias mit 30 der Jüngste. Ihre leibliche Mutter kennen beide nur von Fotos. "Heike, du siehst unserer Mutter am ähnlichsten!" Die 32-Jährige zuckt zusammen, verkrampf ihre Schultern: "Wisst ihr, dass das ein ganz komisches Gefühl ist, so was zu hören?" Erst nachdem ihre neu gewonnenen Geschwister ihr beteuern, dass sich die Ähnlichkeit ja nur auf das Aussehen beschränkt, kann sich Heike wieder entspannen. "Trotzdem komisch." In Dresden und Magdeburg wurden sie zu Adoption frei gegeben, heute sind Jürgen, Kerstin, Heike, Gabi, nochmal Heike und Tobias erwachsen, bis auf "Nestheckchen" Tobias, glücklich verheiratet und leben in ganz Deutschland verstreut. Die gemeinsamen Ferien nutzten die Geschwister zu einem ersten gemeinsamen Treffen bei Jürgen, der seit 1989 in Erlenbach lebt. Alle, bis auf Bruder Dirk. Der will mit der Sache nichts zu tun haben. Angst, Desinteresse? Die anderen sechs Wissen nicht, warum er nichts von ihnen wissen will. Ihnen bleiben nur wage Vermutungen. "Vielleicht will er seine Herkunft ja vergessen, hat Angst, damit konfrontiert zu werden." "Man muss es leider akzeptieren, aber ich hätte Lust, mich einfach vor seine Tür zu stellen und zu sagen "Hier bin ich" ", scherzt die ältere Heike, die alle nur Dipsi nennen. Doch ihr Unterton lässt erahnen, dass sie vielleicht eines Tages Ernst macht. Wie sie und ihre Schwester zum gleichen Vornamen kamen? Noch ein Mysterium ihrer Vergangenheit, das ihnen wohl niemand beantworten kann. Ihre leibliche Mutter können sie nicht mehr fragen. Sie starb im Alter von 52 Jahren bei einem Unfall. Allein Dipsi sah sie lebend, ein einziges Mal. "Bis ich mich überwinden konnte, sie noch einmal zu besuchen, war es schon zu spät." Das Treffen mit den Geschwistern wollte sich die frisch Vermählte nicht entgehen lassen, und so verbringt sie ihre Flitterwochen in Erlenbach. Eine Zeitzeugin, die ein wenig Licht in die dunkle Vergangenheit bringen kann, ist eine der beiden Schwestern der Mutter. Zu ihr haben die Geschwister auch Kontakt aufgenommen. "Es wäre schön gewesen, wenn sie heute auch hätte kommen können, aber sie hatte leider keine Zeit.", bedauert Kerstin. "Ja, das wäre sicherlich interessant gewesen", gibt ihr Gabi recht. Über ihre alkoholkranke Mutter wollen sie kein schlechtes Wort verlieren. "Die Sache ist für uns abgehackt, die Vergangenheit können wir eh nicht mehr richten", so Jürgen. Dennoch: Auf Spurensuche sind alle sechs, Fragen gibt es viele. Zum Beispiel wie es kam, dass Gabi als einzige nicht zur Adoption freigegeben wurde, sondern zu Pflegeeltern kam, oder warum nur Tobias in Magdeburg abgegeben wurde und alle anderen in Dresden. "Wissen zu wollen, was war, steckt doch in jedem, oder?", fragt Dipsi und die anderen nicken. Mit vielen Besuchen beim Jugendamt war die Suche nach ihren Geschwistern verbunden. Gabi war die erste, die aktiv nach Verwandten suchte, doch solange die Mutter der sieben noch lebte, konnte sie nicht mehr tun, als ihre Adresse auf dem Amt zu hinterlassen. "Warum habt ihr das denn nicht auch gemacht?" fragt sie in die Runde. Als nächstes wurde Tobias neugierig, der durch eine geplante Hochzeit seine Abstammungsurkunde mit Nachnamen der Mutter in die Hände bekam. "Es hat fast ein Jahr gedauert, ein paar Adressen herauszubekommen", bedauert der Jüngste. Durch ihn kam "Britt" zu ihrer Story und Heike sowie Tobias zu ihren Geschwistern. Kerstin, Gabi und Tobias hatten sich im Vorfeld schon gefunden. "Fast wäre ich nicht hingegangen", erinnert sich Kerstin. Das Fernsehteam habe telefonisch eine Nachricht hinterlassen und ein Telegramm geschickt, ohne zu sagen, dass es sich um die Fernsehshow "Britt" geht. So landete das Telegramm im Müll. "Ich war viel zu ängstlich und habe dann zum Glück meinen Mann anrufen lassen, um zu fragen, was die von mir wollen." Heike lernten dann alle erst später telefonisch kennen. Eine unglaubliche Geschichte? Für die Geschwister ist sie ganz normal. "Klar ist so etwas nicht alltäglich, aber eigentlich ist es nur für Außenstehende seltsam. Meine Freundin konnte zum Beispiel Nächte lang nicht mehr schlafen, so aufgeregt war sie".  Fremde als Geschwister? "Man nimmt die anderen alle ganz anders auf, wenn man weiß, dass man zusammengehört", betont Dipsi. Fremd und doch Vertraut also. Zumindest verstehen sich die sechs Geschwister, die alle bei unterschiedlichen Eltern groß geworden sind, sehr gut und der nächste gemeinsame Urlaub ist auch schon geplant: Wandern im Allgäu.

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