Die Freien Wähler Marktheidenfeld diskutierten am Dienstagabend fast drei Stunden lang im Hotel „Zum Löwen“ mit über 60 Anwohnern und Geschäftsleuten der Altstadt über die mögliche Erweiterung der Fußgängerzone.
In der Mehrzahl kamen die Ladeninhaber und Gastronomen, die darin eine Bedrohung ihrer Existenz sehen oder am Rand der Altstadt mehr Verkehrslärm befürchten. Ihre Haltung: Es sei besser, die verkehrsberuhigte Zone schärfer zu kontrollieren, als ganze Straßen zu sperren.
In der ersten Dreiviertelstunde stellte Fraktionsvorsitzender Ludwig Keller die Ideen der Freien Wähler vor, deren Stadträte vollzählig anwesend waren (s. weiteren Bericht).
Walter Väthjunker erklärte dann als Vorsitzender der Werbegemeinschaft, dass der Kunde sich ambivalent verhalte: Jeder wünsche sich eine Fußgängerzone zum Flanieren, aber wenn der Metzger darin liegt, fährt der Kunde lieber auf die Grüne Wiese. Er glaubt, dass die Läden des langfristigen Bedarfs (Mode, Schuhe) von einer Fußgängerzone profitieren würden, während Geschäfte des kurzfristigen Bedarfs (Bäcker, Metzger) „von Umsatzverlusten eklatant bedroht“ seien. Demzufolge sei die Hälfte der WG für und die andere gegen eine Erweiterung. Sein Fazit teilten viele Gewerbetreibende: Die Stadt solle auf verstärkte Kontrolle setzen statt auf eine Fußgängerzone.
„Glauben Sie nicht, Sie könnten den Kunden erziehen“
Josef Deppisch Hotel „Anker“
Oliver Ritter, Zoo-Handlung, empfand schon die Bauarbeiten in der Mitteltorstraße wie eine Zone auf Probe. Er hat sinkende Umsätze verzeichnet und glaubt, dass die Hälfte der Geschäfte schließen wird, wenn eine Fußgängerzone kommt.
Frank Renkhoff, Café de MAR (Mainkai), geht die Forderung nach Schließung von Obertor- und Mitteltorstraße zu weit. Dann ergehe es der hiesigen Altstadt wie der Wertheims: „Die ist zu Tode beruhigt worden.“
Eric Martin, Apotheke (Obertorstraße), sprach sich gegen die Zone zur jetzigen Zeit aus. Er bemängelte, dass schon das Verkehrsgutachten zur falschen Zeit erstellt worden sei, als die Umleitungen während der Bauarbeiten in der Innenstadt galten. Er hält Probeläufe erst nach Fertigstellung des „Aufstiegs“ für sinnvoll, wenn die neuen Verkehrsströme sich eingependelt haben. Er widersprach der Hoffnung, die Zone werde nur Verbesserungen bringen. Er rechnet mit „günstigeren Bedingungen für die einen und schlechteren für die anderen“. Mehr Verkehrsbelastung am Mainkai und in den Gassen sei jedenfalls kontraproduktiv.
Thomas Albert, Schreibwarengeschäft (Obertorstraße), warf den Stadträten vor, sie wollten eine Zone, auch wenn Geschäfte dabei kaputtgingen. Er verzeichne schon seit Jahren Kundenabgänge, vor allem in Richtung Georg-Mayr-Straße. Albert forderte von der Stadt ein schlüssiges Stadtmarketing.
Helmut Ludwig, Baby-Fachmarkt (Obertorstraße): „Für mich ist eine Fußgängerzone eine Katastrophe.“ Er sei darauf angewiesen, dass Kunden sperrige Güter wie Kinderwagen vor seinem Geschäft ins Auto laden oder Kindersitze im Auto ausprobieren könnten. Keine Kundin sei bereit, die Ware bis zum Brückenparkplatz zu tragen. Deshalb gebe es in ganz Deutschland keinen Baby-Fachmarkt in einer Fußgängerzone.
Frank Nehrkorn, Wäscherei Bauer (Herrngasse), hat ähnliche Probleme und hält es überdies nicht für möglich, seinen Lieferverkehr auf bestimmte Zeiten zu beschränken.
Josef Deppisch, „Anker“ (Obertorstraße) hält jede Veränderung für eine Verschlechterung. Selbst geringe Umsatzeinbußen seien gravierend. „Glauben Sie nicht, Sie könnten den Kunden erziehen“, sagte er den Freien Wählern. „Wir richten uns nach ihm – nicht umgekehrt.“ Wenn während der Probezeit der Zone eine intensive Kontrolle geplant sei, warum dann nicht gleich?, fragte er die Stadträte.
Christina Ries, Anwohnerin (Untertorstraße), warf das Thema der Raser und des Verkehrslärms auf. Die Untertorstraße sei schon heute nachts eine Rennstrecke: „Da fallen Sie aus dem Bett.“ Ähnliche Probleme und die schlechte Parkmoral mancher Autofahrer beklagten mehrere Redner.
Otto Lemke, Anwohner (Obere Gasse), sprach sich klar für eine Fußgängerzone aus. „Deshalb haben wir Frau Schmidt-Neder gewählt.“ Er ist gegen die gültige Verkehrsregelung, die viele Anwohner zwinge, immer um die Altstadt herumzufahren.